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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831.

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Rücken gegen die See gekehrt. Ein scharfer Felsen-
schiefer hoch über ihnen löste sich durch ein Ungefähr
ab, und durch die zunehmende Schnelligkeit des Falls
fast mit Blitzesschnelle ankommend, schnitt er dem ei-
nen Mädchen, das eben emsig mit dem andern
schwatzte, den Kopf so rein ab, daß dieser weit auf
den Meersand hinausrollte, und der Körper ruhig
sitzen blieb. Die Aeltern leben noch im Dorfe.



Ich schlief die Nacht sehr gut in meinem Wagen,
frühstückte im Blumengarten eines netten Gasthofs,
und eilte dann nach Studley-Park, der die famösen
Ruinen von Fountains Abbey enthält, welche für die
größten und schönsten in England gehalten werden.
Sie übertrafen bei weitem noch meine Erwartung,
so wie auch den Park. Ich will Dir daher dies
Alles in der Ordnung beschreiben.

Durch einen majestätischen Wald führt der Weg
zuerst an einem Abhange hin, bis man an einer jäh-
lingen Wendung desselben in ein langes Wiesenthal
kömmt, dessen Breite ohngefähr 300 -- 400 Fuß seyn
mag, und in dessen Mitte ein kleiner Fluß strömt,
den verschiedene natürliche Wasserfälle unterbrechen.
Die eine Seite des Thals bildet ein ansehnlicher
Bergrücken mit alten Eschen, Buchen und Eichen
bewachsen, die andre eine schroffe Felsenmauer mit
Schlingpflanzen überhangen und ebenfalls mit ural-

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Rücken gegen die See gekehrt. Ein ſcharfer Felſen-
ſchiefer hoch über ihnen löste ſich durch ein Ungefähr
ab, und durch die zunehmende Schnelligkeit des Falls
faſt mit Blitzesſchnelle ankommend, ſchnitt er dem ei-
nen Mädchen, das eben emſig mit dem andern
ſchwatzte, den Kopf ſo rein ab, daß dieſer weit auf
den Meerſand hinausrollte, und der Körper ruhig
ſitzen blieb. Die Aeltern leben noch im Dorfe.



Ich ſchlief die Nacht ſehr gut in meinem Wagen,
frühſtückte im Blumengarten eines netten Gaſthofs,
und eilte dann nach Studley-Park, der die famöſen
Ruinen von Fountains Abbey enthält, welche für die
größten und ſchönſten in England gehalten werden.
Sie übertrafen bei weitem noch meine Erwartung,
ſo wie auch den Park. Ich will Dir daher dies
Alles in der Ordnung beſchreiben.

Durch einen majeſtätiſchen Wald führt der Weg
zuerſt an einem Abhange hin, bis man an einer jäh-
lingen Wendung desſelben in ein langes Wieſenthal
kömmt, deſſen Breite ohngefähr 300 — 400 Fuß ſeyn
mag, und in deſſen Mitte ein kleiner Fluß ſtrömt,
den verſchiedene natürliche Waſſerfälle unterbrechen.
Die eine Seite des Thals bildet ein anſehnlicher
Bergrücken mit alten Eſchen, Buchen und Eichen
bewachſen, die andre eine ſchroffe Felſenmauer mit
Schlingpflanzen überhangen und ebenfalls mit ural-

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[211/0227] Rücken gegen die See gekehrt. Ein ſcharfer Felſen- ſchiefer hoch über ihnen löste ſich durch ein Ungefähr ab, und durch die zunehmende Schnelligkeit des Falls faſt mit Blitzesſchnelle ankommend, ſchnitt er dem ei- nen Mädchen, das eben emſig mit dem andern ſchwatzte, den Kopf ſo rein ab, daß dieſer weit auf den Meerſand hinausrollte, und der Körper ruhig ſitzen blieb. Die Aeltern leben noch im Dorfe. Ripon den 27ſten. Ich ſchlief die Nacht ſehr gut in meinem Wagen, frühſtückte im Blumengarten eines netten Gaſthofs, und eilte dann nach Studley-Park, der die famöſen Ruinen von Fountains Abbey enthält, welche für die größten und ſchönſten in England gehalten werden. Sie übertrafen bei weitem noch meine Erwartung, ſo wie auch den Park. Ich will Dir daher dies Alles in der Ordnung beſchreiben. Durch einen majeſtätiſchen Wald führt der Weg zuerſt an einem Abhange hin, bis man an einer jäh- lingen Wendung desſelben in ein langes Wieſenthal kömmt, deſſen Breite ohngefähr 300 — 400 Fuß ſeyn mag, und in deſſen Mitte ein kleiner Fluß ſtrömt, den verſchiedene natürliche Waſſerfälle unterbrechen. Die eine Seite des Thals bildet ein anſehnlicher Bergrücken mit alten Eſchen, Buchen und Eichen bewachſen, die andre eine ſchroffe Felſenmauer mit Schlingpflanzen überhangen und ebenfalls mit ural- 14*

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/227>, abgerufen am 18.04.2024.