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Quantz, Johann Joachim: Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen. Berlin, 1752.

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Von den Cadenzen.
gekehrt, aus der Sexte in die falsche Quinte. Oder man verzögert
auf der falschen Quinte in der Oberstimme die Auflösung in die Terze,
woraus die ordentliche Quarte entsteht, die sich nachhero in die Ter-
ze auflöset. Wenn nun zwo Personen diese Vortheile inne haben, so kön-
nen sie ohne Verabredung, und ohne die Regeln der Setzkunst zu überschrei-
ten, von einer Dissonanz zur andern gehen.

24. §.

Bey einem Sextengange, wo man keine Dissonanzen berühren will,
muß eine der beyden Stimmen eine Note voraus nehmen, es sey im
Steigen, oder im Fallen; damit die andere sich darnach richten könne;
s. Tab. XX. Fig. 9. allwo die unterste Stimme die Bewegung hat, und
zu erkennen giebt, daß die Oberstimme im ersten Tacte steigen, und hernach
wieder unterwärts gehen solle. Bey Fig. 10. machet die Oberstimme die
Bewegung, und die unterste folget derselben. Wenn man in diesen bey-
den Gängen die oberste Stimme in die unterste, und die unterste in die
oberste verwandelt; so findet man die Art des Terzenganges.

25. §.

Der mit der Septime vermischete Sextengang ist von zweyerley
Art, nämlich steigend und fallend. Bey dem steigenden geht die Ober-
stimme in die Octave, und die Unterstimme aus der Sexte in die Septi-
me; s. Tab. XX. Fig. 11. Bey dem fallenden Septimengange bindet
die unterste Stimme, und die oberste resolviret: auch kann die unterste
binden und auflösen, wie im zweyten Tacte des Exempels Fig. 12. zu er-
sehen ist. Wenn man bey den beyden vorigen Exempeln die erste Stimme
zur zweyten, und die zweyte zur ersten machet; so hat man den Terzen-
gang, wo aus der Terze die Secunde gebunden, und in die Terze oder
Sexte aufgelöset wird.

26. §.

Die erste Stimme, welche gemeiniglich den Vortrag thut, muß
der zweyten nicht nur Gelegenheit zu antworten geben, und auf dieselbe
warten; sondern sie muß auch öfters, unter der Antwort, ein solches
Jntervall, welches zu einer neuen Bindung Anlaß giebt, zu wählen wis-
sen: damit die Bindungen nicht alle auf einerley Art hinaus laufen. Jn
dem Exempel bey Fig. 13. besteht die erste Bindung aus der kleinen Se-
cunde; die folgende aus der mangelhaften Septime: und indem die
zweyte Stimme die Figur der ersten nachmachet, bereitet sich die erste
durch das H zur folgenden Septime, und löset diese in die Sexte auf.

Die

Von den Cadenzen.
gekehrt, aus der Sexte in die falſche Quinte. Oder man verzoͤgert
auf der falſchen Quinte in der Oberſtimme die Aufloͤſung in die Terze,
woraus die ordentliche Quarte entſteht, die ſich nachhero in die Ter-
ze aufloͤſet. Wenn nun zwo Perſonen dieſe Vortheile inne haben, ſo koͤn-
nen ſie ohne Verabredung, und ohne die Regeln der Setzkunſt zu uͤberſchrei-
ten, von einer Diſſonanz zur andern gehen.

24. §.

Bey einem Sextengange, wo man keine Diſſonanzen beruͤhren will,
muß eine der beyden Stimmen eine Note voraus nehmen, es ſey im
Steigen, oder im Fallen; damit die andere ſich darnach richten koͤnne;
ſ. Tab. XX. Fig. 9. allwo die unterſte Stimme die Bewegung hat, und
zu erkennen giebt, daß die Oberſtimme im erſten Tacte ſteigen, und hernach
wieder unterwaͤrts gehen ſolle. Bey Fig. 10. machet die Oberſtimme die
Bewegung, und die unterſte folget derſelben. Wenn man in dieſen bey-
den Gaͤngen die oberſte Stimme in die unterſte, und die unterſte in die
oberſte verwandelt; ſo findet man die Art des Terzenganges.

25. §.

Der mit der Septime vermiſchete Sextengang iſt von zweyerley
Art, naͤmlich ſteigend und fallend. Bey dem ſteigenden geht die Ober-
ſtimme in die Octave, und die Unterſtimme aus der Sexte in die Septi-
me; ſ. Tab. XX. Fig. 11. Bey dem fallenden Septimengange bindet
die unterſte Stimme, und die oberſte reſolviret: auch kann die unterſte
binden und aufloͤſen, wie im zweyten Tacte des Exempels Fig. 12. zu er-
ſehen iſt. Wenn man bey den beyden vorigen Exempeln die erſte Stimme
zur zweyten, und die zweyte zur erſten machet; ſo hat man den Terzen-
gang, wo aus der Terze die Secunde gebunden, und in die Terze oder
Sexte aufgeloͤſet wird.

26. §.

Die erſte Stimme, welche gemeiniglich den Vortrag thut, muß
der zweyten nicht nur Gelegenheit zu antworten geben, und auf dieſelbe
warten; ſondern ſie muß auch oͤfters, unter der Antwort, ein ſolches
Jntervall, welches zu einer neuen Bindung Anlaß giebt, zu waͤhlen wiſ-
ſen: damit die Bindungen nicht alle auf einerley Art hinaus laufen. Jn
dem Exempel bey Fig. 13. beſteht die erſte Bindung aus der kleinen Se-
cunde; die folgende aus der mangelhaften Septime: und indem die
zweyte Stimme die Figur der erſten nachmachet, bereitet ſich die erſte
durch das H zur folgenden Septime, und loͤſet dieſe in die Sexte auf.

Die
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[159/0177] Von den Cadenzen. gekehrt, aus der Sexte in die falſche Quinte. Oder man verzoͤgert auf der falſchen Quinte in der Oberſtimme die Aufloͤſung in die Terze, woraus die ordentliche Quarte entſteht, die ſich nachhero in die Ter- ze aufloͤſet. Wenn nun zwo Perſonen dieſe Vortheile inne haben, ſo koͤn- nen ſie ohne Verabredung, und ohne die Regeln der Setzkunſt zu uͤberſchrei- ten, von einer Diſſonanz zur andern gehen. 24. §. Bey einem Sextengange, wo man keine Diſſonanzen beruͤhren will, muß eine der beyden Stimmen eine Note voraus nehmen, es ſey im Steigen, oder im Fallen; damit die andere ſich darnach richten koͤnne; ſ. Tab. XX. Fig. 9. allwo die unterſte Stimme die Bewegung hat, und zu erkennen giebt, daß die Oberſtimme im erſten Tacte ſteigen, und hernach wieder unterwaͤrts gehen ſolle. Bey Fig. 10. machet die Oberſtimme die Bewegung, und die unterſte folget derſelben. Wenn man in dieſen bey- den Gaͤngen die oberſte Stimme in die unterſte, und die unterſte in die oberſte verwandelt; ſo findet man die Art des Terzenganges. 25. §. Der mit der Septime vermiſchete Sextengang iſt von zweyerley Art, naͤmlich ſteigend und fallend. Bey dem ſteigenden geht die Ober- ſtimme in die Octave, und die Unterſtimme aus der Sexte in die Septi- me; ſ. Tab. XX. Fig. 11. Bey dem fallenden Septimengange bindet die unterſte Stimme, und die oberſte reſolviret: auch kann die unterſte binden und aufloͤſen, wie im zweyten Tacte des Exempels Fig. 12. zu er- ſehen iſt. Wenn man bey den beyden vorigen Exempeln die erſte Stimme zur zweyten, und die zweyte zur erſten machet; ſo hat man den Terzen- gang, wo aus der Terze die Secunde gebunden, und in die Terze oder Sexte aufgeloͤſet wird. 26. §. Die erſte Stimme, welche gemeiniglich den Vortrag thut, muß der zweyten nicht nur Gelegenheit zu antworten geben, und auf dieſelbe warten; ſondern ſie muß auch oͤfters, unter der Antwort, ein ſolches Jntervall, welches zu einer neuen Bindung Anlaß giebt, zu waͤhlen wiſ- ſen: damit die Bindungen nicht alle auf einerley Art hinaus laufen. Jn dem Exempel bey Fig. 13. beſteht die erſte Bindung aus der kleinen Se- cunde; die folgende aus der mangelhaften Septime: und indem die zweyte Stimme die Figur der erſten nachmachet, bereitet ſich die erſte durch das H zur folgenden Septime, und loͤſet dieſe in die Sexte auf. Die

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Zitationshilfe: Quantz, Johann Joachim: Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen. Berlin, 1752, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/quantz_versuch_1752/177>, abgerufen am 25.04.2024.