Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831.

Bild:
<< vorherige Seite

kann. Es ist ein gigantisches Werk, nur hier aus-
führbar, wo die Leute nicht wissen, was sie mit ih-
rem Gelde anfangen sollen.

Aus dem Tunnel fuhr ich nach Astleys Theater,
dem hiesigen Franconi, und diesem überlegen. Ein
Pferd mit angeschnallten Flügeln, Pegasus genannt,
macht wunderbare Kunststücke, und der russische be
trunkene Courier, der auf 6 -- 8 Pferden auf einmal
reitet, kann in Geschicklichkeit und Kühnheit nicht
übertroffen werden. Die theatralische Vorstellung
bestand in einer sehr ergötzlichen Parodie des Frei-
schützen. Statt des Kugelgießens wird durch Pierrot
und Pantalon ein Eierkuchen gebacken, wozu sich die
beibehaltene Weber'sche Musik höchst komisch aus-
nimmt. Die Geister, welche erscheinen, sind sämmt-
lich Küchengeister, Satanas selbst ein bloßer Chef
de cuisinc.
Bei dem letzten Graus bläst ein ge-
spenstischer Blasebalg alle Lichter aus, bis auf eine
große Kerze, die immer wieder von Neuem Feuer
fängt. Da ergreift eine Riesenfaust den armen Pier-
rot, legt ihn über die Flamme, und eine Köchin, so
groß wie das Theater, in schwarz und rothem Teu-
felscostüme, deckt beide mit einem Ertinguisher vom
Umfange eines Hauses zu. Währenddem fliegt Pan-
talon mit einer Rakette an einer gewissen Stelle,
die sich unter seinem Wehgeschrei nach unten entla-
det, durch die Lüfte davon.

Aller dieser Unsinn macht allerdings im Augen-
blick lachen, ein trauriges Gemüth macht er aber

kann. Es iſt ein gigantiſches Werk, nur hier aus-
führbar, wo die Leute nicht wiſſen, was ſie mit ih-
rem Gelde anfangen ſollen.

Aus dem Tunnel fuhr ich nach Aſtleys Theater,
dem hieſigen Franconi, und dieſem überlegen. Ein
Pferd mit angeſchnallten Flügeln, Pegaſus genannt,
macht wunderbare Kunſtſtücke, und der ruſſiſche be
trunkene Courier, der auf 6 — 8 Pferden auf einmal
reitet, kann in Geſchicklichkeit und Kühnheit nicht
übertroffen werden. Die theatraliſche Vorſtellung
beſtand in einer ſehr ergötzlichen Parodie des Frei-
ſchützen. Statt des Kugelgießens wird durch Pierrot
und Pantalon ein Eierkuchen gebacken, wozu ſich die
beibehaltene Weber’ſche Muſik höchſt komiſch aus-
nimmt. Die Geiſter, welche erſcheinen, ſind ſämmt-
lich Küchengeiſter, Satanas ſelbſt ein bloßer Chef
de cuisinc.
Bei dem letzten Graus bläſt ein ge-
ſpenſtiſcher Blaſebalg alle Lichter aus, bis auf eine
große Kerze, die immer wieder von Neuem Feuer
fängt. Da ergreift eine Rieſenfauſt den armen Pier-
rot, legt ihn über die Flamme, und eine Köchin, ſo
groß wie das Theater, in ſchwarz und rothem Teu-
felscoſtüme, deckt beide mit einem Ertinguiſher vom
Umfange eines Hauſes zu. Währenddem fliegt Pan-
talon mit einer Rakette an einer gewiſſen Stelle,
die ſich unter ſeinem Wehgeſchrei nach unten entla-
det, durch die Lüfte davon.

Aller dieſer Unſinn macht allerdings im Augen-
blick lachen, ein trauriges Gemüth macht er aber

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0119" n="103"/>
kann. Es i&#x017F;t ein giganti&#x017F;ches Werk, nur <hi rendition="#g">hier</hi> aus-<lb/>
führbar, wo die Leute nicht wi&#x017F;&#x017F;en, was &#x017F;ie mit ih-<lb/>
rem Gelde anfangen &#x017F;ollen.</p><lb/>
          <p>Aus dem Tunnel fuhr ich nach A&#x017F;tleys Theater,<lb/>
dem hie&#x017F;igen Franconi, und die&#x017F;em überlegen. Ein<lb/>
Pferd mit ange&#x017F;chnallten Flügeln, Pega&#x017F;us genannt,<lb/>
macht wunderbare Kun&#x017F;t&#x017F;tücke, und der ru&#x017F;&#x017F;i&#x017F;che be<lb/>
trunkene Courier, der auf 6 &#x2014; 8 Pferden auf einmal<lb/>
reitet, kann in Ge&#x017F;chicklichkeit und Kühnheit nicht<lb/>
übertroffen werden. Die theatrali&#x017F;che Vor&#x017F;tellung<lb/>
be&#x017F;tand in einer &#x017F;ehr ergötzlichen Parodie des Frei-<lb/>
&#x017F;chützen. Statt des Kugelgießens wird durch Pierrot<lb/>
und Pantalon ein Eierkuchen gebacken, wozu &#x017F;ich die<lb/>
beibehaltene Weber&#x2019;&#x017F;che Mu&#x017F;ik höch&#x017F;t komi&#x017F;ch aus-<lb/>
nimmt. Die Gei&#x017F;ter, welche er&#x017F;cheinen, &#x017F;ind &#x017F;ämmt-<lb/>
lich Küchengei&#x017F;ter, Satanas &#x017F;elb&#x017F;t ein bloßer <hi rendition="#aq">Chef<lb/>
de cuisinc.</hi> Bei dem letzten Graus blä&#x017F;t ein ge-<lb/>
&#x017F;pen&#x017F;ti&#x017F;cher Bla&#x017F;ebalg alle Lichter aus, bis auf eine<lb/>
große Kerze, die immer wieder von Neuem Feuer<lb/>
fängt. Da ergreift eine Rie&#x017F;enfau&#x017F;t den armen Pier-<lb/>
rot, legt ihn über die Flamme, und eine Köchin, &#x017F;o<lb/>
groß wie das Theater, in &#x017F;chwarz und rothem Teu-<lb/>
felsco&#x017F;tüme, deckt beide mit einem Ertingui&#x017F;her vom<lb/>
Umfange eines Hau&#x017F;es zu. Währenddem fliegt Pan-<lb/>
talon mit einer Rakette an einer gewi&#x017F;&#x017F;en Stelle,<lb/>
die &#x017F;ich unter &#x017F;einem Wehge&#x017F;chrei nach unten entla-<lb/>
det, durch die Lüfte davon.</p><lb/>
          <p>Aller die&#x017F;er Un&#x017F;inn macht allerdings im Augen-<lb/>
blick lachen, ein trauriges Gemüth macht er aber<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[103/0119] kann. Es iſt ein gigantiſches Werk, nur hier aus- führbar, wo die Leute nicht wiſſen, was ſie mit ih- rem Gelde anfangen ſollen. Aus dem Tunnel fuhr ich nach Aſtleys Theater, dem hieſigen Franconi, und dieſem überlegen. Ein Pferd mit angeſchnallten Flügeln, Pegaſus genannt, macht wunderbare Kunſtſtücke, und der ruſſiſche be trunkene Courier, der auf 6 — 8 Pferden auf einmal reitet, kann in Geſchicklichkeit und Kühnheit nicht übertroffen werden. Die theatraliſche Vorſtellung beſtand in einer ſehr ergötzlichen Parodie des Frei- ſchützen. Statt des Kugelgießens wird durch Pierrot und Pantalon ein Eierkuchen gebacken, wozu ſich die beibehaltene Weber’ſche Muſik höchſt komiſch aus- nimmt. Die Geiſter, welche erſcheinen, ſind ſämmt- lich Küchengeiſter, Satanas ſelbſt ein bloßer Chef de cuisinc. Bei dem letzten Graus bläſt ein ge- ſpenſtiſcher Blaſebalg alle Lichter aus, bis auf eine große Kerze, die immer wieder von Neuem Feuer fängt. Da ergreift eine Rieſenfauſt den armen Pier- rot, legt ihn über die Flamme, und eine Köchin, ſo groß wie das Theater, in ſchwarz und rothem Teu- felscoſtüme, deckt beide mit einem Ertinguiſher vom Umfange eines Hauſes zu. Währenddem fliegt Pan- talon mit einer Rakette an einer gewiſſen Stelle, die ſich unter ſeinem Wehgeſchrei nach unten entla- det, durch die Lüfte davon. Aller dieſer Unſinn macht allerdings im Augen- blick lachen, ein trauriges Gemüth macht er aber

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/119
Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/119>, abgerufen am 25.04.2024.