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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831.

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Wir besahen heute früh das Schloß, welches jetzt
erst nach den alten Plänen völlig ausgebaut wird,
und bereits die größte und prachtvollste Residenz ist,
die irgend ein europäischer Fürst besitzt. Die Zeit
war zu kurz, das Innere zu besehen, was ich daher
auf ein anderesmal aufschob. Ich besuchte blos die
Herzogin von C ..., die hier im großen Thurme wohnt,
und eine himmlische Aussicht von ihrem hohen Söl-
ler genießt. Unter ihrer Dienerschaft war ein schöner
griechischer Knabe in seiner Nationaltracht, Schar-
lach, Blau und Gold mit bloßen Schenkeln und
Füßen. Er war bei dem Massacre von Scio in ei-
nen Backofen versteckt, und so gerettet worden. Er
ist jetzt bereits ein vollkommner Engländer geworden,
hat aber in der Tournure etwas ungemein Nobles
und Ausländisches beibehalten. Um 1 Uhr begaben
wir uns wieder auf den Raceground, und ich erhielt
diesmal mein Frühstück von einer andern Schönheit.
Nach dem beendigten Rennfeste fuhren wir nach
Richmond, wo R ... s Regiment garnisonirt, und
verlebten dort mit dem Offizier-Corps einen sehr lu-
stigen und geräuschvollen Abend. Die allgemeine
Wohlhabenheit erlaubt hier ein weit luxurieuseres
Leben, denn die Herren versagen sich nichts, und
ihre mess ist überall servirt, wie bei uns gar oft nicht
eine fürstliche Tafel.


Wir beſahen heute früh das Schloß, welches jetzt
erſt nach den alten Plänen völlig ausgebaut wird,
und bereits die größte und prachtvollſte Reſidenz iſt,
die irgend ein europäiſcher Fürſt beſitzt. Die Zeit
war zu kurz, das Innere zu beſehen, was ich daher
auf ein anderesmal aufſchob. Ich beſuchte blos die
Herzogin von C …, die hier im großen Thurme wohnt,
und eine himmliſche Ausſicht von ihrem hohen Söl-
ler genießt. Unter ihrer Dienerſchaft war ein ſchöner
griechiſcher Knabe in ſeiner Nationaltracht, Schar-
lach, Blau und Gold mit bloßen Schenkeln und
Füßen. Er war bei dem Maſſacre von Scio in ei-
nen Backofen verſteckt, und ſo gerettet worden. Er
iſt jetzt bereits ein vollkommner Engländer geworden,
hat aber in der Tournure etwas ungemein Nobles
und Ausländiſches beibehalten. Um 1 Uhr begaben
wir uns wieder auf den Raceground, und ich erhielt
diesmal mein Frühſtück von einer andern Schönheit.
Nach dem beendigten Rennfeſte fuhren wir nach
Richmond, wo R … s Regiment garniſonirt, und
verlebten dort mit dem Offizier-Corps einen ſehr lu-
ſtigen und geräuſchvollen Abend. Die allgemeine
Wohlhabenheit erlaubt hier ein weit luxurieuſeres
Leben, denn die Herren verſagen ſich nichts, und
ihre mess iſt überall ſervirt, wie bei uns gar oft nicht
eine fürſtliche Tafel.

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[57/0073] Richmond, den 13ten. Wir beſahen heute früh das Schloß, welches jetzt erſt nach den alten Plänen völlig ausgebaut wird, und bereits die größte und prachtvollſte Reſidenz iſt, die irgend ein europäiſcher Fürſt beſitzt. Die Zeit war zu kurz, das Innere zu beſehen, was ich daher auf ein anderesmal aufſchob. Ich beſuchte blos die Herzogin von C …, die hier im großen Thurme wohnt, und eine himmliſche Ausſicht von ihrem hohen Söl- ler genießt. Unter ihrer Dienerſchaft war ein ſchöner griechiſcher Knabe in ſeiner Nationaltracht, Schar- lach, Blau und Gold mit bloßen Schenkeln und Füßen. Er war bei dem Maſſacre von Scio in ei- nen Backofen verſteckt, und ſo gerettet worden. Er iſt jetzt bereits ein vollkommner Engländer geworden, hat aber in der Tournure etwas ungemein Nobles und Ausländiſches beibehalten. Um 1 Uhr begaben wir uns wieder auf den Raceground, und ich erhielt diesmal mein Frühſtück von einer andern Schönheit. Nach dem beendigten Rennfeſte fuhren wir nach Richmond, wo R … s Regiment garniſonirt, und verlebten dort mit dem Offizier-Corps einen ſehr lu- ſtigen und geräuſchvollen Abend. Die allgemeine Wohlhabenheit erlaubt hier ein weit luxurieuſeres Leben, denn die Herren verſagen ſich nichts, und ihre mess iſt überall ſervirt, wie bei uns gar oft nicht eine fürſtliche Tafel.

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/73>, abgerufen am 28.03.2024.