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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786.

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8) Neue Sächs. Linien etc. 1685-1697.
daß nunmehr die Anzahl derselben so leicht wieder
vermehrt werden konnte, wie es ehedem, so lange
noch Theilungen üblicher, als die Erstgebuhrtsfol-
ge, waren, nicht ungewöhnlich gewesen war. Von
den größeren Häusern war nur noch das einzige
Haus Sachsen in dem Falle, daß es sich von neuem
in mehrere Linien vertheilte; und zwar in seinen
beiden Hauptstämmen sowohl der Albrechtischen
nunmehrigen Churlinie, als der Ernstischen her-
zoglichen Linie.

In der Albrechtischen Linie des Hauses SachsenII.
hatte der Churfürst Johann Georg der I. im Jah-
re 1652. ein Testament errichtet, und 1653. noch
einen Codicill hinzugefügt, worin ein nur von Rö-
mischen Rechtssätzen eingenommener Rechtsgelehr-
ter die Feder geführt hatte. Da brauchte es frey-
lich sonderbare Wendungen, wenn das Recht der
Erstgebuhrt statt finden, und doch das Succes-
sionssystem des Römischen Rechts, das jener Erb-
folgsart durchaus zuwider ist, nur einigermaßen
aufrecht erhalten werden sollte. Die Einleitung
wurde also so gemacht, daß der Churfürst zwar alle
seine Söhne (honorabili institutionis titulo) zu
Erben einsetzte, auch würklich einem jeden nachge-
bohrnen Sohne ein gewisses Stück Landes anwies,
jedoch so, daß, wenn gleich der jüngeren Söhne
Antheil den Pflichttheil der gemeinen Rechte nicht
erreichte, noch ein Theil dem andern völlig gleich
seyn möchte, sie dennoch durch Prätensionen der
Ergänzung des Pflichttheils weder unter sich selbst
Streit erregen, noch den Churprinzen deswegen
belangen sollten, besonders in Ansehung der über-
aus großen churfürstlichen Cammerschulden und

der
X 3

8) Neue Saͤchſ. Linien ꝛc. 1685-1697.
daß nunmehr die Anzahl derſelben ſo leicht wieder
vermehrt werden konnte, wie es ehedem, ſo lange
noch Theilungen uͤblicher, als die Erſtgebuhrtsfol-
ge, waren, nicht ungewoͤhnlich geweſen war. Von
den groͤßeren Haͤuſern war nur noch das einzige
Haus Sachſen in dem Falle, daß es ſich von neuem
in mehrere Linien vertheilte; und zwar in ſeinen
beiden Hauptſtaͤmmen ſowohl der Albrechtiſchen
nunmehrigen Churlinie, als der Ernſtiſchen her-
zoglichen Linie.

In der Albrechtiſchen Linie des Hauſes SachſenII.
hatte der Churfuͤrſt Johann Georg der I. im Jah-
re 1652. ein Teſtament errichtet, und 1653. noch
einen Codicill hinzugefuͤgt, worin ein nur von Roͤ-
miſchen Rechtsſaͤtzen eingenommener Rechtsgelehr-
ter die Feder gefuͤhrt hatte. Da brauchte es frey-
lich ſonderbare Wendungen, wenn das Recht der
Erſtgebuhrt ſtatt finden, und doch das Succeſ-
ſionsſyſtem des Roͤmiſchen Rechts, das jener Erb-
folgsart durchaus zuwider iſt, nur einigermaßen
aufrecht erhalten werden ſollte. Die Einleitung
wurde alſo ſo gemacht, daß der Churfuͤrſt zwar alle
ſeine Soͤhne (honorabili inſtitutionis titulo) zu
Erben einſetzte, auch wuͤrklich einem jeden nachge-
bohrnen Sohne ein gewiſſes Stuͤck Landes anwies,
jedoch ſo, daß, wenn gleich der juͤngeren Soͤhne
Antheil den Pflichttheil der gemeinen Rechte nicht
erreichte, noch ein Theil dem andern voͤllig gleich
ſeyn moͤchte, ſie dennoch durch Praͤtenſionen der
Ergaͤnzung des Pflichttheils weder unter ſich ſelbſt
Streit erregen, noch den Churprinzen deswegen
belangen ſollten, beſonders in Anſehung der uͤber-
aus großen churfuͤrſtlichen Cammerſchulden und

der
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[325/0367] 8) Neue Saͤchſ. Linien ꝛc. 1685-1697. daß nunmehr die Anzahl derſelben ſo leicht wieder vermehrt werden konnte, wie es ehedem, ſo lange noch Theilungen uͤblicher, als die Erſtgebuhrtsfol- ge, waren, nicht ungewoͤhnlich geweſen war. Von den groͤßeren Haͤuſern war nur noch das einzige Haus Sachſen in dem Falle, daß es ſich von neuem in mehrere Linien vertheilte; und zwar in ſeinen beiden Hauptſtaͤmmen ſowohl der Albrechtiſchen nunmehrigen Churlinie, als der Ernſtiſchen her- zoglichen Linie. In der Albrechtiſchen Linie des Hauſes Sachſen hatte der Churfuͤrſt Johann Georg der I. im Jah- re 1652. ein Teſtament errichtet, und 1653. noch einen Codicill hinzugefuͤgt, worin ein nur von Roͤ- miſchen Rechtsſaͤtzen eingenommener Rechtsgelehr- ter die Feder gefuͤhrt hatte. Da brauchte es frey- lich ſonderbare Wendungen, wenn das Recht der Erſtgebuhrt ſtatt finden, und doch das Succeſ- ſionsſyſtem des Roͤmiſchen Rechts, das jener Erb- folgsart durchaus zuwider iſt, nur einigermaßen aufrecht erhalten werden ſollte. Die Einleitung wurde alſo ſo gemacht, daß der Churfuͤrſt zwar alle ſeine Soͤhne (honorabili inſtitutionis titulo) zu Erben einſetzte, auch wuͤrklich einem jeden nachge- bohrnen Sohne ein gewiſſes Stuͤck Landes anwies, jedoch ſo, daß, wenn gleich der juͤngeren Soͤhne Antheil den Pflichttheil der gemeinen Rechte nicht erreichte, noch ein Theil dem andern voͤllig gleich ſeyn moͤchte, ſie dennoch durch Praͤtenſionen der Ergaͤnzung des Pflichttheils weder unter ſich ſelbſt Streit erregen, noch den Churprinzen deswegen belangen ſollten, beſonders in Anſehung der uͤber- aus großen churfuͤrſtlichen Cammerſchulden und der II. X 3

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Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786, S. 325. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung02_1786/367>, abgerufen am 25.04.2024.