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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786.

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II. Mittlere Zeiten a) 888-1235.
In der That ist dieses Concordat auch noch immer
als eines der ersten Grundgesetze anzusehen, die
noch bis auf den heutigen Tag ihre Wirksamkeit
behalten haben; eben deswegen noch jetzt der Mühe
werth, näher erkannt zu werden; obgleich nicht
alles mehr nach dem ersten ursprünglichen Sinne
desselben in würklicher Uebung ist.


II.

Die Belehnung mit Ring und Stab, als
geistlichen Sinnbildern der Vermählung eines Bi-
schofs mit der Kirche und der hirtenmäßigen Pflege
derselben, mußte der Kaiser gänzlich fahren las-
sen (a); wie bis jetzt weder der Kaiser noch irgend
eine andere catholische weltliche Macht dergleichen
mehr in Uebung hat. Weil aber unsere Teutsche
Prälaten zugleich Land und Leute mit Regalien be-
sitzen, die sie vom Kaiser zu Lehn tragen; so sollte
jeder erwehlter Bischof darüber die Belehnung mit-
telst eines Scepters vom Kaiser empfangen (b). --
Ich sage, jeder erwehlter Bischof. Denn diese
Wahlen sollten jedem Stifte frey bleiben. Nur
sollte der Kaiser das Recht behalten, daß die Wah-
len in seiner Gegenwart geschehen müßen, (wie
noch jetzt deswegen kaiserliche Gesandten zu Bi-
schofswahlen geschickt zu werden pflegen.) Und
dann sollte der Kaiser, wenn eine Wahl streitig
ausfiele, solche Streitigkeiten mit Zuziehung des

Erz-
(a) "Ego Henricus -- dimitto -- (hieß es)
omnem inuestituram per annulum et baculum, et
concedo in omnibus ecclesiis -- fieri electionem
et liberam consecrationem
.
"
(b) "Electus -- regalia per sceptrum a te re-
cipiat.
" So erklärte sich hinwiederum Calixt ge-
gen Henrich den V.

II. Mittlere Zeiten a) 888-1235.
In der That iſt dieſes Concordat auch noch immer
als eines der erſten Grundgeſetze anzuſehen, die
noch bis auf den heutigen Tag ihre Wirkſamkeit
behalten haben; eben deswegen noch jetzt der Muͤhe
werth, naͤher erkannt zu werden; obgleich nicht
alles mehr nach dem erſten urſpruͤnglichen Sinne
deſſelben in wuͤrklicher Uebung iſt.


II.

Die Belehnung mit Ring und Stab, als
geiſtlichen Sinnbildern der Vermaͤhlung eines Bi-
ſchofs mit der Kirche und der hirtenmaͤßigen Pflege
derſelben, mußte der Kaiſer gaͤnzlich fahren laſ-
ſen (a); wie bis jetzt weder der Kaiſer noch irgend
eine andere catholiſche weltliche Macht dergleichen
mehr in Uebung hat. Weil aber unſere Teutſche
Praͤlaten zugleich Land und Leute mit Regalien be-
ſitzen, die ſie vom Kaiſer zu Lehn tragen; ſo ſollte
jeder erwehlter Biſchof daruͤber die Belehnung mit-
telſt eines Scepters vom Kaiſer empfangen (b). —
Ich ſage, jeder erwehlter Biſchof. Denn dieſe
Wahlen ſollten jedem Stifte frey bleiben. Nur
ſollte der Kaiſer das Recht behalten, daß die Wah-
len in ſeiner Gegenwart geſchehen muͤßen, (wie
noch jetzt deswegen kaiſerliche Geſandten zu Bi-
ſchofswahlen geſchickt zu werden pflegen.) Und
dann ſollte der Kaiſer, wenn eine Wahl ſtreitig
ausfiele, ſolche Streitigkeiten mit Zuziehung des

Erz-
(a)Ego Henricus — dimitto — (hieß es)
omnem inueſtituram per annulum et baculum, et
concedo in omnibus eccleſiis — fieri electionem
et liberam conſecrationem
.
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cipiat.
” So erklaͤrte ſich hinwiederum Calixt ge-
gen Henrich den V.
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[152/0186] II. Mittlere Zeiten a) 888-1235. In der That iſt dieſes Concordat auch noch immer als eines der erſten Grundgeſetze anzuſehen, die noch bis auf den heutigen Tag ihre Wirkſamkeit behalten haben; eben deswegen noch jetzt der Muͤhe werth, naͤher erkannt zu werden; obgleich nicht alles mehr nach dem erſten urſpruͤnglichen Sinne deſſelben in wuͤrklicher Uebung iſt. Die Belehnung mit Ring und Stab, als geiſtlichen Sinnbildern der Vermaͤhlung eines Bi- ſchofs mit der Kirche und der hirtenmaͤßigen Pflege derſelben, mußte der Kaiſer gaͤnzlich fahren laſ- ſen (a); wie bis jetzt weder der Kaiſer noch irgend eine andere catholiſche weltliche Macht dergleichen mehr in Uebung hat. Weil aber unſere Teutſche Praͤlaten zugleich Land und Leute mit Regalien be- ſitzen, die ſie vom Kaiſer zu Lehn tragen; ſo ſollte jeder erwehlter Biſchof daruͤber die Belehnung mit- telſt eines Scepters vom Kaiſer empfangen (b). — Ich ſage, jeder erwehlter Biſchof. Denn dieſe Wahlen ſollten jedem Stifte frey bleiben. Nur ſollte der Kaiſer das Recht behalten, daß die Wah- len in ſeiner Gegenwart geſchehen muͤßen, (wie noch jetzt deswegen kaiſerliche Geſandten zu Bi- ſchofswahlen geſchickt zu werden pflegen.) Und dann ſollte der Kaiſer, wenn eine Wahl ſtreitig ausfiele, ſolche Streitigkeiten mit Zuziehung des Erz- (a) ”Ego Henricus — dimitto — (hieß es) omnem inueſtituram per annulum et baculum, et concedo in omnibus eccleſiis — fieri electionem et liberam conſecrationem.” (b) ”Electus — regalia per ſceptrum a te re- cipiat.” So erklaͤrte ſich hinwiederum Calixt ge- gen Henrich den V.

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Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786/186>, abgerufen am 25.04.2024.