Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831.

Bild:
<< vorherige Seite

Achtzehnter Brief.


Theure Freundin!

Ich bin zwar, wie Du weißt, nicht stark in Erin-
nerungen von Anniversaires etc., weiß aber diesmal
doch, daß morgen derjenige Tag wiederkehrt, an dem
ich meine arme Julie in B ... allein zurücklassen
mußte! Ein Jahr rollte seitdem über die Welt, und
wir Insekten kriechen noch in dem alten Gleise --
wir haben uns aber auch noch eben so lieb, und das
ist die Hauptsache! Endlich werden wir doch durch
den großen Haufen glücklich hindurchkommen, durch
den wir uns jetzt so mühsam arbeiten müssen, und
dann vielleicht frisches Gras mit schönen Blümchen
erreichen, auf denen eben der Morgenthau seine Dia-
manten abgesetzt hat, und bunte Sonnenstrahlen sich
in dem feuchten Crystall blitzend umhertummeln.
Soyez tranquille, nous doublerons encore un jour
le cap de bonne esperance!


Achtzehnter Brief.


Theure Freundin!

Ich bin zwar, wie Du weißt, nicht ſtark in Erin-
nerungen von Anniverſaires ꝛc., weiß aber diesmal
doch, daß morgen derjenige Tag wiederkehrt, an dem
ich meine arme Julie in B … allein zurücklaſſen
mußte! Ein Jahr rollte ſeitdem über die Welt, und
wir Inſekten kriechen noch in dem alten Gleiſe —
wir haben uns aber auch noch eben ſo lieb, und das
iſt die Hauptſache! Endlich werden wir doch durch
den großen Haufen glücklich hindurchkommen, durch
den wir uns jetzt ſo mühſam arbeiten müſſen, und
dann vielleicht friſches Gras mit ſchönen Blümchen
erreichen, auf denen eben der Morgenthau ſeine Dia-
manten abgeſetzt hat, und bunte Sonnenſtrahlen ſich
in dem feuchten Cryſtall blitzend umhertummeln.
Soyez tranquille, nous doublerons encore un jour
le cap de bonne espérance!

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0181" n="[165]"/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Achtzehnter Brief</hi>.</hi> </head><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <opener>
            <dateline> <hi rendition="#et">London, den 7. Sept. 1827.</hi> </dateline><lb/>
            <salute>Theure Freundin!</salute>
          </opener><lb/>
          <p>Ich bin zwar, wie Du weißt, nicht &#x017F;tark in Erin-<lb/>
nerungen von Anniver&#x017F;aires &#xA75B;c., weiß aber diesmal<lb/>
doch, daß morgen derjenige Tag wiederkehrt, an dem<lb/>
ich meine arme Julie in B &#x2026; allein zurückla&#x017F;&#x017F;en<lb/>
mußte! Ein Jahr rollte &#x017F;eitdem über die Welt, und<lb/>
wir In&#x017F;ekten kriechen noch in dem alten Glei&#x017F;e &#x2014;<lb/>
wir haben uns aber auch noch eben &#x017F;o lieb, und das<lb/>
i&#x017F;t die Haupt&#x017F;ache! Endlich werden wir doch durch<lb/>
den großen Haufen glücklich hindurchkommen, durch<lb/>
den wir uns jetzt &#x017F;o müh&#x017F;am arbeiten mü&#x017F;&#x017F;en, und<lb/>
dann vielleicht fri&#x017F;ches Gras mit &#x017F;chönen Blümchen<lb/>
erreichen, auf denen eben der Morgenthau &#x017F;eine Dia-<lb/>
manten abge&#x017F;etzt hat, und bunte Sonnen&#x017F;trahlen &#x017F;ich<lb/>
in dem feuchten Cry&#x017F;tall blitzend umhertummeln.<lb/><hi rendition="#aq">Soyez tranquille, nous doublerons encore un jour<lb/>
le cap de bonne espérance!</hi></p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[165]/0181] Achtzehnter Brief. London, den 7. Sept. 1827. Theure Freundin! Ich bin zwar, wie Du weißt, nicht ſtark in Erin- nerungen von Anniverſaires ꝛc., weiß aber diesmal doch, daß morgen derjenige Tag wiederkehrt, an dem ich meine arme Julie in B … allein zurücklaſſen mußte! Ein Jahr rollte ſeitdem über die Welt, und wir Inſekten kriechen noch in dem alten Gleiſe — wir haben uns aber auch noch eben ſo lieb, und das iſt die Hauptſache! Endlich werden wir doch durch den großen Haufen glücklich hindurchkommen, durch den wir uns jetzt ſo mühſam arbeiten müſſen, und dann vielleicht friſches Gras mit ſchönen Blümchen erreichen, auf denen eben der Morgenthau ſeine Dia- manten abgeſetzt hat, und bunte Sonnenſtrahlen ſich in dem feuchten Cryſtall blitzend umhertummeln. Soyez tranquille, nous doublerons encore un jour le cap de bonne espérance!

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/181
Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. [165]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/181>, abgerufen am 20.04.2024.