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Quantz, Johann Joachim: Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen. Berlin, 1752.

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Das I. Hauptstück. Kurze Historie
3. §.

Michael Prätorius nennet diese Flöte, in seinem Theatro Instru-
mentorum,
welches 1620, zu einer Zeit, wo noch keine von den itzo
daran befindlichen Klappen üblich war, in Wolfenbüttel gedrucket wor-
den: die Querflöte. Dasjenige Jnstrument aber, welches noch heut
zu Tage bey den Soldaten zur Trummel gebrauchet wird, nennet er
zum Unterschied: die Schweitzerpfeiffe.

4. §.

Es ist also die Flöte traversiere vor diesem nicht so, wie itzo, be-
schaffen gewesen. Weil die, zu dem halben Tone Dis, unentbehrliche Klappe
daran fehlete; konnte man darauf nicht aus allen Tonarten spielen. Jch
habe selbst eine von dieser Art in Händen, welche in Deutschland, vor
ohngefähr sechzig Jahren verfertiget worden, und welche eine Quarte
tiefer steht, als die gewöhnlichen. Die Franzosen sind die ersten gewesen,
welche dieses Jnstrument, durch Beyfügung einer Klappe brauchbarer
gemacht haben, als es bey den Deutschen vor diesem nicht war.

5. §.

Die eigentliche Zeit, wenn diese Verbesserung geschehen, und wer
der Urheber davon sey, ist nicht wohl gewiß zu bestimmen: ungeachtet
ich mir alle Mühe gegeben habe, es zuverläßig zu erfahren. Vermuth-
lich ist es noch kein Jahrhundert her: und ohne Zweifel ist diese Verbesse-
rung in Frankreich zu eben der Zeit unternommen worden, da man die
Schallmey in den Hoboe, und den Bombard in den Basson verwan-
delt hat.

6. §.

Der erste, der sich auf der verbesserten Flöte traversiere, in Frank-
reich, besonders hervor gethan, berühmt und beliebt gemacht hat, ist der,
wegen gewisser besondern Schicksale, merkwürdige Philibert. Hierauf
kam: la Barre, und Hotteterre le Romain. Diesen folgeten
Büffardin und Blavet; brachten es aber in der Ausübung viel wei-
ter als ihre Vorfahren.

7. §.

Wie nun diese itzt erzählten französischen Tonkünstler die ersten ge-
wesen sind, so dieses Jnstrument nach seinen Eigenschaften gut gespielet
haben: so haben es die Deutschen von ihnen, und zwar in der verbesserten
Gestalt, nämlich mit der einen Klappe, seit ohngefähr funfzig oder sech-
zig Jahren her, wieder bekommen. Der besondere Beyfall, und die

große
Das I. Hauptſtuͤck. Kurze Hiſtorie
3. §.

Michael Praͤtorius nennet dieſe Floͤte, in ſeinem Theatro Inſtru-
mentorum,
welches 1620, zu einer Zeit, wo noch keine von den itzo
daran befindlichen Klappen uͤblich war, in Wolfenbuͤttel gedrucket wor-
den: die Querfloͤte. Dasjenige Jnſtrument aber, welches noch heut
zu Tage bey den Soldaten zur Trummel gebrauchet wird, nennet er
zum Unterſchied: die Schweitzerpfeiffe.

4. §.

Es iſt alſo die Floͤte traverſiere vor dieſem nicht ſo, wie itzo, be-
ſchaffen geweſen. Weil die, zu dem halben Tone Dis, unentbehrliche Klappe
daran fehlete; konnte man darauf nicht aus allen Tonarten ſpielen. Jch
habe ſelbſt eine von dieſer Art in Haͤnden, welche in Deutſchland, vor
ohngefaͤhr ſechzig Jahren verfertiget worden, und welche eine Quarte
tiefer ſteht, als die gewoͤhnlichen. Die Franzoſen ſind die erſten geweſen,
welche dieſes Jnſtrument, durch Beyfuͤgung einer Klappe brauchbarer
gemacht haben, als es bey den Deutſchen vor dieſem nicht war.

5. §.

Die eigentliche Zeit, wenn dieſe Verbeſſerung geſchehen, und wer
der Urheber davon ſey, iſt nicht wohl gewiß zu beſtimmen: ungeachtet
ich mir alle Muͤhe gegeben habe, es zuverlaͤßig zu erfahren. Vermuth-
lich iſt es noch kein Jahrhundert her: und ohne Zweifel iſt dieſe Verbeſſe-
rung in Frankreich zu eben der Zeit unternommen worden, da man die
Schallmey in den Hoboe, und den Bombard in den Baſſon verwan-
delt hat.

6. §.

Der erſte, der ſich auf der verbeſſerten Floͤte traverſiere, in Frank-
reich, beſonders hervor gethan, beruͤhmt und beliebt gemacht hat, iſt der,
wegen gewiſſer beſondern Schickſale, merkwuͤrdige Philibert. Hierauf
kam: la Barre, und Hotteterre le Romain. Dieſen folgeten
Buͤffardin und Blavet; brachten es aber in der Ausuͤbung viel wei-
ter als ihre Vorfahren.

7. §.

Wie nun dieſe itzt erzaͤhlten franzoͤſiſchen Tonkuͤnſtler die erſten ge-
weſen ſind, ſo dieſes Jnſtrument nach ſeinen Eigenſchaften gut geſpielet
haben: ſo haben es die Deutſchen von ihnen, und zwar in der verbeſſerten
Geſtalt, naͤmlich mit der einen Klappe, ſeit ohngefaͤhr funfzig oder ſech-
zig Jahren her, wieder bekommen. Der beſondere Beyfall, und die

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[24/0042] Das I. Hauptſtuͤck. Kurze Hiſtorie 3. §. Michael Praͤtorius nennet dieſe Floͤte, in ſeinem Theatro Inſtru- mentorum, welches 1620, zu einer Zeit, wo noch keine von den itzo daran befindlichen Klappen uͤblich war, in Wolfenbuͤttel gedrucket wor- den: die Querfloͤte. Dasjenige Jnſtrument aber, welches noch heut zu Tage bey den Soldaten zur Trummel gebrauchet wird, nennet er zum Unterſchied: die Schweitzerpfeiffe. 4. §. Es iſt alſo die Floͤte traverſiere vor dieſem nicht ſo, wie itzo, be- ſchaffen geweſen. Weil die, zu dem halben Tone Dis, unentbehrliche Klappe daran fehlete; konnte man darauf nicht aus allen Tonarten ſpielen. Jch habe ſelbſt eine von dieſer Art in Haͤnden, welche in Deutſchland, vor ohngefaͤhr ſechzig Jahren verfertiget worden, und welche eine Quarte tiefer ſteht, als die gewoͤhnlichen. Die Franzoſen ſind die erſten geweſen, welche dieſes Jnſtrument, durch Beyfuͤgung einer Klappe brauchbarer gemacht haben, als es bey den Deutſchen vor dieſem nicht war. 5. §. Die eigentliche Zeit, wenn dieſe Verbeſſerung geſchehen, und wer der Urheber davon ſey, iſt nicht wohl gewiß zu beſtimmen: ungeachtet ich mir alle Muͤhe gegeben habe, es zuverlaͤßig zu erfahren. Vermuth- lich iſt es noch kein Jahrhundert her: und ohne Zweifel iſt dieſe Verbeſſe- rung in Frankreich zu eben der Zeit unternommen worden, da man die Schallmey in den Hoboe, und den Bombard in den Baſſon verwan- delt hat. 6. §. Der erſte, der ſich auf der verbeſſerten Floͤte traverſiere, in Frank- reich, beſonders hervor gethan, beruͤhmt und beliebt gemacht hat, iſt der, wegen gewiſſer beſondern Schickſale, merkwuͤrdige Philibert. Hierauf kam: la Barre, und Hotteterre le Romain. Dieſen folgeten Buͤffardin und Blavet; brachten es aber in der Ausuͤbung viel wei- ter als ihre Vorfahren. 7. §. Wie nun dieſe itzt erzaͤhlten franzoͤſiſchen Tonkuͤnſtler die erſten ge- weſen ſind, ſo dieſes Jnſtrument nach ſeinen Eigenſchaften gut geſpielet haben: ſo haben es die Deutſchen von ihnen, und zwar in der verbeſſerten Geſtalt, naͤmlich mit der einen Klappe, ſeit ohngefaͤhr funfzig oder ſech- zig Jahren her, wieder bekommen. Der beſondere Beyfall, und die große

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Zitationshilfe: Quantz, Johann Joachim: Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen. Berlin, 1752, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/quantz_versuch_1752/42>, abgerufen am 29.03.2024.