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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831.

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recht gut wo er sich aufhalte, könne sich aber darüber
nicht deutlicher erklären.

P. erwiederte, er zweifle daran nicht, der alte
Adam
sey auch ihm sehr wohl bekannt. (Ich be-
merke, daß Capt. P. auf einer deutschen Universität
studirt hat, woher er wahrscheinlich den alten Adam
kennt.)

Die Frau vom Hause, Lady Ch ..., dieselbe, deren
grenzenlose Verehrung Napoleons ich schon erwähnte,
hörte uns zu, und versicherte dem Capitain, er könne
sich darauf verlassen, daß Lady Esther ihn wirklich
blos gefoppt habe, denn sie kenne sie genau, da sie
mit ihr lange sehr intim gelebt, und nie habe es ei-
nen klareren, determinirteren und zugleich schlaueren
weiblichen Geist gegeben.

Auf jeden Fall hat sie für eine solche Persönlich-
keit zwischen Abend- und Morgenland einen guten
Tausch gemacht. Sie herrscht, ist selbst unabhän-
gig wie der Vogel in der Luft, und hätte inmitten
der Civilisation sich der Sclaverey nie entreißen
können, die vielleicht immer und ewig eben die Schat-
tenseite aller Civilisation bleiben muß.



Sir Alex. Johnston, auch ein großer Orientalist,
doch in anderem Sinne, hatte mich zu Tisch geladen,
und würzte das Mahl durch seine geistreiche und ge-
lehrte Unterhaltung. Er hat in seinem Fach schon

recht gut wo er ſich aufhalte, könne ſich aber darüber
nicht deutlicher erklären.

P. erwiederte, er zweifle daran nicht, der alte
Adam
ſey auch ihm ſehr wohl bekannt. (Ich be-
merke, daß Capt. P. auf einer deutſchen Univerſität
ſtudirt hat, woher er wahrſcheinlich den alten Adam
kennt.)

Die Frau vom Hauſe, Lady Ch …, dieſelbe, deren
grenzenloſe Verehrung Napoleons ich ſchon erwähnte,
hörte uns zu, und verſicherte dem Capitain, er könne
ſich darauf verlaſſen, daß Lady Eſther ihn wirklich
blos gefoppt habe, denn ſie kenne ſie genau, da ſie
mit ihr lange ſehr intim gelebt, und nie habe es ei-
nen klareren, determinirteren und zugleich ſchlaueren
weiblichen Geiſt gegeben.

Auf jeden Fall hat ſie für eine ſolche Perſönlich-
keit zwiſchen Abend- und Morgenland einen guten
Tauſch gemacht. Sie herrſcht, iſt ſelbſt unabhän-
gig wie der Vogel in der Luft, und hätte inmitten
der Civiliſation ſich der Sclaverey nie entreißen
können, die vielleicht immer und ewig eben die Schat-
tenſeite aller Civiliſation bleiben muß.



Sir Alex. Johnſton, auch ein großer Orientaliſt,
doch in anderem Sinne, hatte mich zu Tiſch geladen,
und würzte das Mahl durch ſeine geiſtreiche und ge-
lehrte Unterhaltung. Er hat in ſeinem Fach ſchon

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[410/0456] recht gut wo er ſich aufhalte, könne ſich aber darüber nicht deutlicher erklären. P. erwiederte, er zweifle daran nicht, der alte Adam ſey auch ihm ſehr wohl bekannt. (Ich be- merke, daß Capt. P. auf einer deutſchen Univerſität ſtudirt hat, woher er wahrſcheinlich den alten Adam kennt.) Die Frau vom Hauſe, Lady Ch …, dieſelbe, deren grenzenloſe Verehrung Napoleons ich ſchon erwähnte, hörte uns zu, und verſicherte dem Capitain, er könne ſich darauf verlaſſen, daß Lady Eſther ihn wirklich blos gefoppt habe, denn ſie kenne ſie genau, da ſie mit ihr lange ſehr intim gelebt, und nie habe es ei- nen klareren, determinirteren und zugleich ſchlaueren weiblichen Geiſt gegeben. Auf jeden Fall hat ſie für eine ſolche Perſönlich- keit zwiſchen Abend- und Morgenland einen guten Tauſch gemacht. Sie herrſcht, iſt ſelbſt unabhän- gig wie der Vogel in der Luft, und hätte inmitten der Civiliſation ſich der Sclaverey nie entreißen können, die vielleicht immer und ewig eben die Schat- tenſeite aller Civiliſation bleiben muß. Den 4ten. Sir Alex. Johnſton, auch ein großer Orientaliſt, doch in anderem Sinne, hatte mich zu Tiſch geladen, und würzte das Mahl durch ſeine geiſtreiche und ge- lehrte Unterhaltung. Er hat in ſeinem Fach ſchon

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 410. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/456>, abgerufen am 28.03.2024.