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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786.

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V. Neuere Zeit. Carl V. 1519-1558.


VI.
Hauptinhalt des Religionsfriedens 1555., das
gegenseitige Verhalten der verschiedenen Reli-
gionsverwandten überhaupt betreffend.


I. Ohne noch die Hoffnung zu einer Vereinigung der
Religionen selbst aufzugeben, ward doch der Friede auf ewig
geschlossen. -- II. III. Catholische und evangelische Stände
sollten der Religion halber einander nicht verfolgen noch
verächtlich halten. -- IV. Auch in Reichsstädten sollte ein
Religionstheil den andern in Ruhe laßen. -- V. Das war
der wahre Geist des Religionsfriedens. -- VI. Aber beym
hierarchischen Systeme war es schwer, den Geist der Duldung
und brüderlichen Betragens einzuführen, -- VII. und die
irrige Vorstellung vom Verhältniß einer herrschenden Kirche
zu fremden bloß aus Gnaden aufgenommenen Religionsver-
wandten hier zu entfernen. -- Hier war ein ganz anderer
Fall, da ein Theil der Nation seine Gesinnungen in Anse-
hung der Religion geändert hatte; -- VIII. ohne doch den
Pflichten gegen den Staat Abbruch zu thun. -- IX. Selbst
evangelischen Unterthanen catholischer Landesherren hatte des-
wegen eine Erklärung des Römischen Königs ihre Religions-
übung billig gesichert. -- X. Aber im Religionsfrieden
selbst war nur der gegenseitige freye Ab- und Zuzug der
Unterthanen ausbedungen.



I.

Bey Schließung des Religionsfriedens ließ man
zwar den Gedanken noch nicht ganz fahren,
daß durch ein Generalconcilium, oder auch allen-
falls nur durch eine Nationalversammlung, oder
durch Colloquien oder Reichshandlungen noch eine
Möglichkeit seyn möchte, über die Religion und
Kirchengebräuche selber noch zu einer Vereinigung
zu gelangen. Wenn das aber auch nicht geschä-
he; sollte es doch bey diesem Frieden in alle
Wege, als einem beständigen, beharrlichen, unbe-
dingten, für und ewig währenden Frieden bleiben.


Es
V. Neuere Zeit. Carl V. 1519-1558.


VI.
Hauptinhalt des Religionsfriedens 1555., das
gegenſeitige Verhalten der verſchiedenen Reli-
gionsverwandten uͤberhaupt betreffend.


I. Ohne noch die Hoffnung zu einer Vereinigung der
Religionen ſelbſt aufzugeben, ward doch der Friede auf ewig
geſchloſſen. — II. III. Catholiſche und evangeliſche Staͤnde
ſollten der Religion halber einander nicht verfolgen noch
veraͤchtlich halten. — IV. Auch in Reichsſtaͤdten ſollte ein
Religionstheil den andern in Ruhe laßen. — V. Das war
der wahre Geiſt des Religionsfriedens. — VI. Aber beym
hierarchiſchen Syſteme war es ſchwer, den Geiſt der Duldung
und bruͤderlichen Betragens einzufuͤhren, — VII. und die
irrige Vorſtellung vom Verhaͤltniß einer herrſchenden Kirche
zu fremden bloß aus Gnaden aufgenommenen Religionsver-
wandten hier zu entfernen. — Hier war ein ganz anderer
Fall, da ein Theil der Nation ſeine Geſinnungen in Anſe-
hung der Religion geaͤndert hatte; — VIII. ohne doch den
Pflichten gegen den Staat Abbruch zu thun. — IX. Selbſt
evangeliſchen Unterthanen catholiſcher Landesherren hatte des-
wegen eine Erklaͤrung des Roͤmiſchen Koͤnigs ihre Religions-
uͤbung billig geſichert. — X. Aber im Religionsfrieden
ſelbſt war nur der gegenſeitige freye Ab- und Zuzug der
Unterthanen ausbedungen.



I.

Bey Schließung des Religionsfriedens ließ man
zwar den Gedanken noch nicht ganz fahren,
daß durch ein Generalconcilium, oder auch allen-
falls nur durch eine Nationalverſammlung, oder
durch Colloquien oder Reichshandlungen noch eine
Moͤglichkeit ſeyn moͤchte, uͤber die Religion und
Kirchengebraͤuche ſelber noch zu einer Vereinigung
zu gelangen. Wenn das aber auch nicht geſchaͤ-
he; ſollte es doch bey dieſem Frieden in alle
Wege, als einem beſtaͤndigen, beharrlichen, unbe-
dingten, fuͤr und ewig waͤhrenden Frieden bleiben.


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[406/0440] V. Neuere Zeit. Carl V. 1519-1558. VI. Hauptinhalt des Religionsfriedens 1555., das gegenſeitige Verhalten der verſchiedenen Reli- gionsverwandten uͤberhaupt betreffend. I. Ohne noch die Hoffnung zu einer Vereinigung der Religionen ſelbſt aufzugeben, ward doch der Friede auf ewig geſchloſſen. — II. III. Catholiſche und evangeliſche Staͤnde ſollten der Religion halber einander nicht verfolgen noch veraͤchtlich halten. — IV. Auch in Reichsſtaͤdten ſollte ein Religionstheil den andern in Ruhe laßen. — V. Das war der wahre Geiſt des Religionsfriedens. — VI. Aber beym hierarchiſchen Syſteme war es ſchwer, den Geiſt der Duldung und bruͤderlichen Betragens einzufuͤhren, — VII. und die irrige Vorſtellung vom Verhaͤltniß einer herrſchenden Kirche zu fremden bloß aus Gnaden aufgenommenen Religionsver- wandten hier zu entfernen. — Hier war ein ganz anderer Fall, da ein Theil der Nation ſeine Geſinnungen in Anſe- hung der Religion geaͤndert hatte; — VIII. ohne doch den Pflichten gegen den Staat Abbruch zu thun. — IX. Selbſt evangeliſchen Unterthanen catholiſcher Landesherren hatte des- wegen eine Erklaͤrung des Roͤmiſchen Koͤnigs ihre Religions- uͤbung billig geſichert. — X. Aber im Religionsfrieden ſelbſt war nur der gegenſeitige freye Ab- und Zuzug der Unterthanen ausbedungen. Bey Schließung des Religionsfriedens ließ man zwar den Gedanken noch nicht ganz fahren, daß durch ein Generalconcilium, oder auch allen- falls nur durch eine Nationalverſammlung, oder durch Colloquien oder Reichshandlungen noch eine Moͤglichkeit ſeyn moͤchte, uͤber die Religion und Kirchengebraͤuche ſelber noch zu einer Vereinigung zu gelangen. Wenn das aber auch nicht geſchaͤ- he; ſollte es doch bey dieſem Frieden in alle Wege, als einem beſtaͤndigen, beharrlichen, unbe- dingten, fuͤr und ewig waͤhrenden Frieden bleiben. Es

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Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786, S. 406. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786/440>, abgerufen am 28.03.2024.