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Quantz, Johann Joachim: Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen. Berlin, 1752.

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Von den Cadenzen.
34. §.

Doppelt kömmt diese halbe Cadenz oftmals im Trio vor. Jhre Zier-
rathen bestehen aus eben den Jntervallen, wie bey der einfachen. Nur
ist zu merken, daß diejenige Stimme, gegen welche die Grundstimme
die Septime bindet, den Antrag zu machen hat: die andere hingegen muß
auf der Terze so lange warten, bis die erste ihre Figur geendiget hat,
und auf der Sexte den Triller schlägt. Alsdenn kann die zweyte Stimme,
dieselbe Figur, welche die erste hatte hören lassen, in der Quinte tiefer
nachmachen; wie das Exempel bey Fig. 9. auf der XXI. Tabelle zeiget.
Wenn aber die Septime in der zweyten Stimme liegt; so muß auch die
zweyte Stimme den Vortrag thun, und die erste, in der Quarte höher
ihr nachahmen. Man setze in dem Exempel bey Fig. 9. die zweyte Stim-
me eine Octave höher, und mache sie zur ersten Stimme; so wird man
davon ein Muster haben.

35. §.

Von der Fermate oder der Aufhaltung ad libitum, welche zuwei-
len in Singsachen, beym Anfange einer Arie, in der Singstimme, sehr
selten aber bey einer concertirenden Jnstrumentalstimme, etwan im Ada-
gio eines Concerts, vorkömmt, ist auch noch etwas zu bemerken. Sie be-
steht mehrentheils aus zwoen, einen Quintensprung unter sich machen-
den Noten, über deren ersterer ein Bogen mit dem Puncte steht, s. Tab.
XXI. Fig. 10; und wird deswegen gesetzet, damit der Sänger, welcher
ein zweysylbiges, mit einem bequemen langen Selbstlauter versehenes
Wort, als vado, parto, u. s. w. darunter auszusprechen hat, Gele-
genheit haben möge, eine Auszierung dabey anzubringen. Diese Aus-
zierung muß nur aus solchen Hauptnoten bestehen, welche im Accorde
der Grundstimme statt finden, und erlaubet keine Ausweichung in andere
Tonarten. Das Exempel Tab. XXI. Fig. 11. kann zum Muster dienen.
Ein Sänger kann sich vorstellen, als wenn es in dem seiner Stimme eige-
nen Schlüssel geschrieben wäre. Die erste Note unter dem Bogen mit
einem Puncte, kann als eine Haltung, (messa di voce) so lange als es
der Athem erlaubet, mit Zu- und Abnehmen des Tones gehalten werden;
doch so, daß man noch so viel Athem übrig behalte, als nöthig ist, die
folgende Auszierung in demselben Athem zu endigen. Will man die Fi-
guren, woraus dieser ganze Zierrath besteht, zergliedern; so kann solcher
in verschiedene Theile getheilet, und immer um eine Figur verkürzet
werden; wie die darüber befindlichen Buchstaben zeigen. Z. E. Man

kann
X 2
Von den Cadenzen.
34. §.

Doppelt koͤmmt dieſe halbe Cadenz oftmals im Trio vor. Jhre Zier-
rathen beſtehen aus eben den Jntervallen, wie bey der einfachen. Nur
iſt zu merken, daß diejenige Stimme, gegen welche die Grundſtimme
die Septime bindet, den Antrag zu machen hat: die andere hingegen muß
auf der Terze ſo lange warten, bis die erſte ihre Figur geendiget hat,
und auf der Sexte den Triller ſchlaͤgt. Alsdenn kann die zweyte Stimme,
dieſelbe Figur, welche die erſte hatte hoͤren laſſen, in der Quinte tiefer
nachmachen; wie das Exempel bey Fig. 9. auf der XXI. Tabelle zeiget.
Wenn aber die Septime in der zweyten Stimme liegt; ſo muß auch die
zweyte Stimme den Vortrag thun, und die erſte, in der Quarte hoͤher
ihr nachahmen. Man ſetze in dem Exempel bey Fig. 9. die zweyte Stim-
me eine Octave hoͤher, und mache ſie zur erſten Stimme; ſo wird man
davon ein Muſter haben.

35. §.

Von der Fermate oder der Aufhaltung ad libitum, welche zuwei-
len in Singſachen, beym Anfange einer Arie, in der Singſtimme, ſehr
ſelten aber bey einer concertirenden Jnſtrumentalſtimme, etwan im Ada-
gio eines Concerts, vorkoͤmmt, iſt auch noch etwas zu bemerken. Sie be-
ſteht mehrentheils aus zwoen, einen Quintenſprung unter ſich machen-
den Noten, uͤber deren erſterer ein Bogen mit dem Puncte ſteht, ſ. Tab.
XXI. Fig. 10; und wird deswegen geſetzet, damit der Saͤnger, welcher
ein zweyſylbiges, mit einem bequemen langen Selbſtlauter verſehenes
Wort, als vado, parto, u. ſ. w. darunter auszuſprechen hat, Gele-
genheit haben moͤge, eine Auszierung dabey anzubringen. Dieſe Aus-
zierung muß nur aus ſolchen Hauptnoten beſtehen, welche im Accorde
der Grundſtimme ſtatt finden, und erlaubet keine Ausweichung in andere
Tonarten. Das Exempel Tab. XXI. Fig. 11. kann zum Muſter dienen.
Ein Saͤnger kann ſich vorſtellen, als wenn es in dem ſeiner Stimme eige-
nen Schluͤſſel geſchrieben waͤre. Die erſte Note unter dem Bogen mit
einem Puncte, kann als eine Haltung, (meſſa di voce) ſo lange als es
der Athem erlaubet, mit Zu- und Abnehmen des Tones gehalten werden;
doch ſo, daß man noch ſo viel Athem uͤbrig behalte, als noͤthig iſt, die
folgende Auszierung in demſelben Athem zu endigen. Will man die Fi-
guren, woraus dieſer ganze Zierrath beſteht, zergliedern; ſo kann ſolcher
in verſchiedene Theile getheilet, und immer um eine Figur verkuͤrzet
werden; wie die daruͤber befindlichen Buchſtaben zeigen. Z. E. Man

kann
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[163/0181] Von den Cadenzen. 34. §. Doppelt koͤmmt dieſe halbe Cadenz oftmals im Trio vor. Jhre Zier- rathen beſtehen aus eben den Jntervallen, wie bey der einfachen. Nur iſt zu merken, daß diejenige Stimme, gegen welche die Grundſtimme die Septime bindet, den Antrag zu machen hat: die andere hingegen muß auf der Terze ſo lange warten, bis die erſte ihre Figur geendiget hat, und auf der Sexte den Triller ſchlaͤgt. Alsdenn kann die zweyte Stimme, dieſelbe Figur, welche die erſte hatte hoͤren laſſen, in der Quinte tiefer nachmachen; wie das Exempel bey Fig. 9. auf der XXI. Tabelle zeiget. Wenn aber die Septime in der zweyten Stimme liegt; ſo muß auch die zweyte Stimme den Vortrag thun, und die erſte, in der Quarte hoͤher ihr nachahmen. Man ſetze in dem Exempel bey Fig. 9. die zweyte Stim- me eine Octave hoͤher, und mache ſie zur erſten Stimme; ſo wird man davon ein Muſter haben. 35. §. Von der Fermate oder der Aufhaltung ad libitum, welche zuwei- len in Singſachen, beym Anfange einer Arie, in der Singſtimme, ſehr ſelten aber bey einer concertirenden Jnſtrumentalſtimme, etwan im Ada- gio eines Concerts, vorkoͤmmt, iſt auch noch etwas zu bemerken. Sie be- ſteht mehrentheils aus zwoen, einen Quintenſprung unter ſich machen- den Noten, uͤber deren erſterer ein Bogen mit dem Puncte ſteht, ſ. Tab. XXI. Fig. 10; und wird deswegen geſetzet, damit der Saͤnger, welcher ein zweyſylbiges, mit einem bequemen langen Selbſtlauter verſehenes Wort, als vado, parto, u. ſ. w. darunter auszuſprechen hat, Gele- genheit haben moͤge, eine Auszierung dabey anzubringen. Dieſe Aus- zierung muß nur aus ſolchen Hauptnoten beſtehen, welche im Accorde der Grundſtimme ſtatt finden, und erlaubet keine Ausweichung in andere Tonarten. Das Exempel Tab. XXI. Fig. 11. kann zum Muſter dienen. Ein Saͤnger kann ſich vorſtellen, als wenn es in dem ſeiner Stimme eige- nen Schluͤſſel geſchrieben waͤre. Die erſte Note unter dem Bogen mit einem Puncte, kann als eine Haltung, (meſſa di voce) ſo lange als es der Athem erlaubet, mit Zu- und Abnehmen des Tones gehalten werden; doch ſo, daß man noch ſo viel Athem uͤbrig behalte, als noͤthig iſt, die folgende Auszierung in demſelben Athem zu endigen. Will man die Fi- guren, woraus dieſer ganze Zierrath beſteht, zergliedern; ſo kann ſolcher in verſchiedene Theile getheilet, und immer um eine Figur verkuͤrzet werden; wie die daruͤber befindlichen Buchſtaben zeigen. Z. E. Man kann X 2

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Zitationshilfe: Quantz, Johann Joachim: Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen. Berlin, 1752, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/quantz_versuch_1752/181>, abgerufen am 29.03.2024.