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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831.

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in mir gewesen, so hätte ich auf der Treppe gewiß
auch ausgerufen:
Es ist doch schön von einem großen Herrn,
mit einem armen Teufel so human zu sprechen*).



Ich war heute beim Erb-Großherzog im Belvedere
zur Tafel eingeladen, und fuhr um zwei Uhr auf
einem angenehmen Wege dahin. Das Wetter ist,
seit ich hier bin, wundervoll, Tage von Cristall, wie
Deine Sevigne sagt, wo man weder Hitze noch Kälte
fühlt, und die nur Frühjahr und Herbst so geben können.

Der Erb-Großherzog und seine Frau Gemahlin
leben im Belvedere ganz wie Privatleute, und em-
pfangen ihre Gäste ohne Etikette, nur mit der zu-
vorkommendsten Artigkeit. Die Großfürstin schien
noch sehr gedrückt vom Tode des Kaisers, demohn-
geachtet machte sie später, als die Unterhaltung ani-
mirter ward, der Gesellschaft eine ergreifende Be-
schreibung von der Ueberschwemmung in Petersburg,
deren Augenzeugin sie gewesen war. Ich habe immer
die vortreffliche Erziehung und die mannichfachen

*) Ich glaube nicht, daß der erhabene Greis die Bekannt-
machung dieser Mittheilung tadelnd aufnehmen wird.
Jedes Wort, auch das unbedeutendere, seinem Munde
entfallen, ist ein theures Geschenk für so Viele, und sollte
mein seliger Freund ihn irgendwo falsch verstanden, und
nicht vollkommen richtig wiedergegeben haben, so ist
wenigstens nichts in diesen Aeußerungen enthalten, was,
meines Bedünkens, eine Indiscretion genannt werden
konnte. A. d. H.

in mir geweſen, ſo hätte ich auf der Treppe gewiß
auch ausgerufen:
Es iſt doch ſchön von einem großen Herrn,
mit einem armen Teufel ſo human zu ſprechen*).



Ich war heute beim Erb-Großherzog im Belvedere
zur Tafel eingeladen, und fuhr um zwei Uhr auf
einem angenehmen Wege dahin. Das Wetter iſt,
ſeit ich hier bin, wundervoll, Tage von Criſtall, wie
Deine Sevigné ſagt, wo man weder Hitze noch Kälte
fühlt, und die nur Frühjahr und Herbſt ſo geben können.

Der Erb-Großherzog und ſeine Frau Gemahlin
leben im Belvedere ganz wie Privatleute, und em-
pfangen ihre Gäſte ohne Etikette, nur mit der zu-
vorkommendſten Artigkeit. Die Großfürſtin ſchien
noch ſehr gedrückt vom Tode des Kaiſers, demohn-
geachtet machte ſie ſpäter, als die Unterhaltung ani-
mirter ward, der Geſellſchaft eine ergreifende Be-
ſchreibung von der Ueberſchwemmung in Petersburg,
deren Augenzeugin ſie geweſen war. Ich habe immer
die vortreffliche Erziehung und die mannichfachen

*) Ich glaube nicht, daß der erhabene Greis die Bekannt-
machung dieſer Mittheilung tadelnd aufnehmen wird.
Jedes Wort, auch das unbedeutendere, ſeinem Munde
entfallen, iſt ein theures Geſchenk fuͤr ſo Viele, und ſollte
mein ſeliger Freund ihn irgendwo falſch verſtanden, und
nicht vollkommen richtig wiedergegeben haben, ſo iſt
wenigſtens nichts in dieſen Aeußerungen enthalten, was,
meines Beduͤnkens, eine Indiscretion genannt werden
konnte. A. d. H.
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[18/0058] in mir geweſen, ſo hätte ich auf der Treppe gewiß auch ausgerufen: Es iſt doch ſchön von einem großen Herrn, mit einem armen Teufel ſo human zu ſprechen *). Den 15ten Abends. Ich war heute beim Erb-Großherzog im Belvedere zur Tafel eingeladen, und fuhr um zwei Uhr auf einem angenehmen Wege dahin. Das Wetter iſt, ſeit ich hier bin, wundervoll, Tage von Criſtall, wie Deine Sevigné ſagt, wo man weder Hitze noch Kälte fühlt, und die nur Frühjahr und Herbſt ſo geben können. Der Erb-Großherzog und ſeine Frau Gemahlin leben im Belvedere ganz wie Privatleute, und em- pfangen ihre Gäſte ohne Etikette, nur mit der zu- vorkommendſten Artigkeit. Die Großfürſtin ſchien noch ſehr gedrückt vom Tode des Kaiſers, demohn- geachtet machte ſie ſpäter, als die Unterhaltung ani- mirter ward, der Geſellſchaft eine ergreifende Be- ſchreibung von der Ueberſchwemmung in Petersburg, deren Augenzeugin ſie geweſen war. Ich habe immer die vortreffliche Erziehung und die mannichfachen *) Ich glaube nicht, daß der erhabene Greis die Bekannt- machung dieſer Mittheilung tadelnd aufnehmen wird. Jedes Wort, auch das unbedeutendere, ſeinem Munde entfallen, iſt ein theures Geſchenk fuͤr ſo Viele, und ſollte mein ſeliger Freund ihn irgendwo falſch verſtanden, und nicht vollkommen richtig wiedergegeben haben, ſo iſt wenigſtens nichts in dieſen Aeußerungen enthalten, was, meines Beduͤnkens, eine Indiscretion genannt werden konnte. A. d. H.

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/58>, abgerufen am 28.03.2024.