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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831.

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diese? -- Tausende von Haidschnucken, die sehr scheu
sind, meistens schwarze Köpfe haben, und gegen de-
ren Wolle Pudel und Schafspitze Seide aufweisen
können. Eine Stunde vor Whithy, wenn man aus
den kahlen Bergen wieder hinabsteigt, verändert sich
die Gegend nach und nach, und wird bei der Stadt
sehr romantisch. Die englische Reinlichkeit und Zier-
lichkeit verliert sich indeß immer mehr und mehr.
Whitby sieht einer alten deutschen Stadt vollkommen
gleich. Ohne Trottoirs, eben so schmutzig, mit engen
Gassen, aber auch mit herzlichern, freundlichern
Bewohnern.

In diesen ärmlichen Ort kommen wahrscheinlich
selten Reisende von einiger Apparence an, oder hielt
man mich für einen Andern, kurz man belagerte mich
wie ein Wunderthier, und ließ mich nicht ohne eine
Eskorte von wenigstens hundert Menschen ausgehen,
die sich zwar sehr gutmüthig, aber doch auch sehr zu-
dringlich andrängten, um mich vom Kopf bis zum
Fuß zu betrachten. Mir fiel dabei eine komische Anek-
dote ein, die ich neulich vom Herzog von Leeds hörte.
Dieser Herr war sehr herablassend mit seinen Unter-
gebenen und Pächtern, deren Einer einmal, als der
Herzog eben spazieren ging, an ihn herantrat und
ihm eine Bitte vortragen zu dürfen bat. Als dies
freundlich gewährt wurde, kam er damit heraus, daß
sein 12jähriger Sohn ihn Tag und Nacht quäle, den
Herrn Herzog zu sehen, und daß, da Er grade jetzt
nicht weit von seiner Hütte sey, Er doch die hohe
Gnade haben möge, sich von seinem Sohne beschauen

dieſe? — Tauſende von Haidſchnucken, die ſehr ſcheu
ſind, meiſtens ſchwarze Köpfe haben, und gegen de-
ren Wolle Pudel und Schafſpitze Seide aufweiſen
können. Eine Stunde vor Whithy, wenn man aus
den kahlen Bergen wieder hinabſteigt, verändert ſich
die Gegend nach und nach, und wird bei der Stadt
ſehr romantiſch. Die engliſche Reinlichkeit und Zier-
lichkeit verliert ſich indeß immer mehr und mehr.
Whitby ſieht einer alten deutſchen Stadt vollkommen
gleich. Ohne Trottoirs, eben ſo ſchmutzig, mit engen
Gaſſen, aber auch mit herzlichern, freundlichern
Bewohnern.

In dieſen ärmlichen Ort kommen wahrſcheinlich
ſelten Reiſende von einiger Apparence an, oder hielt
man mich für einen Andern, kurz man belagerte mich
wie ein Wunderthier, und ließ mich nicht ohne eine
Eskorte von wenigſtens hundert Menſchen ausgehen,
die ſich zwar ſehr gutmüthig, aber doch auch ſehr zu-
dringlich andrängten, um mich vom Kopf bis zum
Fuß zu betrachten. Mir fiel dabei eine komiſche Anek-
dote ein, die ich neulich vom Herzog von Leeds hörte.
Dieſer Herr war ſehr herablaſſend mit ſeinen Unter-
gebenen und Pächtern, deren Einer einmal, als der
Herzog eben ſpazieren ging, an ihn herantrat und
ihm eine Bitte vortragen zu dürfen bat. Als dies
freundlich gewährt wurde, kam er damit heraus, daß
ſein 12jähriger Sohn ihn Tag und Nacht quäle, den
Herrn Herzog zu ſehen, und daß, da Er grade jetzt
nicht weit von ſeiner Hütte ſey, Er doch die hohe
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[203/0219] dieſe? — Tauſende von Haidſchnucken, die ſehr ſcheu ſind, meiſtens ſchwarze Köpfe haben, und gegen de- ren Wolle Pudel und Schafſpitze Seide aufweiſen können. Eine Stunde vor Whithy, wenn man aus den kahlen Bergen wieder hinabſteigt, verändert ſich die Gegend nach und nach, und wird bei der Stadt ſehr romantiſch. Die engliſche Reinlichkeit und Zier- lichkeit verliert ſich indeß immer mehr und mehr. Whitby ſieht einer alten deutſchen Stadt vollkommen gleich. Ohne Trottoirs, eben ſo ſchmutzig, mit engen Gaſſen, aber auch mit herzlichern, freundlichern Bewohnern. In dieſen ärmlichen Ort kommen wahrſcheinlich ſelten Reiſende von einiger Apparence an, oder hielt man mich für einen Andern, kurz man belagerte mich wie ein Wunderthier, und ließ mich nicht ohne eine Eskorte von wenigſtens hundert Menſchen ausgehen, die ſich zwar ſehr gutmüthig, aber doch auch ſehr zu- dringlich andrängten, um mich vom Kopf bis zum Fuß zu betrachten. Mir fiel dabei eine komiſche Anek- dote ein, die ich neulich vom Herzog von Leeds hörte. Dieſer Herr war ſehr herablaſſend mit ſeinen Unter- gebenen und Pächtern, deren Einer einmal, als der Herzog eben ſpazieren ging, an ihn herantrat und ihm eine Bitte vortragen zu dürfen bat. Als dies freundlich gewährt wurde, kam er damit heraus, daß ſein 12jähriger Sohn ihn Tag und Nacht quäle, den Herrn Herzog zu ſehen, und daß, da Er grade jetzt nicht weit von ſeiner Hütte ſey, Er doch die hohe Gnade haben möge, ſich von ſeinem Sohne beſchauen

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/219>, abgerufen am 23.04.2024.