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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786.

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3) Territorialjustitzwesen.
lich, daß alle Gerichtsverfassung der niederen
Instanzen
ihren Zweck nicht erreichen konnte, so
lange die höchste Instanz nicht in Ordnung war,
an welche doch die Appellation niemanden versagt
werden konnte. Was half es also, wenn ein Reichs-
stand in seinem Lande noch so gute Gerichtsanstal-
ten traf, seinen Rechtssprüchen aber durch eine
Appellation, der es am gesetzmäßigen Ausgange
fehlte, alle Kraft benommen werden konnte? Ohne
Zweifel war das mit eine von den Betrachtungen,
welche den meisten Reichsständen den Wunsch eines
allgemeinen Landfriedens und höchsten Reichsgerichts
zuletzt immer dringender gemacht hatten, zumal
da sie die Vortheile, die ihnen selbst das Faust-
recht gewähren konnte, einsweilen zur Gnüge ge-
nutzt hatten. Kurz die Erfahrung lehrte bald, daß
das Gerichtswesen, wie eine Instanz der andern un-
tergeordnet seyn muß, sich nicht sowohl von unten
herauf, als vielmehr von oben herunter in Ord-
nung bringen laße.

Sobald das Cammergericht einmal in OrdnungII.
war, so konnte ein jeder Reichsstand mit besserem
Erfolge daran denken, nunmehr auch in seinem
Lande eine gründliche Gerichtsverfassung anzuord-
nen. Um dem Cammergerichte die möglichst größte
Vollkommenheit zu geben, hatte gewiß kein Reichs-
stand unterlaßen, bey seiner Theilnehmung an der
darüber ausgeübten Gesetzgebung das seinige mit
dazu beyzutragen, weil ein jeder es als dasjenige
Gericht ansehen mußte, das über ihn selbst und
über seine Unterthanen in der höchsten und letzten
Instanz urtheilen würde. Was war natürlicher,
als daß ein jeder Reichsstand, der sich jetzt an-

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3) Territorialjuſtitzweſen.
lich, daß alle Gerichtsverfaſſung der niederen
Inſtanzen
ihren Zweck nicht erreichen konnte, ſo
lange die hoͤchſte Inſtanz nicht in Ordnung war,
an welche doch die Appellation niemanden verſagt
werden konnte. Was half es alſo, wenn ein Reichs-
ſtand in ſeinem Lande noch ſo gute Gerichtsanſtal-
ten traf, ſeinen Rechtsſpruͤchen aber durch eine
Appellation, der es am geſetzmaͤßigen Ausgange
fehlte, alle Kraft benommen werden konnte? Ohne
Zweifel war das mit eine von den Betrachtungen,
welche den meiſten Reichsſtaͤnden den Wunſch eines
allgemeinen Landfriedens und hoͤchſten Reichsgerichts
zuletzt immer dringender gemacht hatten, zumal
da ſie die Vortheile, die ihnen ſelbſt das Fauſt-
recht gewaͤhren konnte, einsweilen zur Gnuͤge ge-
nutzt hatten. Kurz die Erfahrung lehrte bald, daß
das Gerichtsweſen, wie eine Inſtanz der andern un-
tergeordnet ſeyn muß, ſich nicht ſowohl von unten
herauf, als vielmehr von oben herunter in Ord-
nung bringen laße.

Sobald das Cammergericht einmal in OrdnungII.
war, ſo konnte ein jeder Reichsſtand mit beſſerem
Erfolge daran denken, nunmehr auch in ſeinem
Lande eine gruͤndliche Gerichtsverfaſſung anzuord-
nen. Um dem Cammergerichte die moͤglichſt groͤßte
Vollkommenheit zu geben, hatte gewiß kein Reichs-
ſtand unterlaßen, bey ſeiner Theilnehmung an der
daruͤber ausgeuͤbten Geſetzgebung das ſeinige mit
dazu beyzutragen, weil ein jeder es als dasjenige
Gericht anſehen mußte, das uͤber ihn ſelbſt und
uͤber ſeine Unterthanen in der hoͤchſten und letzten
Inſtanz urtheilen wuͤrde. Was war natuͤrlicher,
als daß ein jeder Reichsſtand, der ſich jetzt an-

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[325/0359] 3) Territorialjuſtitzweſen. lich, daß alle Gerichtsverfaſſung der niederen Inſtanzen ihren Zweck nicht erreichen konnte, ſo lange die hoͤchſte Inſtanz nicht in Ordnung war, an welche doch die Appellation niemanden verſagt werden konnte. Was half es alſo, wenn ein Reichs- ſtand in ſeinem Lande noch ſo gute Gerichtsanſtal- ten traf, ſeinen Rechtsſpruͤchen aber durch eine Appellation, der es am geſetzmaͤßigen Ausgange fehlte, alle Kraft benommen werden konnte? Ohne Zweifel war das mit eine von den Betrachtungen, welche den meiſten Reichsſtaͤnden den Wunſch eines allgemeinen Landfriedens und hoͤchſten Reichsgerichts zuletzt immer dringender gemacht hatten, zumal da ſie die Vortheile, die ihnen ſelbſt das Fauſt- recht gewaͤhren konnte, einsweilen zur Gnuͤge ge- nutzt hatten. Kurz die Erfahrung lehrte bald, daß das Gerichtsweſen, wie eine Inſtanz der andern un- tergeordnet ſeyn muß, ſich nicht ſowohl von unten herauf, als vielmehr von oben herunter in Ord- nung bringen laße. Sobald das Cammergericht einmal in Ordnung war, ſo konnte ein jeder Reichsſtand mit beſſerem Erfolge daran denken, nunmehr auch in ſeinem Lande eine gruͤndliche Gerichtsverfaſſung anzuord- nen. Um dem Cammergerichte die moͤglichſt groͤßte Vollkommenheit zu geben, hatte gewiß kein Reichs- ſtand unterlaßen, bey ſeiner Theilnehmung an der daruͤber ausgeuͤbten Geſetzgebung das ſeinige mit dazu beyzutragen, weil ein jeder es als dasjenige Gericht anſehen mußte, das uͤber ihn ſelbſt und uͤber ſeine Unterthanen in der hoͤchſten und letzten Inſtanz urtheilen wuͤrde. Was war natuͤrlicher, als daß ein jeder Reichsſtand, der ſich jetzt an- gele- II. X 3

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Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786, S. 325. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786/359>, abgerufen am 19.04.2024.