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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831.

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als eben durch ihren Dienst erlaubt, zuweilen ein
Wort mitsprechen, und ich fand wirklich nichts unter-
haltender, als die Hof- und Gesellschaftserzählungen
dieses alten Franzosen, dessen Welt eigentlich mit je-
ner Zeit abgeschlossen wurde, so wie wir sie uns
heutzutage kaum mehr denken können. Daß der ei-
genthümliche Alte nur ein Haushofmeister ist, macht
keinen Unterschied, denn er hat in seinem Leben bes-
ser beobachtet, und vielleicht mehr von der großen
Welt gesehen, als gar viele Vornehme.

Als ich diesen Morgen Lady W. besuchte, hatte ei-
ner ihrer Söhne, der in Südamerika reist, eben einen
großen Transport merkwürdiger Sachen geschickt,
worunter sich ein lebendes Löwenäffchen befand, mit
Kopf und Mähne des Königs der Thiere bei einer
Taille, die kaum die Größe einer Ratte erreicht.
Statt des üblen Geruchs der Affen duftet dieser im
Gegentheil nach Zimmt und Moschus, und parfumirt
das ganze Zimmer wie ein Räucherkerzchen, gleich
dem neulich erwähnten Ritter.

Eine der vollständigsten Sammlungen Colibris
boten Farben dar, wie sie nur die Sonne bei Auf-
und Untergang am Himmel malt, eben so wie die
reiche Schmetterlings-Sammlung mit mehrern ganz
neuen Exemplaren. Unter andern Insekten sah ich
hier zum erstenmal den sogenannten Stockkäfer, der
den Uebergang zwischen dem Pflanzen- und Thier-
reiche zu machen scheint. Er ist an sechs Zoll lang
und von einem blätterlosen Ulmenzweig mit kleinen

als eben durch ihren Dienſt erlaubt, zuweilen ein
Wort mitſprechen, und ich fand wirklich nichts unter-
haltender, als die Hof- und Geſellſchaftserzählungen
dieſes alten Franzoſen, deſſen Welt eigentlich mit je-
ner Zeit abgeſchloſſen wurde, ſo wie wir ſie uns
heutzutage kaum mehr denken können. Daß der ei-
genthümliche Alte nur ein Haushofmeiſter iſt, macht
keinen Unterſchied, denn er hat in ſeinem Leben beſ-
ſer beobachtet, und vielleicht mehr von der großen
Welt geſehen, als gar viele Vornehme.

Als ich dieſen Morgen Lady W. beſuchte, hatte ei-
ner ihrer Söhne, der in Südamerika reiſt, eben einen
großen Transport merkwürdiger Sachen geſchickt,
worunter ſich ein lebendes Löwenäffchen befand, mit
Kopf und Mähne des Königs der Thiere bei einer
Taille, die kaum die Größe einer Ratte erreicht.
Statt des üblen Geruchs der Affen duftet dieſer im
Gegentheil nach Zimmt und Moſchus, und parfumirt
das ganze Zimmer wie ein Räucherkerzchen, gleich
dem neulich erwähnten Ritter.

Eine der vollſtändigſten Sammlungen Colibris
boten Farben dar, wie ſie nur die Sonne bei Auf-
und Untergang am Himmel malt, eben ſo wie die
reiche Schmetterlings-Sammlung mit mehrern ganz
neuen Exemplaren. Unter andern Inſekten ſah ich
hier zum erſtenmal den ſogenannten Stockkäfer, der
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reiche zu machen ſcheint. Er iſt an ſechs Zoll lang
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[370/0390] als eben durch ihren Dienſt erlaubt, zuweilen ein Wort mitſprechen, und ich fand wirklich nichts unter- haltender, als die Hof- und Geſellſchaftserzählungen dieſes alten Franzoſen, deſſen Welt eigentlich mit je- ner Zeit abgeſchloſſen wurde, ſo wie wir ſie uns heutzutage kaum mehr denken können. Daß der ei- genthümliche Alte nur ein Haushofmeiſter iſt, macht keinen Unterſchied, denn er hat in ſeinem Leben beſ- ſer beobachtet, und vielleicht mehr von der großen Welt geſehen, als gar viele Vornehme. Als ich dieſen Morgen Lady W. beſuchte, hatte ei- ner ihrer Söhne, der in Südamerika reiſt, eben einen großen Transport merkwürdiger Sachen geſchickt, worunter ſich ein lebendes Löwenäffchen befand, mit Kopf und Mähne des Königs der Thiere bei einer Taille, die kaum die Größe einer Ratte erreicht. Statt des üblen Geruchs der Affen duftet dieſer im Gegentheil nach Zimmt und Moſchus, und parfumirt das ganze Zimmer wie ein Räucherkerzchen, gleich dem neulich erwähnten Ritter. Eine der vollſtändigſten Sammlungen Colibris boten Farben dar, wie ſie nur die Sonne bei Auf- und Untergang am Himmel malt, eben ſo wie die reiche Schmetterlings-Sammlung mit mehrern ganz neuen Exemplaren. Unter andern Inſekten ſah ich hier zum erſtenmal den ſogenannten Stockkäfer, der den Uebergang zwiſchen dem Pflanzen- und Thier- reiche zu machen ſcheint. Er iſt an ſechs Zoll lang und von einem blätterloſen Ulmenzweig mit kleinen

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 370. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/390>, abgerufen am 28.03.2024.