Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831.

Bild:
<< vorherige Seite

Heimlichkeit, denn Keiner giebt auf den Andern acht.
-- Da man mich von allen Seiten quält zu tanzen
(ein Deutscher, der nicht walzt, scheint ihnen unbe-
greiflich), ich aber nicht mag, so habe ich vorgegeben,
ein Gelübde binde mich, und zugleich errathen las-
sen, daß es ein zärtliches sey. Dieses Vorgeben kön-
nen nun die Damen schwer mit der Ueberzeugung
zusammenreimen, daß ich doch nur hier sey, um eine
Frau zu suchen, wie sie sich steif und fest einbilden.
Es geht bei alle dem nicht ohne einige Huldigung
ab, um das tägliche Einerlei zu würzen, aber Gott-
lob ist nichts hier vorhanden, was mich im Gering-
sten aus meiner Ruhe bringen könnte, ein sehr be-
haglicher Zustand! Viel schlimmer ist es einem ar-
men Engländer gegangen, der sich heute, aus un-
glücklicher Liebe, von der jettee ins Meer geworfen
hat, und gestern noch, wie von der Tarantel gesto-
chen, tanzte. Dem Aermsten mag es dabei zu Mu-
the gewesen seyn, wie den Dindons, die man in
Paris Ballet tanzen läßt, indem man sie auf einen
metallnen Boden stellt, unter dem Feuer angemacht
wird. Die Zuschauer, die ihre verzweifelten Sprünge
sehen, glauben sie wären sehr lustig, während die
armen Geschöpfe langsam verbrennen.

Mehrmals habe ich mich beklagt, daß Brighton
keine Vegetation hat, aber die Sonnenuntergänge
im Meer, und die sie begleitenden Wolkenbilder habe
ich fast nirgends so mannichfaltig gesehen.

So hatte es heute den ganzen Tag geregnet, und
als es sich Abends aufklärte, baute sich am Horizont

Heimlichkeit, denn Keiner giebt auf den Andern acht.
— Da man mich von allen Seiten quält zu tanzen
(ein Deutſcher, der nicht walzt, ſcheint ihnen unbe-
greiflich), ich aber nicht mag, ſo habe ich vorgegeben,
ein Gelübde binde mich, und zugleich errathen laſ-
ſen, daß es ein zärtliches ſey. Dieſes Vorgeben kön-
nen nun die Damen ſchwer mit der Ueberzeugung
zuſammenreimen, daß ich doch nur hier ſey, um eine
Frau zu ſuchen, wie ſie ſich ſteif und feſt einbilden.
Es geht bei alle dem nicht ohne einige Huldigung
ab, um das tägliche Einerlei zu würzen, aber Gott-
lob iſt nichts hier vorhanden, was mich im Gering-
ſten aus meiner Ruhe bringen könnte, ein ſehr be-
haglicher Zuſtand! Viel ſchlimmer iſt es einem ar-
men Engländer gegangen, der ſich heute, aus un-
glücklicher Liebe, von der jettée ins Meer geworfen
hat, und geſtern noch, wie von der Tarantel geſto-
chen, tanzte. Dem Aermſten mag es dabei zu Mu-
the geweſen ſeyn, wie den Dindons, die man in
Paris Ballet tanzen läßt, indem man ſie auf einen
metallnen Boden ſtellt, unter dem Feuer angemacht
wird. Die Zuſchauer, die ihre verzweifelten Sprünge
ſehen, glauben ſie wären ſehr luſtig, während die
armen Geſchöpfe langſam verbrennen.

Mehrmals habe ich mich beklagt, daß Brighton
keine Vegetation hat, aber die Sonnenuntergänge
im Meer, und die ſie begleitenden Wolkenbilder habe
ich faſt nirgends ſo mannichfaltig geſehen.

So hatte es heute den ganzen Tag geregnet, und
als es ſich Abends aufklärte, baute ſich am Horizont

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0436" n="390"/>
Heimlichkeit, denn Keiner giebt auf den Andern acht.<lb/>
&#x2014; Da man mich von allen Seiten quält zu tanzen<lb/>
(ein Deut&#x017F;cher, der nicht walzt, &#x017F;cheint ihnen unbe-<lb/>
greiflich), ich aber nicht mag, &#x017F;o habe ich vorgegeben,<lb/>
ein Gelübde binde mich, und zugleich errathen la&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en, daß es ein zärtliches &#x017F;ey. Die&#x017F;es Vorgeben kön-<lb/>
nen nun die Damen &#x017F;chwer mit der Ueberzeugung<lb/>
zu&#x017F;ammenreimen, daß ich doch nur hier &#x017F;ey, um eine<lb/>
Frau zu &#x017F;uchen, wie &#x017F;ie &#x017F;ich &#x017F;teif und fe&#x017F;t einbilden.<lb/>
Es geht bei alle dem nicht ohne einige Huldigung<lb/>
ab, um das tägliche Einerlei zu würzen, aber Gott-<lb/>
lob i&#x017F;t nichts hier vorhanden, was mich im Gering-<lb/>
&#x017F;ten aus meiner Ruhe bringen könnte, ein &#x017F;ehr be-<lb/>
haglicher Zu&#x017F;tand! Viel &#x017F;chlimmer i&#x017F;t es einem ar-<lb/>
men Engländer gegangen, der &#x017F;ich heute, aus un-<lb/>
glücklicher Liebe, von der <hi rendition="#aq">jettée</hi> ins Meer geworfen<lb/>
hat, und ge&#x017F;tern noch, wie von der Tarantel ge&#x017F;to-<lb/>
chen, tanzte. Dem Aerm&#x017F;ten mag es dabei zu Mu-<lb/>
the gewe&#x017F;en &#x017F;eyn, wie den Dindons, die man in<lb/>
Paris Ballet tanzen läßt, indem man &#x017F;ie auf einen<lb/>
metallnen Boden &#x017F;tellt, unter dem Feuer angemacht<lb/>
wird. Die Zu&#x017F;chauer, die ihre verzweifelten Sprünge<lb/>
&#x017F;ehen, glauben &#x017F;ie wären &#x017F;ehr lu&#x017F;tig, während die<lb/>
armen Ge&#x017F;chöpfe lang&#x017F;am verbrennen.</p><lb/>
          <p>Mehrmals habe ich mich beklagt, daß Brighton<lb/>
keine Vegetation hat, aber die Sonnenuntergänge<lb/>
im Meer, und die &#x017F;ie begleitenden Wolkenbilder habe<lb/>
ich fa&#x017F;t nirgends &#x017F;o mannichfaltig ge&#x017F;ehen.</p><lb/>
          <p>So hatte es heute den ganzen Tag geregnet, und<lb/>
als es &#x017F;ich Abends aufklärte, baute &#x017F;ich am Horizont<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[390/0436] Heimlichkeit, denn Keiner giebt auf den Andern acht. — Da man mich von allen Seiten quält zu tanzen (ein Deutſcher, der nicht walzt, ſcheint ihnen unbe- greiflich), ich aber nicht mag, ſo habe ich vorgegeben, ein Gelübde binde mich, und zugleich errathen laſ- ſen, daß es ein zärtliches ſey. Dieſes Vorgeben kön- nen nun die Damen ſchwer mit der Ueberzeugung zuſammenreimen, daß ich doch nur hier ſey, um eine Frau zu ſuchen, wie ſie ſich ſteif und feſt einbilden. Es geht bei alle dem nicht ohne einige Huldigung ab, um das tägliche Einerlei zu würzen, aber Gott- lob iſt nichts hier vorhanden, was mich im Gering- ſten aus meiner Ruhe bringen könnte, ein ſehr be- haglicher Zuſtand! Viel ſchlimmer iſt es einem ar- men Engländer gegangen, der ſich heute, aus un- glücklicher Liebe, von der jettée ins Meer geworfen hat, und geſtern noch, wie von der Tarantel geſto- chen, tanzte. Dem Aermſten mag es dabei zu Mu- the geweſen ſeyn, wie den Dindons, die man in Paris Ballet tanzen läßt, indem man ſie auf einen metallnen Boden ſtellt, unter dem Feuer angemacht wird. Die Zuſchauer, die ihre verzweifelten Sprünge ſehen, glauben ſie wären ſehr luſtig, während die armen Geſchöpfe langſam verbrennen. Mehrmals habe ich mich beklagt, daß Brighton keine Vegetation hat, aber die Sonnenuntergänge im Meer, und die ſie begleitenden Wolkenbilder habe ich faſt nirgends ſo mannichfaltig geſehen. So hatte es heute den ganzen Tag geregnet, und als es ſich Abends aufklärte, baute ſich am Horizont

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/436
Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 390. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/436>, abgerufen am 19.04.2024.