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Quantz, Johann Joachim: Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen. Berlin, 1752.

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Von den Pflichten aller Accompagnisten überhaupt.
Doch will ich diese Meynung nicht als eine Regel, sondern nur zum wei-
tern Nachdenken gegeben haben.

5. §.

Die Blasinstrumente können, bey warmer Witterung, ein wenig
tiefer als die Violinen einstimmen; weil sie sich in währendem Blasen er-
höhen: da hingegen die mit Seyten bezogenen Jnstrumente, sich durch
die Wärme erniedrigen.

6. §.

Der Ton, in welchem die Orchester zu stimmen pflegen, ist nach
Beschaffenheiten der Orte und Zeiten immer sehr verschieden gewesen.
Der unangenehme Chorton hat einige Jahrhunderte in Deutschland ge-
herrschet, welches die alten Orgeln sattsam beweisen. Man hat auch die
übrigen Jnstrumente, als: Violinen, Baßgeigen, Posaunen, Flöten
a bec, Schallmeyen, Bombarte, Trompeten, Clarinetten, u. s. w.
darnach eingerichtet. Nachdem aber die Franzosen, nach ihrem ange-
nehmen tiefern Tone, die deutsche Querpfeife in die Flöte traversiere,
die Schallmey in den Hoboe, und den Bombart in den Basson verwan-
delt hatten; hat man in Deutschland auch angefangen, den hohen Chor-
ton mit dem Kammertone zu verwechseln: wie auch nunmehro einige der
berühmtesten neuen Orgeln beweisen. Der venezianische Ton ist itziger
Zeit eigentlich der höchste, und unserm alten Chortone fast ähnlich. Der
römische Ton war, vor etlichen und zwanzig Jahren, tief, und dem Pa-
riser Tone gleich. Anitzo aber fängt man an, den Pariser Ton dem ve-
nezianischen fast gleich zu machen.

7. §.

Die Verschiedenheit des Tones in welchem man stimmet, ist der Mu-
sik sehr schädlich. Bey der Singmusik verursachet er die Unbequemlich-
keit, daß die Sänger diejenigen Arien, die an einem Orte, wo die
Stimmung hoch ist, für sie gemacht waren, an einem andern Orte, wo
man tief stimmet, und umgekehrt, die Arien, die nach einer tiefen Stim-
mung eingerichtet sind, an einem Orte, wo die Stimmung hoch ist,
kaum brauchen können. Es wäre daher sehr zu wünschen, daß an allen
Orten einerley Ton bey der Stimmung eingeführet werden möchte.
Es ist nicht zu läugnen, daß der hohe Ton viel durchdringender ist, als
der tiefe: er ist aber dagegen bey weitem nicht so angenehm, rührend,
und prächtig. Jch will eben nicht die Parthey von dem ganz tiefen fran-
zösischen Kammertone nehmen; ob er gleich für die Flöte traversiere, den

Hoboe
H h

Von den Pflichten aller Accompagniſten uͤberhaupt.
Doch will ich dieſe Meynung nicht als eine Regel, ſondern nur zum wei-
tern Nachdenken gegeben haben.

5. §.

Die Blasinſtrumente koͤnnen, bey warmer Witterung, ein wenig
tiefer als die Violinen einſtimmen; weil ſie ſich in waͤhrendem Blaſen er-
hoͤhen: da hingegen die mit Seyten bezogenen Jnſtrumente, ſich durch
die Waͤrme erniedrigen.

6. §.

Der Ton, in welchem die Orcheſter zu ſtimmen pflegen, iſt nach
Beſchaffenheiten der Orte und Zeiten immer ſehr verſchieden geweſen.
Der unangenehme Chorton hat einige Jahrhunderte in Deutſchland ge-
herrſchet, welches die alten Orgeln ſattſam beweiſen. Man hat auch die
uͤbrigen Jnſtrumente, als: Violinen, Baßgeigen, Poſaunen, Floͤten
a bec, Schallmeyen, Bombarte, Trompeten, Clarinetten, u. ſ. w.
darnach eingerichtet. Nachdem aber die Franzoſen, nach ihrem ange-
nehmen tiefern Tone, die deutſche Querpfeife in die Floͤte traverſiere,
die Schallmey in den Hoboe, und den Bombart in den Baſſon verwan-
delt hatten; hat man in Deutſchland auch angefangen, den hohen Chor-
ton mit dem Kammertone zu verwechſeln: wie auch nunmehro einige der
beruͤhmteſten neuen Orgeln beweiſen. Der venezianiſche Ton iſt itziger
Zeit eigentlich der hoͤchſte, und unſerm alten Chortone faſt aͤhnlich. Der
roͤmiſche Ton war, vor etlichen und zwanzig Jahren, tief, und dem Pa-
riſer Tone gleich. Anitzo aber faͤngt man an, den Pariſer Ton dem ve-
nezianiſchen faſt gleich zu machen.

7. §.

Die Verſchiedenheit des Tones in welchem man ſtimmet, iſt der Mu-
ſik ſehr ſchaͤdlich. Bey der Singmuſik verurſachet er die Unbequemlich-
keit, daß die Saͤnger diejenigen Arien, die an einem Orte, wo die
Stimmung hoch iſt, fuͤr ſie gemacht waren, an einem andern Orte, wo
man tief ſtimmet, und umgekehrt, die Arien, die nach einer tiefen Stim-
mung eingerichtet ſind, an einem Orte, wo die Stimmung hoch iſt,
kaum brauchen koͤnnen. Es waͤre daher ſehr zu wuͤnſchen, daß an allen
Orten einerley Ton bey der Stimmung eingefuͤhret werden moͤchte.
Es iſt nicht zu laͤugnen, daß der hohe Ton viel durchdringender iſt, als
der tiefe: er iſt aber dagegen bey weitem nicht ſo angenehm, ruͤhrend,
und praͤchtig. Jch will eben nicht die Parthey von dem ganz tiefen fran-
zoͤſiſchen Kammertone nehmen; ob er gleich fuͤr die Floͤte traverſiere, den

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[241/0259] Von den Pflichten aller Accompagniſten uͤberhaupt. Doch will ich dieſe Meynung nicht als eine Regel, ſondern nur zum wei- tern Nachdenken gegeben haben. 5. §. Die Blasinſtrumente koͤnnen, bey warmer Witterung, ein wenig tiefer als die Violinen einſtimmen; weil ſie ſich in waͤhrendem Blaſen er- hoͤhen: da hingegen die mit Seyten bezogenen Jnſtrumente, ſich durch die Waͤrme erniedrigen. 6. §. Der Ton, in welchem die Orcheſter zu ſtimmen pflegen, iſt nach Beſchaffenheiten der Orte und Zeiten immer ſehr verſchieden geweſen. Der unangenehme Chorton hat einige Jahrhunderte in Deutſchland ge- herrſchet, welches die alten Orgeln ſattſam beweiſen. Man hat auch die uͤbrigen Jnſtrumente, als: Violinen, Baßgeigen, Poſaunen, Floͤten a bec, Schallmeyen, Bombarte, Trompeten, Clarinetten, u. ſ. w. darnach eingerichtet. Nachdem aber die Franzoſen, nach ihrem ange- nehmen tiefern Tone, die deutſche Querpfeife in die Floͤte traverſiere, die Schallmey in den Hoboe, und den Bombart in den Baſſon verwan- delt hatten; hat man in Deutſchland auch angefangen, den hohen Chor- ton mit dem Kammertone zu verwechſeln: wie auch nunmehro einige der beruͤhmteſten neuen Orgeln beweiſen. Der venezianiſche Ton iſt itziger Zeit eigentlich der hoͤchſte, und unſerm alten Chortone faſt aͤhnlich. Der roͤmiſche Ton war, vor etlichen und zwanzig Jahren, tief, und dem Pa- riſer Tone gleich. Anitzo aber faͤngt man an, den Pariſer Ton dem ve- nezianiſchen faſt gleich zu machen. 7. §. Die Verſchiedenheit des Tones in welchem man ſtimmet, iſt der Mu- ſik ſehr ſchaͤdlich. Bey der Singmuſik verurſachet er die Unbequemlich- keit, daß die Saͤnger diejenigen Arien, die an einem Orte, wo die Stimmung hoch iſt, fuͤr ſie gemacht waren, an einem andern Orte, wo man tief ſtimmet, und umgekehrt, die Arien, die nach einer tiefen Stim- mung eingerichtet ſind, an einem Orte, wo die Stimmung hoch iſt, kaum brauchen koͤnnen. Es waͤre daher ſehr zu wuͤnſchen, daß an allen Orten einerley Ton bey der Stimmung eingefuͤhret werden moͤchte. Es iſt nicht zu laͤugnen, daß der hohe Ton viel durchdringender iſt, als der tiefe: er iſt aber dagegen bey weitem nicht ſo angenehm, ruͤhrend, und praͤchtig. Jch will eben nicht die Parthey von dem ganz tiefen fran- zoͤſiſchen Kammertone nehmen; ob er gleich fuͤr die Floͤte traverſiere, den Hoboe H h

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Zitationshilfe: Quantz, Johann Joachim: Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen. Berlin, 1752, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/quantz_versuch_1752/259>, abgerufen am 29.03.2024.