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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786.

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5) D. Luther 1517-1519.
zu rügen, den zwar ein jeder, wer nur mit eini-
ger Aufklärung darüber nachdachte, für Miß-
brauch erkennen mußte, von dem aber vorauszu-
sehen war, daß ihn der päbstliche Hof und alle,
die bisher damit zu thun gehabt hatten, ungern
würden fahren laßen, weil er -- über alle Maaßen
einträglich war.

Schon seit mehreren Jahrhunderten war manII.
darauf gefallen, daß Kirchenbußen, die ein Beicht-
vater seinem Beichtkinde aufgelegt hatte, z. B.
auf eine gewisse Anzahl Tage zu fasten, soviel
Gebete zu verrichten u. d. g. nach Befinden von
Bischöfen oder Päbsten in eine Auflage anderer
guten Werke verwandelt, oder gar nachgelaßen wer-
den könnten. Bischöfen sollte eigentlich nur gestat-
tet werden, bey Kirchweihfesten Ablaß von 40. Ta-
gen zu verkündigen (n). Die Päbste eigneten sich
aber auch hierin eine unbeschränkte Machtvollkom-
menheit zu, auf mehrere Jahre, oder gar ins un-
endliche, ganz vollkommenen Ablaß zu ertheilen.
Insonderheit hatten sie es bey den Kreuzzügen in
Gang gebracht, daß denen, die auch nur mit
hülfreicher Handleistung durch Geldbeyträge (manus
adiutrices
) Theil daran nähmen, ein ungemesse-
ner Ablaß zu gute kommen solle. Ursprünglich
mochte das alles allerdings nur auf Nachlaß äußer-
licher Kirchenbußen gemeynt seyn. Allein der ge-
meine Mann nahm es bald für Nachlaß der Sün-
denschuld selbst. Endlich ward selbst aus folgen-
den Sätzen ein ganz neues Lehrgebäude aufgestellet:

Zur
(n) Cap. 14. X. de poenitentiis et remissionibus
von Innocenz dem III. 1214.
Y 4

5) D. Luther 1517-1519.
zu ruͤgen, den zwar ein jeder, wer nur mit eini-
ger Aufklaͤrung daruͤber nachdachte, fuͤr Miß-
brauch erkennen mußte, von dem aber vorauszu-
ſehen war, daß ihn der paͤbſtliche Hof und alle,
die bisher damit zu thun gehabt hatten, ungern
wuͤrden fahren laßen, weil er — uͤber alle Maaßen
eintraͤglich war.

Schon ſeit mehreren Jahrhunderten war manII.
darauf gefallen, daß Kirchenbußen, die ein Beicht-
vater ſeinem Beichtkinde aufgelegt hatte, z. B.
auf eine gewiſſe Anzahl Tage zu faſten, ſoviel
Gebete zu verrichten u. d. g. nach Befinden von
Biſchoͤfen oder Paͤbſten in eine Auflage anderer
guten Werke verwandelt, oder gar nachgelaßen wer-
den koͤnnten. Biſchoͤfen ſollte eigentlich nur geſtat-
tet werden, bey Kirchweihfeſten Ablaß von 40. Ta-
gen zu verkuͤndigen (n). Die Paͤbſte eigneten ſich
aber auch hierin eine unbeſchraͤnkte Machtvollkom-
menheit zu, auf mehrere Jahre, oder gar ins un-
endliche, ganz vollkommenen Ablaß zu ertheilen.
Inſonderheit hatten ſie es bey den Kreuzzuͤgen in
Gang gebracht, daß denen, die auch nur mit
huͤlfreicher Handleiſtung durch Geldbeytraͤge (manus
adiutrices
) Theil daran naͤhmen, ein ungemeſſe-
ner Ablaß zu gute kommen ſolle. Urſpruͤnglich
mochte das alles allerdings nur auf Nachlaß aͤußer-
licher Kirchenbußen gemeynt ſeyn. Allein der ge-
meine Mann nahm es bald fuͤr Nachlaß der Suͤn-
denſchuld ſelbſt. Endlich ward ſelbſt aus folgen-
den Saͤtzen ein ganz neues Lehrgebaͤude aufgeſtellet:

Zur
(n) Cap. 14. X. de poenitentiis et remiſſionibus
von Innocenz dem III. 1214.
Y 4
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[343/0377] 5) D. Luther 1517-1519. zu ruͤgen, den zwar ein jeder, wer nur mit eini- ger Aufklaͤrung daruͤber nachdachte, fuͤr Miß- brauch erkennen mußte, von dem aber vorauszu- ſehen war, daß ihn der paͤbſtliche Hof und alle, die bisher damit zu thun gehabt hatten, ungern wuͤrden fahren laßen, weil er — uͤber alle Maaßen eintraͤglich war. Schon ſeit mehreren Jahrhunderten war man darauf gefallen, daß Kirchenbußen, die ein Beicht- vater ſeinem Beichtkinde aufgelegt hatte, z. B. auf eine gewiſſe Anzahl Tage zu faſten, ſoviel Gebete zu verrichten u. d. g. nach Befinden von Biſchoͤfen oder Paͤbſten in eine Auflage anderer guten Werke verwandelt, oder gar nachgelaßen wer- den koͤnnten. Biſchoͤfen ſollte eigentlich nur geſtat- tet werden, bey Kirchweihfeſten Ablaß von 40. Ta- gen zu verkuͤndigen (n). Die Paͤbſte eigneten ſich aber auch hierin eine unbeſchraͤnkte Machtvollkom- menheit zu, auf mehrere Jahre, oder gar ins un- endliche, ganz vollkommenen Ablaß zu ertheilen. Inſonderheit hatten ſie es bey den Kreuzzuͤgen in Gang gebracht, daß denen, die auch nur mit huͤlfreicher Handleiſtung durch Geldbeytraͤge (manus adiutrices) Theil daran naͤhmen, ein ungemeſſe- ner Ablaß zu gute kommen ſolle. Urſpruͤnglich mochte das alles allerdings nur auf Nachlaß aͤußer- licher Kirchenbußen gemeynt ſeyn. Allein der ge- meine Mann nahm es bald fuͤr Nachlaß der Suͤn- denſchuld ſelbſt. Endlich ward ſelbſt aus folgen- den Saͤtzen ein ganz neues Lehrgebaͤude aufgeſtellet: Zur II. (n) Cap. 14. X. de poenitentiis et remiſſionibus von Innocenz dem III. 1214. Y 4

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Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786, S. 343. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786/377>, abgerufen am 19.04.2024.