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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831.

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wick Castle Abends nach London reiste, dieses dort
den andern Tag zu seiner Zufriedenheit beendigte
und in der Nacht wieder zurückfuhr. Als er in
Warwick ankam, fiel er in Ohnmacht. Alles er-
schrack und frug den Kammerdiener, ob sein Herr
schon in London krank gewesen sey. Nein, sagte die-
ser, er ist ganz wohl, aber ich glaube, Gott verzeih
mir, er hat, seit er weg ist, vergessen -- zu essen.
Dies war auch wirklich der Fall, und ein Teller
Suppe, den man so fort Seiner Herrlichkeit applizirte,
brachte schnell Alles wieder in die gewohnte Ordnung.

Ich schreibe Dir aus einem Seebade, das sehr
romantisch seyn soll. Ich selbst weiß zwar nichts da-
von, denn es war stockfinster als ich ankam. Mor-
gen früh habe ich dagegen alle Hoffnung auf die
schönste Aussicht, da ich im 4ten Stock logire, weil
das ganze Haus schon besetzt ist.

Während der Reise hierher besah ich das Schloß
Howard, dem Lord Carlisle gehörig. Es ist dieß ei-
ner der englischen shewplaces, (Schau- und Para-
deplätze) gefällt mir aber nicht im Geringsten. Schloß
Howard stammt von Sir Vanburgh her, demselben
Baumeister, aus Ludwig XIVten Zeit, der in dem
gleichen schlechten französischen Geschmack Blenheim
gebaut hat. Dieses imponirt jedoch durch seine
Masse, dagegen Schloß Howard weder imponirt noch
anmuthig erscheint. Dabei hat der ganze Park etwas
höchst Trauriges, Steifes und Desolates. Auf einem
Berge steht ein großer Tempel, das Erbbegräbniß der

wick Caſtle Abends nach London reiſte, dieſes dort
den andern Tag zu ſeiner Zufriedenheit beendigte
und in der Nacht wieder zurückfuhr. Als er in
Warwick ankam, fiel er in Ohnmacht. Alles er-
ſchrack und frug den Kammerdiener, ob ſein Herr
ſchon in London krank geweſen ſey. Nein, ſagte die-
ſer, er iſt ganz wohl, aber ich glaube, Gott verzeih
mir, er hat, ſeit er weg iſt, vergeſſen — zu eſſen.
Dies war auch wirklich der Fall, und ein Teller
Suppe, den man ſo fort Seiner Herrlichkeit applizirte,
brachte ſchnell Alles wieder in die gewohnte Ordnung.

Ich ſchreibe Dir aus einem Seebade, das ſehr
romantiſch ſeyn ſoll. Ich ſelbſt weiß zwar nichts da-
von, denn es war ſtockfinſter als ich ankam. Mor-
gen früh habe ich dagegen alle Hoffnung auf die
ſchönſte Ausſicht, da ich im 4ten Stock logire, weil
das ganze Haus ſchon beſetzt iſt.

Während der Reiſe hierher beſah ich das Schloß
Howard, dem Lord Carlisle gehörig. Es iſt dieß ei-
ner der engliſchen shewplaces, (Schau- und Para-
deplätze) gefällt mir aber nicht im Geringſten. Schloß
Howard ſtammt von Sir Vanburgh her, demſelben
Baumeiſter, aus Ludwig XIVten Zeit, der in dem
gleichen ſchlechten franzöſiſchen Geſchmack Blenheim
gebaut hat. Dieſes imponirt jedoch durch ſeine
Maſſe, dagegen Schloß Howard weder imponirt noch
anmuthig erſcheint. Dabei hat der ganze Park etwas
höchſt Trauriges, Steifes und Deſolates. Auf einem
Berge ſteht ein großer Tempel, das Erbbegräbniß der

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[191/0207] wick Caſtle Abends nach London reiſte, dieſes dort den andern Tag zu ſeiner Zufriedenheit beendigte und in der Nacht wieder zurückfuhr. Als er in Warwick ankam, fiel er in Ohnmacht. Alles er- ſchrack und frug den Kammerdiener, ob ſein Herr ſchon in London krank geweſen ſey. Nein, ſagte die- ſer, er iſt ganz wohl, aber ich glaube, Gott verzeih mir, er hat, ſeit er weg iſt, vergeſſen — zu eſſen. Dies war auch wirklich der Fall, und ein Teller Suppe, den man ſo fort Seiner Herrlichkeit applizirte, brachte ſchnell Alles wieder in die gewohnte Ordnung. Ich ſchreibe Dir aus einem Seebade, das ſehr romantiſch ſeyn ſoll. Ich ſelbſt weiß zwar nichts da- von, denn es war ſtockfinſter als ich ankam. Mor- gen früh habe ich dagegen alle Hoffnung auf die ſchönſte Ausſicht, da ich im 4ten Stock logire, weil das ganze Haus ſchon beſetzt iſt. Während der Reiſe hierher beſah ich das Schloß Howard, dem Lord Carlisle gehörig. Es iſt dieß ei- ner der engliſchen shewplaces, (Schau- und Para- deplätze) gefällt mir aber nicht im Geringſten. Schloß Howard ſtammt von Sir Vanburgh her, demſelben Baumeiſter, aus Ludwig XIVten Zeit, der in dem gleichen ſchlechten franzöſiſchen Geſchmack Blenheim gebaut hat. Dieſes imponirt jedoch durch ſeine Maſſe, dagegen Schloß Howard weder imponirt noch anmuthig erſcheint. Dabei hat der ganze Park etwas höchſt Trauriges, Steifes und Deſolates. Auf einem Berge ſteht ein großer Tempel, das Erbbegräbniß der

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/207>, abgerufen am 28.03.2024.