Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831.

Bild:
<< vorherige Seite

ihr, wie doppelt genießt man euch in solcher Gesell-
schaft! Wir sollten die Sternwarte in Greewnitsch
besehen, es blieb aber bei den zwei blauen Sternen
in der Nähe, die hunderttausendmal magnetischer fun-
kelten, als alle Welten der Milchstraße, und ich dankte
innerlich von Herzen dem lieben Gott, daß wir gar
nicht nöthig haben, mit Doctor Nürnberger nach dem
Sirius und Jupiter zu reisen, um in Exstase zu ge-
rathen, und gegen die Venus am Himmel sehr
gleichgültig bleiben können, wenn wir viele Stunden
lang uns in dem ungestörten Anschauen einer irdi-
schen verlieren dürfen.

Wir mußten, der bösen Welt und einer unbeque-
men Ankunft wegen, die Sache etwas geheim betrei-
ben. Die Pferde waren vorausgeschickt, ich ritt auf
einem Klepper nach, und H. fuhr mit der guten Gou-
vernante in einem Miethwagen nach dem Orte des
Rendez-vous.

Der gelbe Wagen ließ lange auf sich warten, und
ich ängstete mich nicht wenig, daß etwas dazwischen
gekommen seyn möchte. Es war auch so, aber ehr-
lich hielt das liebe Mädchen ihr gegebenes Wort.
Endlich sah ich den alten Kasten langsam auf uns
zukommen, sprengte heran, hob die Liebliche auf ih-
ren Zelter, und dahin flogen wir (denn sie reitet
kühn wie ein Mann) in die duftende Mailuft hinaus,
wie ein paar lustige Vöglein flatternd und kosend.
Bis es dunkel ward, wurde geritten, umhergewan-
dert, und dies und jenes besehen. Bei'm Schein
der Lichter und Sterne zugleich aßen wir bei offnen

ihr, wie doppelt genießt man euch in ſolcher Geſell-
ſchaft! Wir ſollten die Sternwarte in Greewnitſch
beſehen, es blieb aber bei den zwei blauen Sternen
in der Nähe, die hunderttauſendmal magnetiſcher fun-
kelten, als alle Welten der Milchſtraße, und ich dankte
innerlich von Herzen dem lieben Gott, daß wir gar
nicht nöthig haben, mit Doctor Nürnberger nach dem
Sirius und Jupiter zu reiſen, um in Exſtaſe zu ge-
rathen, und gegen die Venus am Himmel ſehr
gleichgültig bleiben können, wenn wir viele Stunden
lang uns in dem ungeſtörten Anſchauen einer irdi-
ſchen verlieren dürfen.

Wir mußten, der böſen Welt und einer unbeque-
men Ankunft wegen, die Sache etwas geheim betrei-
ben. Die Pferde waren vorausgeſchickt, ich ritt auf
einem Klepper nach, und H. fuhr mit der guten Gou-
vernante in einem Miethwagen nach dem Orte des
Rendez-vous.

Der gelbe Wagen ließ lange auf ſich warten, und
ich ängſtete mich nicht wenig, daß etwas dazwiſchen
gekommen ſeyn möchte. Es war auch ſo, aber ehr-
lich hielt das liebe Mädchen ihr gegebenes Wort.
Endlich ſah ich den alten Kaſten langſam auf uns
zukommen, ſprengte heran, hob die Liebliche auf ih-
ren Zelter, und dahin flogen wir (denn ſie reitet
kühn wie ein Mann) in die duftende Mailuft hinaus,
wie ein paar luſtige Vöglein flatternd und koſend.
Bis es dunkel ward, wurde geritten, umhergewan-
dert, und dies und jenes beſehen. Bei’m Schein
der Lichter und Sterne zugleich aßen wir bei offnen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0381" n="361"/>
ihr, wie doppelt genießt man euch in &#x017F;olcher Ge&#x017F;ell-<lb/>
&#x017F;chaft! Wir &#x017F;ollten die Sternwarte in Greewnit&#x017F;ch<lb/>
be&#x017F;ehen, es blieb aber bei den zwei blauen Sternen<lb/>
in der Nähe, die hunderttau&#x017F;endmal magneti&#x017F;cher fun-<lb/>
kelten, als alle Welten der Milch&#x017F;traße, und ich dankte<lb/>
innerlich von Herzen dem lieben Gott, daß wir gar<lb/>
nicht nöthig haben, mit Doctor Nürnberger nach dem<lb/>
Sirius und Jupiter zu rei&#x017F;en, um in Ex&#x017F;ta&#x017F;e zu ge-<lb/>
rathen, und gegen die Venus <hi rendition="#g">am Himmel</hi> &#x017F;ehr<lb/>
gleichgültig bleiben können, wenn wir viele Stunden<lb/>
lang uns in dem unge&#x017F;törten An&#x017F;chauen einer irdi-<lb/>
&#x017F;chen verlieren dürfen.</p><lb/>
          <p>Wir mußten, der bö&#x017F;en Welt und einer unbeque-<lb/>
men Ankunft wegen, die Sache etwas geheim betrei-<lb/>
ben. Die Pferde waren vorausge&#x017F;chickt, ich ritt auf<lb/>
einem Klepper nach, und H. fuhr mit der guten Gou-<lb/>
vernante in einem Miethwagen nach dem Orte des<lb/>
Rendez-vous.</p><lb/>
          <p>Der gelbe Wagen ließ lange auf &#x017F;ich warten, und<lb/>
ich äng&#x017F;tete mich nicht wenig, daß etwas dazwi&#x017F;chen<lb/>
gekommen &#x017F;eyn möchte. Es war auch &#x017F;o, aber ehr-<lb/>
lich hielt das liebe Mädchen ihr gegebenes Wort.<lb/>
Endlich &#x017F;ah ich den alten Ka&#x017F;ten lang&#x017F;am auf uns<lb/>
zukommen, &#x017F;prengte heran, hob die Liebliche auf ih-<lb/>
ren Zelter, und dahin flogen wir (denn &#x017F;ie reitet<lb/>
kühn wie ein Mann) in die duftende Mailuft hinaus,<lb/>
wie ein paar lu&#x017F;tige Vöglein flatternd und ko&#x017F;end.<lb/>
Bis es dunkel ward, wurde geritten, umhergewan-<lb/>
dert, und dies und jenes be&#x017F;ehen. Bei&#x2019;m Schein<lb/>
der Lichter und Sterne zugleich aßen wir bei offnen<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[361/0381] ihr, wie doppelt genießt man euch in ſolcher Geſell- ſchaft! Wir ſollten die Sternwarte in Greewnitſch beſehen, es blieb aber bei den zwei blauen Sternen in der Nähe, die hunderttauſendmal magnetiſcher fun- kelten, als alle Welten der Milchſtraße, und ich dankte innerlich von Herzen dem lieben Gott, daß wir gar nicht nöthig haben, mit Doctor Nürnberger nach dem Sirius und Jupiter zu reiſen, um in Exſtaſe zu ge- rathen, und gegen die Venus am Himmel ſehr gleichgültig bleiben können, wenn wir viele Stunden lang uns in dem ungeſtörten Anſchauen einer irdi- ſchen verlieren dürfen. Wir mußten, der böſen Welt und einer unbeque- men Ankunft wegen, die Sache etwas geheim betrei- ben. Die Pferde waren vorausgeſchickt, ich ritt auf einem Klepper nach, und H. fuhr mit der guten Gou- vernante in einem Miethwagen nach dem Orte des Rendez-vous. Der gelbe Wagen ließ lange auf ſich warten, und ich ängſtete mich nicht wenig, daß etwas dazwiſchen gekommen ſeyn möchte. Es war auch ſo, aber ehr- lich hielt das liebe Mädchen ihr gegebenes Wort. Endlich ſah ich den alten Kaſten langſam auf uns zukommen, ſprengte heran, hob die Liebliche auf ih- ren Zelter, und dahin flogen wir (denn ſie reitet kühn wie ein Mann) in die duftende Mailuft hinaus, wie ein paar luſtige Vöglein flatternd und koſend. Bis es dunkel ward, wurde geritten, umhergewan- dert, und dies und jenes beſehen. Bei’m Schein der Lichter und Sterne zugleich aßen wir bei offnen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/381
Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 361. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/381>, abgerufen am 24.04.2024.