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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786.

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II. Mittlere Zeiten a) 888-1235.
Mißvergnügten. Beide waren einander gegensei-
tig beförderlich, und liefen am Ende auf einerley
Hauptzweck hinaus, der kaiserlichen Macht weit
engere Gränzen zu setzen.


II.

Zu Rom lebte um diese Zeit ein Mann, dem
es vorbehalten zu seyn schien, die Isidorischen Grund-
sätze, denen es bisher noch großentheils an ihrer
Ausführung fehlte, erst recht vollkommen, und ge-
wiß noch weit über ihre eigentliche Absicht hinaus, in
Gang zu bringen. Sowohl den päbstlichen Stuhl
als alle Bischöfe und Erzbischöfe ohne Ausnahme,
ja den gesammten geistlichen Stand aus aller Ab-
hängigkeit vom Kaiser und von allen weltlichen
Mächten los zu machen; den weltlichen Stand
hingegen, vom Bauern bis zum Monarchen hin-
auf, in völlige Unterwürfigkeit unter die geistliche
Gewalt zu setzen; das war das Hauptziel aller
Entwürfe, die Hildebrand schon von langer Hand
machte, da er anfangs nur noch als Rathgeber
anderer Päbste hinter dem Vorhange arbeitete, bis
er zuletzt den päbstlichen Stuhl selbst bestieg, und
nunmehr als Gregor der VII. erst überall recht
die letzte Hand anlegte.


III.

Das erste, was in dieser Absicht vorbereitet
werden mußte, betraf selbst die Pabstwahl. Um
diese Wahl erst bloß in geistliche Hände zu brin-
gen, erschien vorerst schon im Jahre 1059. eine
Verordnung, die den Weg dazu bahnte, daß nicht,
wie bisher, das Volk und die gesammte Geistlich-
keit zu Rom, sondern nur die Cardinäle (so nannte
man in der Folge diejenigen Prälaten, die als Bi-
schöfe zu der Römischen Kirche eignem Sprengel

gehör-

II. Mittlere Zeiten a) 888-1235.
Mißvergnuͤgten. Beide waren einander gegenſei-
tig befoͤrderlich, und liefen am Ende auf einerley
Hauptzweck hinaus, der kaiſerlichen Macht weit
engere Graͤnzen zu ſetzen.


II.

Zu Rom lebte um dieſe Zeit ein Mann, dem
es vorbehalten zu ſeyn ſchien, die Iſidoriſchen Grund-
ſaͤtze, denen es bisher noch großentheils an ihrer
Ausfuͤhrung fehlte, erſt recht vollkommen, und ge-
wiß noch weit uͤber ihre eigentliche Abſicht hinaus, in
Gang zu bringen. Sowohl den paͤbſtlichen Stuhl
als alle Biſchoͤfe und Erzbiſchoͤfe ohne Ausnahme,
ja den geſammten geiſtlichen Stand aus aller Ab-
haͤngigkeit vom Kaiſer und von allen weltlichen
Maͤchten los zu machen; den weltlichen Stand
hingegen, vom Bauern bis zum Monarchen hin-
auf, in voͤllige Unterwuͤrfigkeit unter die geiſtliche
Gewalt zu ſetzen; das war das Hauptziel aller
Entwuͤrfe, die Hildebrand ſchon von langer Hand
machte, da er anfangs nur noch als Rathgeber
anderer Paͤbſte hinter dem Vorhange arbeitete, bis
er zuletzt den paͤbſtlichen Stuhl ſelbſt beſtieg, und
nunmehr als Gregor der VII. erſt uͤberall recht
die letzte Hand anlegte.


III.

Das erſte, was in dieſer Abſicht vorbereitet
werden mußte, betraf ſelbſt die Pabſtwahl. Um
dieſe Wahl erſt bloß in geiſtliche Haͤnde zu brin-
gen, erſchien vorerſt ſchon im Jahre 1059. eine
Verordnung, die den Weg dazu bahnte, daß nicht,
wie bisher, das Volk und die geſammte Geiſtlich-
keit zu Rom, ſondern nur die Cardinaͤle (ſo nannte
man in der Folge diejenigen Praͤlaten, die als Bi-
ſchoͤfe zu der Roͤmiſchen Kirche eignem Sprengel

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[142/0176] II. Mittlere Zeiten a) 888-1235. Mißvergnuͤgten. Beide waren einander gegenſei- tig befoͤrderlich, und liefen am Ende auf einerley Hauptzweck hinaus, der kaiſerlichen Macht weit engere Graͤnzen zu ſetzen. Zu Rom lebte um dieſe Zeit ein Mann, dem es vorbehalten zu ſeyn ſchien, die Iſidoriſchen Grund- ſaͤtze, denen es bisher noch großentheils an ihrer Ausfuͤhrung fehlte, erſt recht vollkommen, und ge- wiß noch weit uͤber ihre eigentliche Abſicht hinaus, in Gang zu bringen. Sowohl den paͤbſtlichen Stuhl als alle Biſchoͤfe und Erzbiſchoͤfe ohne Ausnahme, ja den geſammten geiſtlichen Stand aus aller Ab- haͤngigkeit vom Kaiſer und von allen weltlichen Maͤchten los zu machen; den weltlichen Stand hingegen, vom Bauern bis zum Monarchen hin- auf, in voͤllige Unterwuͤrfigkeit unter die geiſtliche Gewalt zu ſetzen; das war das Hauptziel aller Entwuͤrfe, die Hildebrand ſchon von langer Hand machte, da er anfangs nur noch als Rathgeber anderer Paͤbſte hinter dem Vorhange arbeitete, bis er zuletzt den paͤbſtlichen Stuhl ſelbſt beſtieg, und nunmehr als Gregor der VII. erſt uͤberall recht die letzte Hand anlegte. Das erſte, was in dieſer Abſicht vorbereitet werden mußte, betraf ſelbſt die Pabſtwahl. Um dieſe Wahl erſt bloß in geiſtliche Haͤnde zu brin- gen, erſchien vorerſt ſchon im Jahre 1059. eine Verordnung, die den Weg dazu bahnte, daß nicht, wie bisher, das Volk und die geſammte Geiſtlich- keit zu Rom, ſondern nur die Cardinaͤle (ſo nannte man in der Folge diejenigen Praͤlaten, die als Bi- ſchoͤfe zu der Roͤmiſchen Kirche eignem Sprengel gehoͤr-

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Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786/176>, abgerufen am 24.04.2024.