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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831.

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Würtemberg vorgestellt, wettete glücklich, und wohnte
Abends einem Piquenique-Ball in dem Städtchen bei,
der, tout comme chez nous, gar viel Kleinstädti-
sches und sehr lächerliche Dandi's vom Lande pro-
ducirte.

Heute nahm eine andere Landparthie und ein Spa-
ziergang mit den jungen Damen fast den ganzen Tag
weg. Die jungen Engländerinnen sind unermüd-
liche Fußgängerinnen durch Dick und Dünn, über
Berg und Thal, so daß etwas Ambition dazu gehört,
um immer mit ihnen gleichen Schritt zu halten.

In dem Park eines Nabobs fanden wir eine in-
teressante Merkwürdigkeit, nämlich zwei aus China
hertransportirte Zwergbäume, hundertjährige Ulmen,
ganz mit dem verkrüppelten, runzlichen Ansehn ihres
Alters und doch kaum zwei Fuß hoch. Das Geheim-
niß, Bäume so zu ziehen, ist in Europa unbekannt.

Zuletzt stiegen die muthwilligen Mädchen sogar über
eine Verzäunung des Windsor-Parks, und störten
die streng gehütete königliche Einsamkeit mit ihren
Scherzen und Lachen. Ich sah bei dieser Gelegenheit
noch mehrere verbotene Parthieen des reizenden Auf-
enthalts von Virginiawater, wohin sich die Aengst-
lichkeit des Lord H ... nicht gewagt hatte, und wä-
ren wir ertappt worden, in so guter Gesellschaft hätte
man es ohne Zweifel gnädig mit uns gemacht.



Briefe eines Verstorbenen IV. 11

Würtemberg vorgeſtellt, wettete glücklich, und wohnte
Abends einem Piquenique-Ball in dem Städtchen bei,
der, tout comme chez nous, gar viel Kleinſtädti-
ſches und ſehr lächerliche Dandi’s vom Lande pro-
ducirte.

Heute nahm eine andere Landparthie und ein Spa-
ziergang mit den jungen Damen faſt den ganzen Tag
weg. Die jungen Engländerinnen ſind unermüd-
liche Fußgängerinnen durch Dick und Dünn, über
Berg und Thal, ſo daß etwas Ambition dazu gehört,
um immer mit ihnen gleichen Schritt zu halten.

In dem Park eines Nabobs fanden wir eine in-
tereſſante Merkwürdigkeit, nämlich zwei aus China
hertransportirte Zwergbäume, hundertjährige Ulmen,
ganz mit dem verkrüppelten, runzlichen Anſehn ihres
Alters und doch kaum zwei Fuß hoch. Das Geheim-
niß, Bäume ſo zu ziehen, iſt in Europa unbekannt.

Zuletzt ſtiegen die muthwilligen Mädchen ſogar über
eine Verzäunung des Windſor-Parks, und ſtörten
die ſtreng gehütete königliche Einſamkeit mit ihren
Scherzen und Lachen. Ich ſah bei dieſer Gelegenheit
noch mehrere verbotene Parthieen des reizenden Auf-
enthalts von Virginiawater, wohin ſich die Aengſt-
lichkeit des Lord H … nicht gewagt hatte, und wä-
ren wir ertappt worden, in ſo guter Geſellſchaft hätte
man es ohne Zweifel gnädig mit uns gemacht.



Briefe eines Verſtorbenen IV. 11
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[161/0177] Würtemberg vorgeſtellt, wettete glücklich, und wohnte Abends einem Piquenique-Ball in dem Städtchen bei, der, tout comme chez nous, gar viel Kleinſtädti- ſches und ſehr lächerliche Dandi’s vom Lande pro- ducirte. Heute nahm eine andere Landparthie und ein Spa- ziergang mit den jungen Damen faſt den ganzen Tag weg. Die jungen Engländerinnen ſind unermüd- liche Fußgängerinnen durch Dick und Dünn, über Berg und Thal, ſo daß etwas Ambition dazu gehört, um immer mit ihnen gleichen Schritt zu halten. In dem Park eines Nabobs fanden wir eine in- tereſſante Merkwürdigkeit, nämlich zwei aus China hertransportirte Zwergbäume, hundertjährige Ulmen, ganz mit dem verkrüppelten, runzlichen Anſehn ihres Alters und doch kaum zwei Fuß hoch. Das Geheim- niß, Bäume ſo zu ziehen, iſt in Europa unbekannt. Zuletzt ſtiegen die muthwilligen Mädchen ſogar über eine Verzäunung des Windſor-Parks, und ſtörten die ſtreng gehütete königliche Einſamkeit mit ihren Scherzen und Lachen. Ich ſah bei dieſer Gelegenheit noch mehrere verbotene Parthieen des reizenden Auf- enthalts von Virginiawater, wohin ſich die Aengſt- lichkeit des Lord H … nicht gewagt hatte, und wä- ren wir ertappt worden, in ſo guter Geſellſchaft hätte man es ohne Zweifel gnädig mit uns gemacht. Briefe eines Verſtorbenen IV. 11

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/177>, abgerufen am 19.04.2024.