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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831.

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Siebzehnter Brief.


Liebe Getreue!

Die Neugierde führte mich heute nochmals zu den
Arbeiten am Tunnel, wo ich in der Taucherglocke
mit auf den Grund des Wassers hinabfuhr, und wohl
eine halbe Stunde dem Stopfen der Lehmsäcke, um
den Bruch wieder mit festem Boden zu füllen, zusah.
Einen ziemlich starken Schmerz in den Ohren abge-
rechnet, aus denen sogar bei manchen Menschen Blut
fließt, ohne jedoch nachher der Gesundheit zu scha-
den, fand ich es, je tiefer wir sanken, desto behagli-
cher in dem metallenen Kasten, der oben dicke Glas-
fenster hat, neben welchen zwei Schläuche ausgehen,
die frische Luft ein- und die verdorbene auslassen.
Dieses Behältniß hat keinen Boden, sondern nur ein
schmales Brett, um die Beine darauf zu stellen, nebst
zwei festen Bänken an den Seiten. Einige Gruben-
lichter geben die nöthige Helle. Die Arbeiter hatten
herrliche Wasserstiefeln, welche 24 Stunden lang der


Siebzehnter Brief.


Liebe Getreue!

Die Neugierde führte mich heute nochmals zu den
Arbeiten am Tunnel, wo ich in der Taucherglocke
mit auf den Grund des Waſſers hinabfuhr, und wohl
eine halbe Stunde dem Stopfen der Lehmſäcke, um
den Bruch wieder mit feſtem Boden zu füllen, zuſah.
Einen ziemlich ſtarken Schmerz in den Ohren abge-
rechnet, aus denen ſogar bei manchen Menſchen Blut
fließt, ohne jedoch nachher der Geſundheit zu ſcha-
den, fand ich es, je tiefer wir ſanken, deſto behagli-
cher in dem metallenen Kaſten, der oben dicke Glas-
fenſter hat, neben welchen zwei Schläuche ausgehen,
die friſche Luft ein- und die verdorbene auslaſſen.
Dieſes Behältniß hat keinen Boden, ſondern nur ein
ſchmales Brett, um die Beine darauf zu ſtellen, nebſt
zwei feſten Bänken an den Seiten. Einige Gruben-
lichter geben die nöthige Helle. Die Arbeiter hatten
herrliche Waſſerſtiefeln, welche 24 Stunden lang der

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[[136]/0152] Siebzehnter Brief. London, den 20ſten Auguſt 1827. Liebe Getreue! Die Neugierde führte mich heute nochmals zu den Arbeiten am Tunnel, wo ich in der Taucherglocke mit auf den Grund des Waſſers hinabfuhr, und wohl eine halbe Stunde dem Stopfen der Lehmſäcke, um den Bruch wieder mit feſtem Boden zu füllen, zuſah. Einen ziemlich ſtarken Schmerz in den Ohren abge- rechnet, aus denen ſogar bei manchen Menſchen Blut fließt, ohne jedoch nachher der Geſundheit zu ſcha- den, fand ich es, je tiefer wir ſanken, deſto behagli- cher in dem metallenen Kaſten, der oben dicke Glas- fenſter hat, neben welchen zwei Schläuche ausgehen, die friſche Luft ein- und die verdorbene auslaſſen. Dieſes Behältniß hat keinen Boden, ſondern nur ein ſchmales Brett, um die Beine darauf zu ſtellen, nebſt zwei feſten Bänken an den Seiten. Einige Gruben- lichter geben die nöthige Helle. Die Arbeiter hatten herrliche Waſſerſtiefeln, welche 24 Stunden lang der

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. [136]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/152>, abgerufen am 20.04.2024.