Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pufendorf, Samuel von: Einleitung zu der Historie der Vornehmsten Reiche und Staaten. Frankfurt (Main), 1682.

Bild:
<< vorherige Seite

Das I. Capitel
und andere/ die ihre Gunst bekommen/
zu setzen. Weil auch eine Armee nicht ge-
ringer wolte seyn als die andere; unter-
nahm sich solchen Muthwillen nicht al-
lein die Leibguardie/ sondern auch jede Ar-
mee/ deren verschiedene in den Gräntzpro-
vintzien auff den Beinen stunden. Dan-
nenhero denn ein elender Zustand und
Verwirrung im Römischen Reich er-
wuchs/ indem der Keyser Leben allzeit an
dem Willen des geitzigen und unbeständi-
gen Kriegspöbels hieng/ und keiner versi-
chert war das Reich auff seine Nachkom-
men zu bringen. Offt wurden die tapfersten
Fürsten jämmerlich erwürget; offt ward ein
nichts würdiger Mensch aufn Thron er-
hoben: offt wurden zwey und mehr zugleich
für Keyser aufgeworffen/ die sich hernach
mit greulichen Blutvergiessen umb das
Reich herum zanckten. Und daher kam es/
daß nicht allein die wenigsten von den alten
Keysern eines natürlichen Todes gestor-
ben; sondern es wurden auch die Kräffte
dieses grossen Reiches durch so viel inner-
liche Kriege dermassen geschwächet/ daß
es endlich nicht anders war/ als ein Leib
ohne Nerven. Dessen Untergang nicht
wenig Constantinus Magnus beschleuni-
get/ indem er die Residentz von Rom na-
cher Constantinopel verleget/ und die al-

ten

Das I. Capitel
und andere/ die ihre Gunſt bekommen/
zu ſetzen. Weil auch eine Armee nicht ge-
ringer wolte ſeyn als die andere; unter-
nahm ſich ſolchen Muthwillen nicht al-
lein die Leibguardie/ ſondeꝛn auch jede Ar-
mee/ derẽ verſchiedene in den Graͤntzpro-
vintzien auff den Beinen ſtunden. Dan-
nenhero denn ein elender Zuſtand und
Verwirrung im Roͤmiſchen Reich er-
wuchs/ indem der Keyſer Leben allzeit an
dem Willen des geitzigen und unbeſtaͤndi-
gen Kriegspoͤbels hieng/ und keiner verſi-
chert war das Reich auff ſeine Nachkom-
men zu bringen. Offt wuꝛden die tapferſtẽ
Fuͤrſtẽ jaͤm̃erlich erwuͤrget; offt waꝛd ein
nichts wuͤrdiger Menſch aufn Thron er-
hobẽ: offt wurden zwey uñ mehr zugleich
fuͤr Keyſer aufgeworffen/ die ſich hernach
mit greulichen Blutvergieſſen umb das
Reich herum zancktẽ. Und daher kam es/
daß nicht allein die wenigſten von den altẽ
Keyſern eines natuͤrlichen Todes geſtor-
ben; ſondern es wurden auch die Kraͤffte
dieſes groſſen Reiches durch ſo viel inner-
liche Kriege dermaſſen geſchwaͤchet/ daß
es endlich nicht anders war/ als ein Leib
ohne Nerven. Deſſen Untergang nicht
wenig Conſtantinus Magnus beſchleuni-
get/ indem er die Reſidentz von Rom na-
cher Conſtantinopel verleget/ und die al-

ten
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0078" n="48"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das <hi rendition="#aq">I.</hi> Capitel</hi></fw><lb/>
und andere/ die ihre Gun&#x017F;t bekommen/<lb/>
zu &#x017F;etzen. Weil auch eine Armee nicht ge-<lb/>
ringer wolte &#x017F;eyn als die andere; unter-<lb/>
nahm &#x017F;ich &#x017F;olchen Muthwillen nicht al-<lb/>
lein die Leibguardie/ &#x017F;onde&#xA75B;n auch jede Ar-<lb/>
mee/ dere&#x0303; ver&#x017F;chiedene in den Gra&#x0364;ntzpro-<lb/>
vintzien auff den Beinen &#x017F;tunden. Dan-<lb/>
nenhero denn ein elender Zu&#x017F;tand und<lb/>
Verwirrung im Ro&#x0364;mi&#x017F;chen Reich er-<lb/>
wuchs/ indem der Key&#x017F;er Leben allzeit an<lb/>
dem Willen des geitzigen und unbe&#x017F;ta&#x0364;ndi-<lb/>
gen Kriegspo&#x0364;bels hieng/ und keiner ver&#x017F;i-<lb/>
chert war das Reich auff &#x017F;eine Nachkom-<lb/>
men zu bringen. Offt wu&#xA75B;den die tapfer&#x017F;te&#x0303;<lb/>
Fu&#x0364;r&#x017F;te&#x0303; ja&#x0364;m&#x0303;erlich erwu&#x0364;rget; offt wa&#xA75B;d ein<lb/>
nichts wu&#x0364;rdiger Men&#x017F;ch aufn Thron er-<lb/>
hobe&#x0303;: offt wurden zwey un&#x0303; mehr zugleich<lb/>
fu&#x0364;r Key&#x017F;er aufgeworffen/ die &#x017F;ich hernach<lb/>
mit greulichen Blutvergie&#x017F;&#x017F;en umb das<lb/>
Reich herum zanckte&#x0303;. Und daher kam es/<lb/>
daß nicht allein die wenig&#x017F;ten von den alte&#x0303;<lb/>
Key&#x017F;ern eines natu&#x0364;rlichen Todes ge&#x017F;tor-<lb/>
ben; &#x017F;ondern es wurden auch die Kra&#x0364;ffte<lb/>
die&#x017F;es gro&#x017F;&#x017F;en Reiches durch &#x017F;o viel inner-<lb/>
liche Kriege derma&#x017F;&#x017F;en ge&#x017F;chwa&#x0364;chet/ daß<lb/>
es endlich nicht anders war/ als ein Leib<lb/>
ohne Nerven. De&#x017F;&#x017F;en Untergang nicht<lb/>
wenig <hi rendition="#aq">Con&#x017F;tantinus Magnus</hi> be&#x017F;chleuni-<lb/>
get/ indem er die Re&#x017F;identz von Rom na-<lb/>
cher Con&#x017F;tantinopel verleget/ und die al-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ten</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[48/0078] Das I. Capitel und andere/ die ihre Gunſt bekommen/ zu ſetzen. Weil auch eine Armee nicht ge- ringer wolte ſeyn als die andere; unter- nahm ſich ſolchen Muthwillen nicht al- lein die Leibguardie/ ſondeꝛn auch jede Ar- mee/ derẽ verſchiedene in den Graͤntzpro- vintzien auff den Beinen ſtunden. Dan- nenhero denn ein elender Zuſtand und Verwirrung im Roͤmiſchen Reich er- wuchs/ indem der Keyſer Leben allzeit an dem Willen des geitzigen und unbeſtaͤndi- gen Kriegspoͤbels hieng/ und keiner verſi- chert war das Reich auff ſeine Nachkom- men zu bringen. Offt wuꝛden die tapferſtẽ Fuͤrſtẽ jaͤm̃erlich erwuͤrget; offt waꝛd ein nichts wuͤrdiger Menſch aufn Thron er- hobẽ: offt wurden zwey uñ mehr zugleich fuͤr Keyſer aufgeworffen/ die ſich hernach mit greulichen Blutvergieſſen umb das Reich herum zancktẽ. Und daher kam es/ daß nicht allein die wenigſten von den altẽ Keyſern eines natuͤrlichen Todes geſtor- ben; ſondern es wurden auch die Kraͤffte dieſes groſſen Reiches durch ſo viel inner- liche Kriege dermaſſen geſchwaͤchet/ daß es endlich nicht anders war/ als ein Leib ohne Nerven. Deſſen Untergang nicht wenig Conſtantinus Magnus beſchleuni- get/ indem er die Reſidentz von Rom na- cher Conſtantinopel verleget/ und die al- ten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pufendorf_einleitung_1682
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pufendorf_einleitung_1682/78
Zitationshilfe: Pufendorf, Samuel von: Einleitung zu der Historie der Vornehmsten Reiche und Staaten. Frankfurt (Main), 1682, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pufendorf_einleitung_1682/78>, abgerufen am 23.04.2024.