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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831.

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Wohnhaus, mit dem die wechselnden Postgäule mich
täglich weiter Deinem Gesichtskreise entrücken.

Der Wirth im Hotel de Saxe, gewiß einem der
besten Gasthöfe in Deutschland, ist ein alter Bekann-
ter von mir, der, als ich in Leipzig studierte, sich
sogar manches Recht auf meine Dankbarkeit erwarb.
Viele fröhliche, zuweilen ausgelassene Mahle wurden
damals in seinem Hause gehalten, und ich lud ihn
daher ein, auch heute mein einsameres zu thei-
len, um mir von der Vergangenheit und dem wilden
Jünglingsleben wieder etwas vorzuerzählen. Die
jetzigen Zeiten sind leider überall ernster gewor-
den, sonst ward das Vergnügen fast zum Geschäft
erhoben, man dachte und studierte nur darauf, und
den stets Tanzlustigen war gar leicht aufgespielt --
heut zu Tage findet man das Vergnügen nur
noch im Geschäft, und großer Reizmittel bedarf es,
um außerdem froh zu werden, wenn es überhaupt
noch erlangt wird.



Ich will Dich mit keiner einzigen Tirade über die
Schlachtfelder von Leipzig und Lützen, noch einer Be-
schreibung des chetiven Monumentes Gustav Adolphs,
noch der magern Schönheiten der Umgegend von
Schulpforte ermüden. In Weißenfels, wo ich ein
Buch zu kaufen wünschte, war ich verwundert, zu hö-

Wohnhaus, mit dem die wechſelnden Poſtgäule mich
täglich weiter Deinem Geſichtskreiſe entrücken.

Der Wirth im Hôtel de Saxe, gewiß einem der
beſten Gaſthöfe in Deutſchland, iſt ein alter Bekann-
ter von mir, der, als ich in Leipzig ſtudierte, ſich
ſogar manches Recht auf meine Dankbarkeit erwarb.
Viele fröhliche, zuweilen ausgelaſſene Mahle wurden
damals in ſeinem Hauſe gehalten, und ich lud ihn
daher ein, auch heute mein einſameres zu thei-
len, um mir von der Vergangenheit und dem wilden
Jünglingsleben wieder etwas vorzuerzählen. Die
jetzigen Zeiten ſind leider überall ernſter gewor-
den, ſonſt ward das Vergnügen faſt zum Geſchäft
erhoben, man dachte und ſtudierte nur darauf, und
den ſtets Tanzluſtigen war gar leicht aufgeſpielt —
heut zu Tage findet man das Vergnügen nur
noch im Geſchäft, und großer Reizmittel bedarf es,
um außerdem froh zu werden, wenn es überhaupt
noch erlangt wird.



Ich will Dich mit keiner einzigen Tirade über die
Schlachtfelder von Leipzig und Lützen, noch einer Be-
ſchreibung des chetiven Monumentes Guſtav Adolphs,
noch der magern Schönheiten der Umgegend von
Schulpforte ermüden. In Weißenfels, wo ich ein
Buch zu kaufen wünſchte, war ich verwundert, zu hö-

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[7/0047] Wohnhaus, mit dem die wechſelnden Poſtgäule mich täglich weiter Deinem Geſichtskreiſe entrücken. Der Wirth im Hôtel de Saxe, gewiß einem der beſten Gaſthöfe in Deutſchland, iſt ein alter Bekann- ter von mir, der, als ich in Leipzig ſtudierte, ſich ſogar manches Recht auf meine Dankbarkeit erwarb. Viele fröhliche, zuweilen ausgelaſſene Mahle wurden damals in ſeinem Hauſe gehalten, und ich lud ihn daher ein, auch heute mein einſameres zu thei- len, um mir von der Vergangenheit und dem wilden Jünglingsleben wieder etwas vorzuerzählen. Die jetzigen Zeiten ſind leider überall ernſter gewor- den, ſonſt ward das Vergnügen faſt zum Geſchäft erhoben, man dachte und ſtudierte nur darauf, und den ſtets Tanzluſtigen war gar leicht aufgeſpielt — heut zu Tage findet man das Vergnügen nur noch im Geſchäft, und großer Reizmittel bedarf es, um außerdem froh zu werden, wenn es überhaupt noch erlangt wird. Weimar, den 13ten Abends. Ich will Dich mit keiner einzigen Tirade über die Schlachtfelder von Leipzig und Lützen, noch einer Be- ſchreibung des chetiven Monumentes Guſtav Adolphs, noch der magern Schönheiten der Umgegend von Schulpforte ermüden. In Weißenfels, wo ich ein Buch zu kaufen wünſchte, war ich verwundert, zu hö-

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/47>, abgerufen am 28.03.2024.