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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831.

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Es ist mir um so lieber, daß ich auf meiner Ab-
reise von hier begriffen bin, da mir eben noch etwas
eben so Unangenehmes als Unerwartetes begegnet ist,
was mich in dem Augenblick mehr en vaue setzt, als
mir lieb ist.

Schon einmal, glaube ich, schrieb ich Dir von ei-
ner Nichte Napoleons, die ich zum erstenmal beim
Herzog von Devonshire sah, wo sie sich eben sehr
eifrig mit H. Brougham unterhielt, als ich ihr be-
kannt gemacht wurde. Sie ist schön gewachsen, hat
außerordentlich brillante Farben, Napoleons antike
Nase, große ausdrucksvolle Augen, und alle franzö-
sische Lebhaftigkeit, als Zugabe noch mit italiänischem
Feuer gemischt. Dabei etwas Excentrisches in ihrem
ganzen Wesen, was ich wohl liebe, wenn es Natur
ist, obgleich ich offen bekennen muß, daß es mir hier
nicht ganz frei von Absicht und Angewöhnung schien.
Indessen ihr Name imponirte mir. Du kennst meine
Ehrfurcht vor dem erhabnen Kaiser, jenen zweiten
Prometheus, den Europa an einen Felsen jenseits
der Linie schmiedete, jenen Riesen, welchen eine Mil-
lion Pigmäen endlich zu ihrem Nachtheil erschlugen,
weil sie nicht Kraft genug hatten, diesen
mächtigen Geist zu zähmen, daß er ihnen
Dienst geleistet hätte
.

Hauptsächlich um von ihm zu sprechen, ging ich
also fleißig zu ihr, und cultivirte die Bekanntschaft


Es iſt mir um ſo lieber, daß ich auf meiner Ab-
reiſe von hier begriffen bin, da mir eben noch etwas
eben ſo Unangenehmes als Unerwartetes begegnet iſt,
was mich in dem Augenblick mehr en vûe ſetzt, als
mir lieb iſt.

Schon einmal, glaube ich, ſchrieb ich Dir von ei-
ner Nichte Napoleons, die ich zum erſtenmal beim
Herzog von Devonshire ſah, wo ſie ſich eben ſehr
eifrig mit H. Brougham unterhielt, als ich ihr be-
kannt gemacht wurde. Sie iſt ſchön gewachſen, hat
außerordentlich brillante Farben, Napoleons antike
Naſe, große ausdrucksvolle Augen, und alle franzö-
ſiſche Lebhaftigkeit, als Zugabe noch mit italiäniſchem
Feuer gemiſcht. Dabei etwas Excentriſches in ihrem
ganzen Weſen, was ich wohl liebe, wenn es Natur
iſt, obgleich ich offen bekennen muß, daß es mir hier
nicht ganz frei von Abſicht und Angewöhnung ſchien.
Indeſſen ihr Name imponirte mir. Du kennſt meine
Ehrfurcht vor dem erhabnen Kaiſer, jenen zweiten
Prometheus, den Europa an einen Felſen jenſeits
der Linie ſchmiedete, jenen Rieſen, welchen eine Mil-
lion Pigmäen endlich zu ihrem Nachtheil erſchlugen,
weil ſie nicht Kraft genug hatten, dieſen
mächtigen Geiſt zu zähmen, daß er ihnen
Dienſt geleiſtet hätte
.

Hauptſächlich um von ihm zu ſprechen, ging ich
alſo fleißig zu ihr, und cultivirte die Bekanntſchaft

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[416/0436] Den 10ten. Es iſt mir um ſo lieber, daß ich auf meiner Ab- reiſe von hier begriffen bin, da mir eben noch etwas eben ſo Unangenehmes als Unerwartetes begegnet iſt, was mich in dem Augenblick mehr en vûe ſetzt, als mir lieb iſt. Schon einmal, glaube ich, ſchrieb ich Dir von ei- ner Nichte Napoleons, die ich zum erſtenmal beim Herzog von Devonshire ſah, wo ſie ſich eben ſehr eifrig mit H. Brougham unterhielt, als ich ihr be- kannt gemacht wurde. Sie iſt ſchön gewachſen, hat außerordentlich brillante Farben, Napoleons antike Naſe, große ausdrucksvolle Augen, und alle franzö- ſiſche Lebhaftigkeit, als Zugabe noch mit italiäniſchem Feuer gemiſcht. Dabei etwas Excentriſches in ihrem ganzen Weſen, was ich wohl liebe, wenn es Natur iſt, obgleich ich offen bekennen muß, daß es mir hier nicht ganz frei von Abſicht und Angewöhnung ſchien. Indeſſen ihr Name imponirte mir. Du kennſt meine Ehrfurcht vor dem erhabnen Kaiſer, jenen zweiten Prometheus, den Europa an einen Felſen jenſeits der Linie ſchmiedete, jenen Rieſen, welchen eine Mil- lion Pigmäen endlich zu ihrem Nachtheil erſchlugen, weil ſie nicht Kraft genug hatten, dieſen mächtigen Geiſt zu zähmen, daß er ihnen Dienſt geleiſtet hätte. Hauptſächlich um von ihm zu ſprechen, ging ich alſo fleißig zu ihr, und cultivirte die Bekanntſchaft

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 416. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/436>, abgerufen am 18.04.2024.