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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786.

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12) N. Kr. u. Sp. Succ. Kr. 1700-1705.
Seite auch andere Reichsstände zu Bundesgenossen
hatten.

Eben das gab Anlaß, daß der Nordische KriegII.
ein traurigbelehrendes Beyspiel einer neuen Un-
vollkommenheit in der Teutschen Reichsverfassung
blicken ließ. Vermöge des Westphälischen Frie-
dens hatte jeder Reichsstand das Recht der Bünd-
nisse, Krieges und Friedens; aber vermöge des
Landfriedens, der schon älter als der Westphälische
Friede, und in diesem von neuem befestiget war,
sollte kein Reichsstand des andern Land mit Krieg
überziehen. Allein wie wenn nun Dänemark Chur-
sachsen, Schweden hingegen den Herzog von
Braunschweig-Zelle zu Bundesgenossen hatte?
und wie wenn nun die Kriegsläufte zwischen Dä-
nemark und Schweden sich so fügten, daß Chur-
sächsische Kriegsvölker als Dänische Bundesgenossen
gegen Braunschweig-Zellische als Schwedische
Hülfsvölker zu fechten kamen, oder jene gar ins
Zellische feindlich einbrachen? Da waren freylich
Chursachsen und Braunschweig-Zelle nicht die ei-
gentlich kriegführenden Theile; aber sie verübten
doch alle Gattungen von Feindseligkeiten gegen ein-
ander, ohne daß von einer Klage auf Landfriedens-
bruch die Frage war. So schien beynahe der Land-
friede
eine allgemeine Ausnahme zu bekommen,
wenn zwey auswärtige Mächte mit einander Krieg
führten, und jede diesen oder jenen Teutschen
Reichsstand zum Bundesgenossen hatte; wo nicht
gar endlich auch umgekehrt, wenn einzelne Reichs-
stände unter sich in Mißhelligkeiten geriethen, und
auswärtige Mächte als Bundesgenossen dieses oder
jenen Theils zu den Waffen griffen, (wie z. B. in

den

12) N. Kr. u. Sp. Succ. Kr. 1700-1705.
Seite auch andere Reichsſtaͤnde zu Bundesgenoſſen
hatten.

Eben das gab Anlaß, daß der Nordiſche KriegII.
ein traurigbelehrendes Beyſpiel einer neuen Un-
vollkommenheit in der Teutſchen Reichsverfaſſung
blicken ließ. Vermoͤge des Weſtphaͤliſchen Frie-
dens hatte jeder Reichsſtand das Recht der Buͤnd-
niſſe, Krieges und Friedens; aber vermoͤge des
Landfriedens, der ſchon aͤlter als der Weſtphaͤliſche
Friede, und in dieſem von neuem befeſtiget war,
ſollte kein Reichsſtand des andern Land mit Krieg
uͤberziehen. Allein wie wenn nun Daͤnemark Chur-
ſachſen, Schweden hingegen den Herzog von
Braunſchweig-Zelle zu Bundesgenoſſen hatte?
und wie wenn nun die Kriegslaͤufte zwiſchen Daͤ-
nemark und Schweden ſich ſo fuͤgten, daß Chur-
ſaͤchſiſche Kriegsvoͤlker als Daͤniſche Bundesgenoſſen
gegen Braunſchweig-Zelliſche als Schwediſche
Huͤlfsvoͤlker zu fechten kamen, oder jene gar ins
Zelliſche feindlich einbrachen? Da waren freylich
Churſachſen und Braunſchweig-Zelle nicht die ei-
gentlich kriegfuͤhrenden Theile; aber ſie veruͤbten
doch alle Gattungen von Feindſeligkeiten gegen ein-
ander, ohne daß von einer Klage auf Landfriedens-
bruch die Frage war. So ſchien beynahe der Land-
friede
eine allgemeine Ausnahme zu bekommen,
wenn zwey auswaͤrtige Maͤchte mit einander Krieg
fuͤhrten, und jede dieſen oder jenen Teutſchen
Reichsſtand zum Bundesgenoſſen hatte; wo nicht
gar endlich auch umgekehrt, wenn einzelne Reichs-
ſtaͤnde unter ſich in Mißhelligkeiten geriethen, und
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jenen Theils zu den Waffen griffen, (wie z. B. in

den
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[365/0407] 12) N. Kr. u. Sp. Succ. Kr. 1700-1705. Seite auch andere Reichsſtaͤnde zu Bundesgenoſſen hatten. Eben das gab Anlaß, daß der Nordiſche Krieg ein traurigbelehrendes Beyſpiel einer neuen Un- vollkommenheit in der Teutſchen Reichsverfaſſung blicken ließ. Vermoͤge des Weſtphaͤliſchen Frie- dens hatte jeder Reichsſtand das Recht der Buͤnd- niſſe, Krieges und Friedens; aber vermoͤge des Landfriedens, der ſchon aͤlter als der Weſtphaͤliſche Friede, und in dieſem von neuem befeſtiget war, ſollte kein Reichsſtand des andern Land mit Krieg uͤberziehen. Allein wie wenn nun Daͤnemark Chur- ſachſen, Schweden hingegen den Herzog von Braunſchweig-Zelle zu Bundesgenoſſen hatte? und wie wenn nun die Kriegslaͤufte zwiſchen Daͤ- nemark und Schweden ſich ſo fuͤgten, daß Chur- ſaͤchſiſche Kriegsvoͤlker als Daͤniſche Bundesgenoſſen gegen Braunſchweig-Zelliſche als Schwediſche Huͤlfsvoͤlker zu fechten kamen, oder jene gar ins Zelliſche feindlich einbrachen? Da waren freylich Churſachſen und Braunſchweig-Zelle nicht die ei- gentlich kriegfuͤhrenden Theile; aber ſie veruͤbten doch alle Gattungen von Feindſeligkeiten gegen ein- ander, ohne daß von einer Klage auf Landfriedens- bruch die Frage war. So ſchien beynahe der Land- friede eine allgemeine Ausnahme zu bekommen, wenn zwey auswaͤrtige Maͤchte mit einander Krieg fuͤhrten, und jede dieſen oder jenen Teutſchen Reichsſtand zum Bundesgenoſſen hatte; wo nicht gar endlich auch umgekehrt, wenn einzelne Reichs- ſtaͤnde unter ſich in Mißhelligkeiten geriethen, und auswaͤrtige Maͤchte als Bundesgenoſſen dieſes oder jenen Theils zu den Waffen griffen, (wie z. B. in den II.

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Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786, S. 365. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung02_1786/407>, abgerufen am 25.04.2024.