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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831.

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nehmen wollte. Ich bin mit dem cranologisch unter-
suchten Engländer sehr zufrieden, und werde den
Landsmann daher nicht so sehr entbehren. Er bringt
Dir einen großen Gartenplan von mir, auf dem ich
vor dem Zubettegehen noch eine Stunde in meiner
Schlafstube ausgestreckt lag, ehe ich damit fertig
wurde, wie Napoleon auf seinen Karten und Welt-
plänen. Er zeichnete aber mit seinen rothen Nadeln
Blut, ich nur Wasser und Wiesen, er Festungswerke,
ich Lusthäuser, er endlich Soldaten, ich nur Bäume.
Vor Gott mag es am Ende einerlei seyn, wie seine
Kinder spielen, ob mit Kanonenkugeln oder Nüssen,
aber für die Menschen ist es ein bedeutender Unter-
schied, und größer offenbar der, nach ihrem eigenen
Urtheil, welcher sie zu Tausenden todtschießen läßt,
als der, welcher blos für ihr Vergnügen sorgt.

Eine lange Liste erklärt Dir den Plan, führe fleißig
aus, was ich vorschreibe, und erfreue mich bei mei-
ner Rückkunft mit der Realifirung aller Gartenträume,
die Deinen Beifall haben.

Meine Absicht ist jetzt, noch einmal nach London
auf wenige Tage zurückzukehren, um meine Pferde
selbst einschiffen zu sehen, und dann erst meine län-
gere Tour ins Land anzutreten. Das Tagebuch wird
also wohl eine geraume Zeit lang anschwellen, ehe
ich es Dir wieder zuschicken kann; glaube deßhalb
nur nicht, daß ich in meinen Nachrichten saumseliger
werde, denn, wie der geistreiche Prinz sagt: "ich
kenne wenig Sachen, die ich lieber thue, als Dir zu
schreiben."

Dein L.

nehmen wollte. Ich bin mit dem cranologiſch unter-
ſuchten Engländer ſehr zufrieden, und werde den
Landsmann daher nicht ſo ſehr entbehren. Er bringt
Dir einen großen Gartenplan von mir, auf dem ich
vor dem Zubettegehen noch eine Stunde in meiner
Schlafſtube ausgeſtreckt lag, ehe ich damit fertig
wurde, wie Napoleon auf ſeinen Karten und Welt-
plänen. Er zeichnete aber mit ſeinen rothen Nadeln
Blut, ich nur Waſſer und Wieſen, er Feſtungswerke,
ich Luſthäuſer, er endlich Soldaten, ich nur Bäume.
Vor Gott mag es am Ende einerlei ſeyn, wie ſeine
Kinder ſpielen, ob mit Kanonenkugeln oder Nüſſen,
aber für die Menſchen iſt es ein bedeutender Unter-
ſchied, und größer offenbar der, nach ihrem eigenen
Urtheil, welcher ſie zu Tauſenden todtſchießen läßt,
als der, welcher blos für ihr Vergnügen ſorgt.

Eine lange Liſte erklärt Dir den Plan, führe fleißig
aus, was ich vorſchreibe, und erfreue mich bei mei-
ner Rückkunft mit der Realifirung aller Gartenträume,
die Deinen Beifall haben.

Meine Abſicht iſt jetzt, noch einmal nach London
auf wenige Tage zurückzukehren, um meine Pferde
ſelbſt einſchiffen zu ſehen, und dann erſt meine län-
gere Tour ins Land anzutreten. Das Tagebuch wird
alſo wohl eine geraume Zeit lang anſchwellen, ehe
ich es Dir wieder zuſchicken kann; glaube deßhalb
nur nicht, daß ich in meinen Nachrichten ſaumſeliger
werde, denn, wie der geiſtreiche Prinz ſagt: „ich
kenne wenig Sachen, die ich lieber thue, als Dir zu
ſchreiben.“

Dein L.
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[164/0180] nehmen wollte. Ich bin mit dem cranologiſch unter- ſuchten Engländer ſehr zufrieden, und werde den Landsmann daher nicht ſo ſehr entbehren. Er bringt Dir einen großen Gartenplan von mir, auf dem ich vor dem Zubettegehen noch eine Stunde in meiner Schlafſtube ausgeſtreckt lag, ehe ich damit fertig wurde, wie Napoleon auf ſeinen Karten und Welt- plänen. Er zeichnete aber mit ſeinen rothen Nadeln Blut, ich nur Waſſer und Wieſen, er Feſtungswerke, ich Luſthäuſer, er endlich Soldaten, ich nur Bäume. Vor Gott mag es am Ende einerlei ſeyn, wie ſeine Kinder ſpielen, ob mit Kanonenkugeln oder Nüſſen, aber für die Menſchen iſt es ein bedeutender Unter- ſchied, und größer offenbar der, nach ihrem eigenen Urtheil, welcher ſie zu Tauſenden todtſchießen läßt, als der, welcher blos für ihr Vergnügen ſorgt. Eine lange Liſte erklärt Dir den Plan, führe fleißig aus, was ich vorſchreibe, und erfreue mich bei mei- ner Rückkunft mit der Realifirung aller Gartenträume, die Deinen Beifall haben. Meine Abſicht iſt jetzt, noch einmal nach London auf wenige Tage zurückzukehren, um meine Pferde ſelbſt einſchiffen zu ſehen, und dann erſt meine län- gere Tour ins Land anzutreten. Das Tagebuch wird alſo wohl eine geraume Zeit lang anſchwellen, ehe ich es Dir wieder zuſchicken kann; glaube deßhalb nur nicht, daß ich in meinen Nachrichten ſaumſeliger werde, denn, wie der geiſtreiche Prinz ſagt: „ich kenne wenig Sachen, die ich lieber thue, als Dir zu ſchreiben.“ Dein L.

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/180>, abgerufen am 25.04.2024.