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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831.

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macks-Ball entstand eine solche Bagarre unter ihnen,
daß mehrere Damen Stunden lang warten mußten,
ehe sich das Chaos entwickelte. Die Kutscher beneh-
men sich bei solchen Gelegenheiten wie unsinnig, um
vorzudringen, und die Polizei bekümmert sich nicht
um dergleichen in England. So wie diese heroischen
Wagenlenker die kleinste Oeffnung vor sich sehen, peit-
schen sie ihre Pferde hinein, als wären Pferde und
Wagen ein eiserner Keil. Beider Erhaltung wird für
nichts geachtet. Auf diese Weise war eins der Pferde
der liebenswürdigen Lady Stigo mit beiden Hinter-
beinen in das Vorderrad des Nebenwagens so ein-
gedrungen, daß es nicht mehr möglich war, es zu de-
gagiren, und eine Umdrehung des Rades ihm ohn-
fehlbar beide Knochen zermalmt haben würde. Dem-
ohngeachtet war der fremde Kutscher kaum dahin zu
bringen, still zu halten. Man mußte zuletzt, als sich
die Foule etwas geklärt, beide Pferde ausspannen,
und dann gelang es noch schwer, sie von einander
zu lösen. Während dieser Zeit brüllte das arme
Thier so laut, wie der Löwe Nero in Exeterchange. Ein
Cabriolet wurde daneben ganz zertrümmert, und fuhr
seinerseits mit den Gabeln in die Fenster einer Kutsche,
aus der das Zetergeschrei von mehreren Weiberstim-
men anzeigte, daß sie schon besetzt war. Viele andere
Wagen wurden noch beschädigt.

Nach dieser Schilderung würdest Du Gute mit
Deiner Poltronnerie Dich wohl hier nie mehr einem
Wagen anvertrauen. Sicherer war es auch gewiß zu Zei-

macks-Ball entſtand eine ſolche Bagarre unter ihnen,
daß mehrere Damen Stunden lang warten mußten,
ehe ſich das Chaos entwickelte. Die Kutſcher beneh-
men ſich bei ſolchen Gelegenheiten wie unſinnig, um
vorzudringen, und die Polizei bekümmert ſich nicht
um dergleichen in England. So wie dieſe heroiſchen
Wagenlenker die kleinſte Oeffnung vor ſich ſehen, peit-
ſchen ſie ihre Pferde hinein, als wären Pferde und
Wagen ein eiſerner Keil. Beider Erhaltung wird für
nichts geachtet. Auf dieſe Weiſe war eins der Pferde
der liebenswürdigen Lady Stigo mit beiden Hinter-
beinen in das Vorderrad des Nebenwagens ſo ein-
gedrungen, daß es nicht mehr möglich war, es zu de-
gagiren, und eine Umdrehung des Rades ihm ohn-
fehlbar beide Knochen zermalmt haben würde. Dem-
ohngeachtet war der fremde Kutſcher kaum dahin zu
bringen, ſtill zu halten. Man mußte zuletzt, als ſich
die Foule etwas geklärt, beide Pferde ausſpannen,
und dann gelang es noch ſchwer, ſie von einander
zu löſen. Während dieſer Zeit brüllte das arme
Thier ſo laut, wie der Löwe Nero in Exeterchange. Ein
Cabriolet wurde daneben ganz zertrümmert, und fuhr
ſeinerſeits mit den Gabeln in die Fenſter einer Kutſche,
aus der das Zetergeſchrei von mehreren Weiberſtim-
men anzeigte, daß ſie ſchon beſetzt war. Viele andere
Wagen wurden noch beſchädigt.

Nach dieſer Schilderung würdeſt Du Gute mit
Deiner Poltronnerie Dich wohl hier nie mehr einem
Wagen anvertrauen. Sicherer war es auch gewiß zu Zei-

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[34/0050] macks-Ball entſtand eine ſolche Bagarre unter ihnen, daß mehrere Damen Stunden lang warten mußten, ehe ſich das Chaos entwickelte. Die Kutſcher beneh- men ſich bei ſolchen Gelegenheiten wie unſinnig, um vorzudringen, und die Polizei bekümmert ſich nicht um dergleichen in England. So wie dieſe heroiſchen Wagenlenker die kleinſte Oeffnung vor ſich ſehen, peit- ſchen ſie ihre Pferde hinein, als wären Pferde und Wagen ein eiſerner Keil. Beider Erhaltung wird für nichts geachtet. Auf dieſe Weiſe war eins der Pferde der liebenswürdigen Lady Stigo mit beiden Hinter- beinen in das Vorderrad des Nebenwagens ſo ein- gedrungen, daß es nicht mehr möglich war, es zu de- gagiren, und eine Umdrehung des Rades ihm ohn- fehlbar beide Knochen zermalmt haben würde. Dem- ohngeachtet war der fremde Kutſcher kaum dahin zu bringen, ſtill zu halten. Man mußte zuletzt, als ſich die Foule etwas geklärt, beide Pferde ausſpannen, und dann gelang es noch ſchwer, ſie von einander zu löſen. Während dieſer Zeit brüllte das arme Thier ſo laut, wie der Löwe Nero in Exeterchange. Ein Cabriolet wurde daneben ganz zertrümmert, und fuhr ſeinerſeits mit den Gabeln in die Fenſter einer Kutſche, aus der das Zetergeſchrei von mehreren Weiberſtim- men anzeigte, daß ſie ſchon beſetzt war. Viele andere Wagen wurden noch beſchädigt. Nach dieſer Schilderung würdeſt Du Gute mit Deiner Poltronnerie Dich wohl hier nie mehr einem Wagen anvertrauen. Sicherer war es auch gewiß zu Zei-

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/50>, abgerufen am 29.03.2024.