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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831.

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men Pasta, Caradori, Sontag, Brambilla, die
Herren Zuchelli, Pellegrini und Curioni singen ewig
dieselben Arien und Ductts, welche die Leute den-
noch nie müde zu hören werden. Oft singen sie,
ohne Zweifel vom ewigen Einerlei selbst ermüdet,
äußerst nachläßig, doch darauf kömmt es hier gar
nicht an. Die Ohren, welche sie hören, sind selten
musikalischer Natur, sondern nur von der Fashion
begeistert, und die, welche in der Foule den letzten
Platz inne haben, unterscheiden gewiß oft kaum, ob
ein Bassist oder die Primadonna eben an der Reihe
ist, gerathen aber nichts desto weniger in Entzücken.
Für die Künstler ist die Sache sehr einträglich. Die
Sontag z. B. erhält in jeder Gesellschaft, wo sie
sich mit irgend etwas hören läßt, und oft geschieht
dies in drei bis vier verschiedenen an einem Abend,
wenigstens 40 L. St., zuweilen 100. Die Pasta,
deren Gesang mir noch lieber, grandiöser, tragischer
ist, rivalisirt mit ihr, die andern, obgleich auch ver-
dienstlich, stehen doch nur in zweiter Linie.

Außerdem ist Mocheles, Piris, die Gebrüder Boh-
rer, enfin eine Heerde von Virtuosen hier, die, wie
die Mücken dem Licht, alle dem englischen Golde zu-
fliegen, ohne sich daran zu verbrennen, sondern im
Gegentheil, was die weiblichen wenigstens betrifft,
rechts und links oft neue Flammen erregen, die über-
dies zuweilen noch mehr als das Künstlertalent
einbringen.

Die Concerte beim Prinzen Leopold sind in der
Regel die angenehmsten, wo auch das unerträgliche

men Paſta, Caradori, Sontag, Brambilla, die
Herren Zuchelli, Pellegrini und Curioni ſingen ewig
dieſelben Arien und Ductts, welche die Leute den-
noch nie müde zu hören werden. Oft ſingen ſie,
ohne Zweifel vom ewigen Einerlei ſelbſt ermüdet,
äußerſt nachläßig, doch darauf kömmt es hier gar
nicht an. Die Ohren, welche ſie hören, ſind ſelten
muſikaliſcher Natur, ſondern nur von der Faſhion
begeiſtert, und die, welche in der Foule den letzten
Platz inne haben, unterſcheiden gewiß oft kaum, ob
ein Baſſiſt oder die Primadonna eben an der Reihe
iſt, gerathen aber nichts deſto weniger in Entzücken.
Für die Künſtler iſt die Sache ſehr einträglich. Die
Sontag z. B. erhält in jeder Geſellſchaft, wo ſie
ſich mit irgend etwas hören läßt, und oft geſchieht
dies in drei bis vier verſchiedenen an einem Abend,
wenigſtens 40 L. St., zuweilen 100. Die Paſta,
deren Geſang mir noch lieber, grandiöſer, tragiſcher
iſt, rivaliſirt mit ihr, die andern, obgleich auch ver-
dienſtlich, ſtehen doch nur in zweiter Linie.

Außerdem iſt Mochelés, Piris, die Gebrüder Boh-
rer, enfin eine Heerde von Virtuoſen hier, die, wie
die Mücken dem Licht, alle dem engliſchen Golde zu-
fliegen, ohne ſich daran zu verbrennen, ſondern im
Gegentheil, was die weiblichen wenigſtens betrifft,
rechts und links oft neue Flammen erregen, die über-
dies zuweilen noch mehr als das Künſtlertalent
einbringen.

Die Concerte beim Prinzen Leopold ſind in der
Regel die angenehmſten, wo auch das unerträgliche

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[363/0383] men Paſta, Caradori, Sontag, Brambilla, die Herren Zuchelli, Pellegrini und Curioni ſingen ewig dieſelben Arien und Ductts, welche die Leute den- noch nie müde zu hören werden. Oft ſingen ſie, ohne Zweifel vom ewigen Einerlei ſelbſt ermüdet, äußerſt nachläßig, doch darauf kömmt es hier gar nicht an. Die Ohren, welche ſie hören, ſind ſelten muſikaliſcher Natur, ſondern nur von der Faſhion begeiſtert, und die, welche in der Foule den letzten Platz inne haben, unterſcheiden gewiß oft kaum, ob ein Baſſiſt oder die Primadonna eben an der Reihe iſt, gerathen aber nichts deſto weniger in Entzücken. Für die Künſtler iſt die Sache ſehr einträglich. Die Sontag z. B. erhält in jeder Geſellſchaft, wo ſie ſich mit irgend etwas hören läßt, und oft geſchieht dies in drei bis vier verſchiedenen an einem Abend, wenigſtens 40 L. St., zuweilen 100. Die Paſta, deren Geſang mir noch lieber, grandiöſer, tragiſcher iſt, rivaliſirt mit ihr, die andern, obgleich auch ver- dienſtlich, ſtehen doch nur in zweiter Linie. Außerdem iſt Mochelés, Piris, die Gebrüder Boh- rer, enfin eine Heerde von Virtuoſen hier, die, wie die Mücken dem Licht, alle dem engliſchen Golde zu- fliegen, ohne ſich daran zu verbrennen, ſondern im Gegentheil, was die weiblichen wenigſtens betrifft, rechts und links oft neue Flammen erregen, die über- dies zuweilen noch mehr als das Künſtlertalent einbringen. Die Concerte beim Prinzen Leopold ſind in der Regel die angenehmſten, wo auch das unerträgliche

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 363. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/383>, abgerufen am 20.04.2024.