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Pufendorf, Samuel von: Einleitung zur Sitten- und Staats-Lehre. Leipzig, 1691.

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Des ersten Buchs
könten. Dannenhero denn nichts
leichters ist/ als daß ein Mensch dem
andern das grösseste unter allen na-
türlichen Ubeln/ nemlich den Tod
selbst/ über den Hals bringe.

§. 6.

Endlich/ so muß man auch
die sonderbare Mannigfaltigkeit
derer menschlichen Gemüther

oder Sinnen erwegen/ dergleichen
ebenfalls bey einer jeden Art derer
unvernünfftigen Thiere nicht anzu-
treffen ist; Als welche fast alle einer-
ley Zuneigungen haben/ und von ei-
nen gleichmässigen Appetit angetrie-
ben werden. Aber bey denen Men-
schen seynd so viel Köpffe/ so viel
Sinne/
und einen jeden gefällt sei-
ne eigene Weise. Auch finden sich bey
allen nicht nur einerley/ oder gleich-
mässige Begierden/ sondern sie lauf-
fen vielfältig/ und wunderlich un-
tereinander; Ja/ ein Mensch ist sich
offt selbst ungleich/ und was er eine

Stun-

Des erſten Buchs
koͤnten. Dannenhero denn nichts
leichters iſt/ als daß ein Menſch dem
andern das groͤſſeſte unter allen na-
tuͤrlichen Ubeln/ nemlich den Tod
ſelbſt/ uͤber den Hals bringe.

§. 6.

Endlich/ ſo muß man auch
die ſonderbare Mannigfaltigkeit
derer menſchlichen Gemuͤther

oder Sinnen erwegen/ dergleichen
ebenfalls bey einer jeden Art derer
unvernuͤnfftigen Thiere nicht anzu-
treffen iſt; Als welche faſt alle einer-
ley Zuneigungen haben/ und von ei-
nen gleichmaͤſſigen Appetit angetrie-
ben werden. Aber bey denen Men-
ſchen ſeynd ſo viel Koͤpffe/ ſo viel
Sinne/
und einen jeden gefaͤllt ſei-
ne eigene Weiſe. Auch finden ſich bey
allen nicht nur einerley/ oder gleich-
maͤſſige Begierden/ ſondern ſie lauf-
fen vielfaͤltig/ und wunderlich un-
tereinander; Ja/ ein Menſch iſt ſich
offt ſelbſt ungleich/ und was er eine

Stun-
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[76/0140] Des erſten Buchs koͤnten. Dannenhero denn nichts leichters iſt/ als daß ein Menſch dem andern das groͤſſeſte unter allen na- tuͤrlichen Ubeln/ nemlich den Tod ſelbſt/ uͤber den Hals bringe. §. 6. Endlich/ ſo muß man auch die ſonderbare Mannigfaltigkeit derer menſchlichen Gemuͤther oder Sinnen erwegen/ dergleichen ebenfalls bey einer jeden Art derer unvernuͤnfftigen Thiere nicht anzu- treffen iſt; Als welche faſt alle einer- ley Zuneigungen haben/ und von ei- nen gleichmaͤſſigen Appetit angetrie- ben werden. Aber bey denen Men- ſchen ſeynd ſo viel Koͤpffe/ ſo viel Sinne/ und einen jeden gefaͤllt ſei- ne eigene Weiſe. Auch finden ſich bey allen nicht nur einerley/ oder gleich- maͤſſige Begierden/ ſondern ſie lauf- fen vielfaͤltig/ und wunderlich un- tereinander; Ja/ ein Menſch iſt ſich offt ſelbſt ungleich/ und was er eine Stun-

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Zitationshilfe: Pufendorf, Samuel von: Einleitung zur Sitten- und Staats-Lehre. Leipzig, 1691, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pufendorf_einleitung_1691/140>, abgerufen am 25.04.2024.