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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831.

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licher Anblick. Nur eine einzige Loge blieb stehen,
und in dieser rettete sich, durch seine Kaltblütigkeit
nicht von der Stelle zu weichen, der Schauspieler
Farren, der unversehrt die ganze entsetzliche Cata-
strophe mit ansah, eine nur zu ächte Tragödie, die
sich keiner erwartet hatte.

Jetzt ist im Getümmel der Season Alles schon wie-
der vergessen. Bei allen dem giebt dieses geräusch-
volle Leben weit weniger Stoff als man denken sollte,
und den es gibt, vergißt man im ewigen Trouble.

Ein Familiendine bei dem großen R., den man mit
dem Sultan verglichen hat, weil dieser der Herrscher
aller Gläubigen und jener der Gläubiger aller Herr-
scher sey, kam als Abwechslung dazwischen. Dieser
Mann hat wirklich etwas ganz Originelles. Er war
heute besonders lustig, und ließ seine neue östreichi-
sche Consularuniform holen, die ihm, wie er sagte,
sein Freund M ... ch von Wien geschickt habe, zeigte
sie uns, und ließ sich nachher sogar bereden, sie vor
dem Spiegel anzuprobiren und damit einherzustol-
ziren, ja wie Virtuosen, wenn sie einmal angefan-
gen haben, nicht wieder aufhören können, so ließ er
nun auch noch andere prächtige Hofkleider bringen,
und wechselte mehrmal die Toilette, wie auf dem
Theater, eine Kindlichkeit bei solchem Geld-Heros,
die ich fast mit Heinrich dem IV. vergleichen möchte,
als dieser beim Eintritt des fremden Gesandten sei-
nem Sohne eben als Reitpferd diente.

Es war übrigens ziemlich komisch anzusehen, wie
der sonst so kaufmännisch ernste Mann, sich mit den

licher Anblick. Nur eine einzige Loge blieb ſtehen,
und in dieſer rettete ſich, durch ſeine Kaltblütigkeit
nicht von der Stelle zu weichen, der Schauſpieler
Farren, der unverſehrt die ganze entſetzliche Cata-
ſtrophe mit anſah, eine nur zu ächte Tragödie, die
ſich keiner erwartet hatte.

Jetzt iſt im Getümmel der Seaſon Alles ſchon wie-
der vergeſſen. Bei allen dem giebt dieſes geräuſch-
volle Leben weit weniger Stoff als man denken ſollte,
und den es gibt, vergißt man im ewigen Trouble.

Ein Familiendiné bei dem großen R., den man mit
dem Sultan verglichen hat, weil dieſer der Herrſcher
aller Gläubigen und jener der Gläubiger aller Herr-
ſcher ſey, kam als Abwechslung dazwiſchen. Dieſer
Mann hat wirklich etwas ganz Originelles. Er war
heute beſonders luſtig, und ließ ſeine neue öſtreichi-
ſche Conſularuniform holen, die ihm, wie er ſagte,
ſein Freund M … ch von Wien geſchickt habe, zeigte
ſie uns, und ließ ſich nachher ſogar bereden, ſie vor
dem Spiegel anzuprobiren und damit einherzuſtol-
ziren, ja wie Virtuoſen, wenn ſie einmal angefan-
gen haben, nicht wieder aufhören können, ſo ließ er
nun auch noch andere prächtige Hofkleider bringen,
und wechſelte mehrmal die Toilette, wie auf dem
Theater, eine Kindlichkeit bei ſolchem Geld-Heros,
die ich faſt mit Heinrich dem IV. vergleichen möchte,
als dieſer beim Eintritt des fremden Geſandten ſei-
nem Sohne eben als Reitpferd diente.

Es war übrigens ziemlich komiſch anzuſehen, wie
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[332/0350] licher Anblick. Nur eine einzige Loge blieb ſtehen, und in dieſer rettete ſich, durch ſeine Kaltblütigkeit nicht von der Stelle zu weichen, der Schauſpieler Farren, der unverſehrt die ganze entſetzliche Cata- ſtrophe mit anſah, eine nur zu ächte Tragödie, die ſich keiner erwartet hatte. Jetzt iſt im Getümmel der Seaſon Alles ſchon wie- der vergeſſen. Bei allen dem giebt dieſes geräuſch- volle Leben weit weniger Stoff als man denken ſollte, und den es gibt, vergißt man im ewigen Trouble. Ein Familiendiné bei dem großen R., den man mit dem Sultan verglichen hat, weil dieſer der Herrſcher aller Gläubigen und jener der Gläubiger aller Herr- ſcher ſey, kam als Abwechslung dazwiſchen. Dieſer Mann hat wirklich etwas ganz Originelles. Er war heute beſonders luſtig, und ließ ſeine neue öſtreichi- ſche Conſularuniform holen, die ihm, wie er ſagte, ſein Freund M … ch von Wien geſchickt habe, zeigte ſie uns, und ließ ſich nachher ſogar bereden, ſie vor dem Spiegel anzuprobiren und damit einherzuſtol- ziren, ja wie Virtuoſen, wenn ſie einmal angefan- gen haben, nicht wieder aufhören können, ſo ließ er nun auch noch andere prächtige Hofkleider bringen, und wechſelte mehrmal die Toilette, wie auf dem Theater, eine Kindlichkeit bei ſolchem Geld-Heros, die ich faſt mit Heinrich dem IV. vergleichen möchte, als dieſer beim Eintritt des fremden Geſandten ſei- nem Sohne eben als Reitpferd diente. Es war übrigens ziemlich komiſch anzuſehen, wie der ſonſt ſo kaufmänniſch ernſte Mann, ſich mit den

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 332. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/350>, abgerufen am 24.04.2024.