Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831.

Bild:
<< vorherige Seite

Chesterfields Briefe, die ich zu mir gesteckt, würzten
das Mahl, und nach einer kleinen Sieste, während
der die Nacht eingebrochen war, bestieg ich wieder
mein Roß, und ritt die anderthalb deutschen Meilen
bis zu meiner Wohnung in einer ununterbrochenen
Allee von hellschimmernden Gaslaternen, auf der wohl-
arrosirten Straße langsam nach Hause. Es summte
gerade Mitternacht, als ich dort ankam, und ein
schwarzbehangener Sarg fuhr, wie eine Geistererschei-
nung, links an mir vorüber.



Auf Almacks gab mir B. Deinen Brief, und ich
eilte sogleich damit home. Wie sehr haben mich Deine
Schilderungen gefreut, und fast hätte ich über die
ehrlichen alten Parkbäume geweint, die mir durch
Dich zuriefen: O Herr, hörst Du nicht, von tausend
Vögelchen belebt, unsrer Wipfel Rauschen? . . Ach
ja! ich höre es im Geiste, und werde auch nicht eher
wieder wahre Freude empfinden, bis ich dort ange-
langt bin, wo meine treueste Freundin weilt, und
wo meine Pflanzenkinder mir entgegenwachsen. Für
das fünfblättrige Kleeblatt danke ich vielmals, und
da das Pferd des beigefügten, tausend Glück brin-
genden Wiener Postillons unterwegs seinen Schweif
verloren hat, so habe ich diesen durch das Kleeblatt
ersetzt, welche Vegetabilie ihm ein wahres heiliges
Allianz-Ansehen gibt.

Hier unterbrach mich der alte B .... dt mit der
Frage, ob er den Rest der Nacht wohl ausgehen

Cheſterfields Briefe, die ich zu mir geſteckt, würzten
das Mahl, und nach einer kleinen Sieſte, während
der die Nacht eingebrochen war, beſtieg ich wieder
mein Roß, und ritt die anderthalb deutſchen Meilen
bis zu meiner Wohnung in einer ununterbrochenen
Allee von hellſchimmernden Gaslaternen, auf der wohl-
arroſirten Straße langſam nach Hauſe. Es ſummte
gerade Mitternacht, als ich dort ankam, und ein
ſchwarzbehangener Sarg fuhr, wie eine Geiſtererſchei-
nung, links an mir vorüber.



Auf Almacks gab mir B. Deinen Brief, und ich
eilte ſogleich damit home. Wie ſehr haben mich Deine
Schilderungen gefreut, und faſt hätte ich über die
ehrlichen alten Parkbäume geweint, die mir durch
Dich zuriefen: O Herr, hörſt Du nicht, von tauſend
Vögelchen belebt, unſrer Wipfel Rauſchen? . . Ach
ja! ich höre es im Geiſte, und werde auch nicht eher
wieder wahre Freude empfinden, bis ich dort ange-
langt bin, wo meine treueſte Freundin weilt, und
wo meine Pflanzenkinder mir entgegenwachſen. Für
das fünfblättrige Kleeblatt danke ich vielmals, und
da das Pferd des beigefügten, tauſend Glück brin-
genden Wiener Poſtillons unterwegs ſeinen Schweif
verloren hat, ſo habe ich dieſen durch das Kleeblatt
erſetzt, welche Vegetabilie ihm ein wahres heiliges
Allianz-Anſehen gibt.

Hier unterbrach mich der alte B .... dt mit der
Frage, ob er den Reſt der Nacht wohl ausgehen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0085" n="69"/>
Che&#x017F;terfields Briefe, die ich zu mir ge&#x017F;teckt, würzten<lb/>
das Mahl, und nach einer kleinen Sie&#x017F;te, während<lb/>
der die Nacht eingebrochen war, be&#x017F;tieg ich wieder<lb/>
mein Roß, und ritt die anderthalb deut&#x017F;chen Meilen<lb/>
bis zu meiner Wohnung in einer ununterbrochenen<lb/>
Allee von hell&#x017F;chimmernden Gaslaternen, auf der wohl-<lb/>
arro&#x017F;irten Straße lang&#x017F;am nach Hau&#x017F;e. Es &#x017F;ummte<lb/>
gerade Mitternacht, als ich dort ankam, und ein<lb/>
&#x017F;chwarzbehangener Sarg fuhr, wie eine Gei&#x017F;terer&#x017F;chei-<lb/>
nung, links an mir vorüber.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <opener>
            <dateline> <hi rendition="#et">Den 5ten.</hi> </dateline>
          </opener><lb/>
          <p>Auf Almacks gab mir B. Deinen Brief, und ich<lb/>
eilte &#x017F;ogleich damit <hi rendition="#aq">home.</hi> Wie &#x017F;ehr haben mich Deine<lb/>
Schilderungen gefreut, und fa&#x017F;t hätte ich über die<lb/>
ehrlichen alten Parkbäume geweint, die mir durch<lb/>
Dich zuriefen: O Herr, hör&#x017F;t Du nicht, von tau&#x017F;end<lb/>
Vögelchen belebt, un&#x017F;rer Wipfel Rau&#x017F;chen? . . Ach<lb/>
ja! ich höre es im Gei&#x017F;te, und werde auch nicht eher<lb/>
wieder wahre Freude empfinden, bis ich <hi rendition="#g">dort</hi> ange-<lb/>
langt bin, wo meine treue&#x017F;te Freundin weilt, und<lb/>
wo meine Pflanzenkinder mir entgegenwach&#x017F;en. Für<lb/>
das fünfblättrige Kleeblatt danke ich vielmals, und<lb/>
da das Pferd des beigefügten, tau&#x017F;end Glück brin-<lb/>
genden Wiener Po&#x017F;tillons unterwegs &#x017F;einen Schweif<lb/>
verloren hat, &#x017F;o habe ich die&#x017F;en durch das Kleeblatt<lb/>
er&#x017F;etzt, welche Vegetabilie ihm ein wahres heiliges<lb/>
Allianz-An&#x017F;ehen gibt.</p><lb/>
          <p>Hier unterbrach mich der alte B .... dt mit der<lb/>
Frage, ob er den Re&#x017F;t der Nacht wohl ausgehen<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[69/0085] Cheſterfields Briefe, die ich zu mir geſteckt, würzten das Mahl, und nach einer kleinen Sieſte, während der die Nacht eingebrochen war, beſtieg ich wieder mein Roß, und ritt die anderthalb deutſchen Meilen bis zu meiner Wohnung in einer ununterbrochenen Allee von hellſchimmernden Gaslaternen, auf der wohl- arroſirten Straße langſam nach Hauſe. Es ſummte gerade Mitternacht, als ich dort ankam, und ein ſchwarzbehangener Sarg fuhr, wie eine Geiſtererſchei- nung, links an mir vorüber. Den 5ten. Auf Almacks gab mir B. Deinen Brief, und ich eilte ſogleich damit home. Wie ſehr haben mich Deine Schilderungen gefreut, und faſt hätte ich über die ehrlichen alten Parkbäume geweint, die mir durch Dich zuriefen: O Herr, hörſt Du nicht, von tauſend Vögelchen belebt, unſrer Wipfel Rauſchen? . . Ach ja! ich höre es im Geiſte, und werde auch nicht eher wieder wahre Freude empfinden, bis ich dort ange- langt bin, wo meine treueſte Freundin weilt, und wo meine Pflanzenkinder mir entgegenwachſen. Für das fünfblättrige Kleeblatt danke ich vielmals, und da das Pferd des beigefügten, tauſend Glück brin- genden Wiener Poſtillons unterwegs ſeinen Schweif verloren hat, ſo habe ich dieſen durch das Kleeblatt erſetzt, welche Vegetabilie ihm ein wahres heiliges Allianz-Anſehen gibt. Hier unterbrach mich der alte B .... dt mit der Frage, ob er den Reſt der Nacht wohl ausgehen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/85
Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/85>, abgerufen am 24.04.2024.