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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831.

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Zwei und zwanzigster Brief.


Ich muß nachträglich noch einer in gewisser Hin-
sicht interessanten Bekanntschaft erwähnen, die ich
in Brighton machte. Du hast gewiß einmal gehört,
daß in der Familie Telluson einer ihrer Vorfahren
ein Testament gemacht hat, nach welchem sein Ver-
mögen 150 Jahre ruhen, Zinsen zu Zinsen geschla-
gen, und dann erst der in dem Augenblick des Er-
löschens jener Zeit existirende jüngste Telluson es er-
halten solle. In 20 Jahren läuft nun dieser Termin
ab, und ich sah den 40jährigen Vater Telluson hier,
der sehr wenig besitzt, und seinen Sohn, einen hüb-
schen Knaben von 8 Jahren, der angeblich bestimmt
ist, in seinem 28sten Jahr 12 Millionen L. St. zu
erhalten, 94 Millionen Thaler unseres Geldes. Eine
Parlaments-Akte hat für die Zukunft dergleichen Te-
stamente verboten, aber dies hat man nicht angrei-
fen können, obgleich man es wünschte, da allerdings


Zwei und zwanzigſter Brief.


Ich muß nachträglich noch einer in gewiſſer Hin-
ſicht intereſſanten Bekanntſchaft erwähnen, die ich
in Brighton machte. Du haſt gewiß einmal gehört,
daß in der Familie Telluſon einer ihrer Vorfahren
ein Teſtament gemacht hat, nach welchem ſein Ver-
mögen 150 Jahre ruhen, Zinſen zu Zinſen geſchla-
gen, und dann erſt der in dem Augenblick des Er-
löſchens jener Zeit exiſtirende jüngſte Telluſon es er-
halten ſolle. In 20 Jahren läuft nun dieſer Termin
ab, und ich ſah den 40jährigen Vater Telluſon hier,
der ſehr wenig beſitzt, und ſeinen Sohn, einen hüb-
ſchen Knaben von 8 Jahren, der angeblich beſtimmt
iſt, in ſeinem 28ſten Jahr 12 Millionen L. St. zu
erhalten, 94 Millionen Thaler unſeres Geldes. Eine
Parlaments-Akte hat für die Zukunft dergleichen Te-
ſtamente verboten, aber dies hat man nicht angrei-
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[[320]/0338] Zwei und zwanzigſter Brief. London, den 28ſten Februar 1828. Ich muß nachträglich noch einer in gewiſſer Hin- ſicht intereſſanten Bekanntſchaft erwähnen, die ich in Brighton machte. Du haſt gewiß einmal gehört, daß in der Familie Telluſon einer ihrer Vorfahren ein Teſtament gemacht hat, nach welchem ſein Ver- mögen 150 Jahre ruhen, Zinſen zu Zinſen geſchla- gen, und dann erſt der in dem Augenblick des Er- löſchens jener Zeit exiſtirende jüngſte Telluſon es er- halten ſolle. In 20 Jahren läuft nun dieſer Termin ab, und ich ſah den 40jährigen Vater Telluſon hier, der ſehr wenig beſitzt, und ſeinen Sohn, einen hüb- ſchen Knaben von 8 Jahren, der angeblich beſtimmt iſt, in ſeinem 28ſten Jahr 12 Millionen L. St. zu erhalten, 94 Millionen Thaler unſeres Geldes. Eine Parlaments-Akte hat für die Zukunft dergleichen Te- ſtamente verboten, aber dies hat man nicht angrei- fen können, obgleich man es wünſchte, da allerdings

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. [320]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/338>, abgerufen am 23.04.2024.