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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786.

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6) Veränd. in der Pfalz 1685-1697.
300. tausend Scudi von allen Ansprüchen zu ent-
binden sey.

Ein anderer Streit ward dem Hause Pfalzneu-IX.
burg anfangs selbst wegen der Nachfolge in der
Chur
erregt, den der König in Frankreich eben-
falls unterstützte. Es fügte sich nehmlich, daß zu
der Zeit, als der Churfürst Carl 1685. starb, un-
ter den übrigen Herren des Pfälzischen Hauses der
Pfalzgraf Leopold Ludewig von Veldenz dem letzt-
verstorbenen Churfürsten noch einen Grad näher
war, als der Pfalzgraf Philipp Wilhelm von Neu-
burg. Dieses würde ihm, wenn es bloß den ge-
meinen Römischen Rechten nachgegangen wäre,
einen unstreitigen Vorzug gegeben haben. Allein
nach dem Rechte der Erstgebuhrt gilt nur der Grund-
satz: daß kein Nachgebohrner, oder wer von ei-
nem Nachgebohrnen abstammt, zur Succession ge-
langen kann, so lange noch ein vorher gebohrner,
oder einer, der von demselben abstammt, vorhan-
den ist. Vermöge dieses Grundsatzes kömmt keine
persönlich nähere Verwandtschaft des Grades in
Betrachtung, sondern jede ältere Linie behält, so
lange jemand von ihr vorhanden ist, den Vorzug
vor der jüngern Linie. Diese Linealsuccession wur-
de bey dieser Gelegenheit in verschiedenen Schriften
näher, als bisher geschehen war, ausgeführt.
Damit scheint auch für die folgende Zeit der Scru-
pel gehoben zu seyn, den man nach der goldenen
Bulle sich anfangs darüber gemacht hatte, ob un-
ter drey Brüdern, wovon der älteste Churfürst ge-
wesen, der zweyte aber schon vor demselben gestor-
ben war, der dritte Bruder, oder des zweyten
Sohn succediren müße? Ungeachtet es im XIV.

Jahr-

6) Veraͤnd. in der Pfalz 1685-1697.
300. tauſend Scudi von allen Anſpruͤchen zu ent-
binden ſey.

Ein anderer Streit ward dem Hauſe Pfalzneu-IX.
burg anfangs ſelbſt wegen der Nachfolge in der
Chur
erregt, den der Koͤnig in Frankreich eben-
falls unterſtuͤtzte. Es fuͤgte ſich nehmlich, daß zu
der Zeit, als der Churfuͤrſt Carl 1685. ſtarb, un-
ter den uͤbrigen Herren des Pfaͤlziſchen Hauſes der
Pfalzgraf Leopold Ludewig von Veldenz dem letzt-
verſtorbenen Churfuͤrſten noch einen Grad naͤher
war, als der Pfalzgraf Philipp Wilhelm von Neu-
burg. Dieſes wuͤrde ihm, wenn es bloß den ge-
meinen Roͤmiſchen Rechten nachgegangen waͤre,
einen unſtreitigen Vorzug gegeben haben. Allein
nach dem Rechte der Erſtgebuhrt gilt nur der Grund-
ſatz: daß kein Nachgebohrner, oder wer von ei-
nem Nachgebohrnen abſtammt, zur Succeſſion ge-
langen kann, ſo lange noch ein vorher gebohrner,
oder einer, der von demſelben abſtammt, vorhan-
den iſt. Vermoͤge dieſes Grundſatzes koͤmmt keine
perſoͤnlich naͤhere Verwandtſchaft des Grades in
Betrachtung, ſondern jede aͤltere Linie behaͤlt, ſo
lange jemand von ihr vorhanden iſt, den Vorzug
vor der juͤngern Linie. Dieſe Linealſucceſſion wur-
de bey dieſer Gelegenheit in verſchiedenen Schriften
naͤher, als bisher geſchehen war, ausgefuͤhrt.
Damit ſcheint auch fuͤr die folgende Zeit der Scru-
pel gehoben zu ſeyn, den man nach der goldenen
Bulle ſich anfangs daruͤber gemacht hatte, ob un-
ter drey Bruͤdern, wovon der aͤlteſte Churfuͤrſt ge-
weſen, der zweyte aber ſchon vor demſelben geſtor-
ben war, der dritte Bruder, oder des zweyten
Sohn ſuccediren muͤße? Ungeachtet es im XIV.

Jahr-
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[317/0359] 6) Veraͤnd. in der Pfalz 1685-1697. 300. tauſend Scudi von allen Anſpruͤchen zu ent- binden ſey. Ein anderer Streit ward dem Hauſe Pfalzneu- burg anfangs ſelbſt wegen der Nachfolge in der Chur erregt, den der Koͤnig in Frankreich eben- falls unterſtuͤtzte. Es fuͤgte ſich nehmlich, daß zu der Zeit, als der Churfuͤrſt Carl 1685. ſtarb, un- ter den uͤbrigen Herren des Pfaͤlziſchen Hauſes der Pfalzgraf Leopold Ludewig von Veldenz dem letzt- verſtorbenen Churfuͤrſten noch einen Grad naͤher war, als der Pfalzgraf Philipp Wilhelm von Neu- burg. Dieſes wuͤrde ihm, wenn es bloß den ge- meinen Roͤmiſchen Rechten nachgegangen waͤre, einen unſtreitigen Vorzug gegeben haben. Allein nach dem Rechte der Erſtgebuhrt gilt nur der Grund- ſatz: daß kein Nachgebohrner, oder wer von ei- nem Nachgebohrnen abſtammt, zur Succeſſion ge- langen kann, ſo lange noch ein vorher gebohrner, oder einer, der von demſelben abſtammt, vorhan- den iſt. Vermoͤge dieſes Grundſatzes koͤmmt keine perſoͤnlich naͤhere Verwandtſchaft des Grades in Betrachtung, ſondern jede aͤltere Linie behaͤlt, ſo lange jemand von ihr vorhanden iſt, den Vorzug vor der juͤngern Linie. Dieſe Linealſucceſſion wur- de bey dieſer Gelegenheit in verſchiedenen Schriften naͤher, als bisher geſchehen war, ausgefuͤhrt. Damit ſcheint auch fuͤr die folgende Zeit der Scru- pel gehoben zu ſeyn, den man nach der goldenen Bulle ſich anfangs daruͤber gemacht hatte, ob un- ter drey Bruͤdern, wovon der aͤlteſte Churfuͤrſt ge- weſen, der zweyte aber ſchon vor demſelben geſtor- ben war, der dritte Bruder, oder des zweyten Sohn ſuccediren muͤße? Ungeachtet es im XIV. Jahr- IX.

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Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786, S. 317. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung02_1786/359>, abgerufen am 24.04.2024.