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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786.

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3) Religionsbegebenheiten 1525.
auch der Landgraf Philipp von Hessen sich öffent-
lich für die Reformation erklärte. In beiden Län-
dern war es von Seiten der Unterthanen, wenig-
stens vom ungleich größten Theile derselben, schon
der allgemeine Wunsch, daß eine andere Kirchen-
verfassung gemacht werden möchte. Von den bis-
herigen geistlichen Oberen, Pabste, Bischöfen und
Erzbischöfen war dergleichen nicht zu erwarten.
Ohne Zuthun der Landesobrigkeit konnte in guter
Ordnung und mit zu hoffendem Bestande nichts
füglich unternommen werden. Jetzt aber, da Lan-
desherrschaft und Landstände und Unterthanen un-
ter einander gleiche Gesinnungen wahrnahmen, was
konnte sie da länger zurückhalten, sowohl dem
Pabste als den demselben zugethan bleibenden Bi-
schöfen und Erzbischöfen den Gehorsam, mit dem
sich ihr Gewissen nicht mehr vereinigen ließ, auf-
zukündigen, und unter sich einer neuen Kirchen-
verfassung sich zu vereinbaren?

Ganz natürlich war es, daß in einem jedenII.
Lande, wo Herren und Unterthanen sich zu glei-
chen Religionsgesinnungen bekannten, alles unter
Anführung und Aufsicht des Landesherrn geschah.
In vielen Dingen, wo man bisher gewohnt ge-
wesen war, nur päbstliche und bischöfliche Befehle
zu befolgen, hatte es keine Schwierigkeit, jetzt vom
Landesherrn Vorschriften anzunehmen. In so weit
konnte ein evangelischer Landesherr mit guter Ein-
willigung seiner Landstände und Unterthanen jetzt
zum Besitze bisheriger bischöflicher und päbstlicher
Rechte gelangen, so weit solche ohne Gewissens-
zwang statt finden konnten, oder gar nur unrecht-
mäßig bisher der weltlichen höchsten Gewalt ent-

zogen
A a 3

3) Religionsbegebenheiten 1525.
auch der Landgraf Philipp von Heſſen ſich oͤffent-
lich fuͤr die Reformation erklaͤrte. In beiden Laͤn-
dern war es von Seiten der Unterthanen, wenig-
ſtens vom ungleich groͤßten Theile derſelben, ſchon
der allgemeine Wunſch, daß eine andere Kirchen-
verfaſſung gemacht werden moͤchte. Von den bis-
herigen geiſtlichen Oberen, Pabſte, Biſchoͤfen und
Erzbiſchoͤfen war dergleichen nicht zu erwarten.
Ohne Zuthun der Landesobrigkeit konnte in guter
Ordnung und mit zu hoffendem Beſtande nichts
fuͤglich unternommen werden. Jetzt aber, da Lan-
desherrſchaft und Landſtaͤnde und Unterthanen un-
ter einander gleiche Geſinnungen wahrnahmen, was
konnte ſie da laͤnger zuruͤckhalten, ſowohl dem
Pabſte als den demſelben zugethan bleibenden Bi-
ſchoͤfen und Erzbiſchoͤfen den Gehorſam, mit dem
ſich ihr Gewiſſen nicht mehr vereinigen ließ, auf-
zukuͤndigen, und unter ſich einer neuen Kirchen-
verfaſſung ſich zu vereinbaren?

Ganz natuͤrlich war es, daß in einem jedenII.
Lande, wo Herren und Unterthanen ſich zu glei-
chen Religionsgeſinnungen bekannten, alles unter
Anfuͤhrung und Aufſicht des Landesherrn geſchah.
In vielen Dingen, wo man bisher gewohnt ge-
weſen war, nur paͤbſtliche und biſchoͤfliche Befehle
zu befolgen, hatte es keine Schwierigkeit, jetzt vom
Landesherrn Vorſchriften anzunehmen. In ſo weit
konnte ein evangeliſcher Landesherr mit guter Ein-
willigung ſeiner Landſtaͤnde und Unterthanen jetzt
zum Beſitze bisheriger biſchoͤflicher und paͤbſtlicher
Rechte gelangen, ſo weit ſolche ohne Gewiſſens-
zwang ſtatt finden konnten, oder gar nur unrecht-
maͤßig bisher der weltlichen hoͤchſten Gewalt ent-

zogen
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[373/0407] 3) Religionsbegebenheiten 1525. auch der Landgraf Philipp von Heſſen ſich oͤffent- lich fuͤr die Reformation erklaͤrte. In beiden Laͤn- dern war es von Seiten der Unterthanen, wenig- ſtens vom ungleich groͤßten Theile derſelben, ſchon der allgemeine Wunſch, daß eine andere Kirchen- verfaſſung gemacht werden moͤchte. Von den bis- herigen geiſtlichen Oberen, Pabſte, Biſchoͤfen und Erzbiſchoͤfen war dergleichen nicht zu erwarten. Ohne Zuthun der Landesobrigkeit konnte in guter Ordnung und mit zu hoffendem Beſtande nichts fuͤglich unternommen werden. Jetzt aber, da Lan- desherrſchaft und Landſtaͤnde und Unterthanen un- ter einander gleiche Geſinnungen wahrnahmen, was konnte ſie da laͤnger zuruͤckhalten, ſowohl dem Pabſte als den demſelben zugethan bleibenden Bi- ſchoͤfen und Erzbiſchoͤfen den Gehorſam, mit dem ſich ihr Gewiſſen nicht mehr vereinigen ließ, auf- zukuͤndigen, und unter ſich einer neuen Kirchen- verfaſſung ſich zu vereinbaren? Ganz natuͤrlich war es, daß in einem jeden Lande, wo Herren und Unterthanen ſich zu glei- chen Religionsgeſinnungen bekannten, alles unter Anfuͤhrung und Aufſicht des Landesherrn geſchah. In vielen Dingen, wo man bisher gewohnt ge- weſen war, nur paͤbſtliche und biſchoͤfliche Befehle zu befolgen, hatte es keine Schwierigkeit, jetzt vom Landesherrn Vorſchriften anzunehmen. In ſo weit konnte ein evangeliſcher Landesherr mit guter Ein- willigung ſeiner Landſtaͤnde und Unterthanen jetzt zum Beſitze bisheriger biſchoͤflicher und paͤbſtlicher Rechte gelangen, ſo weit ſolche ohne Gewiſſens- zwang ſtatt finden konnten, oder gar nur unrecht- maͤßig bisher der weltlichen hoͤchſten Gewalt ent- zogen II. A a 3

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Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786, S. 373. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786/407>, abgerufen am 24.04.2024.