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Quantz, Johann Joachim: Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen. Berlin, 1752.

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mehr als einmal überraschen zu können: als wenn er gleich das erstemal seine ganze Wissenschaft ausschüttet; und man ihn also ein für allemal gehöret hat.

32. §.

Wenn er von jemanden ersuchet wird, sich hören zu lassen, so thue er es bald, und ohne viele Grimassen oder verstellete Bescheidenheit. Hat er aber sein Stück geendiget; so dringe er sich nicht auf mehr, zu spielen, als von ihm verlanget wird: damit man ihn nicht wieder so viel bitten müsse aufzuhören, als man ihn bitten mußte anzufangen: wie man insgemein den Virtuosen nachsaget.

33. §.

Obwohl der Beyfall der Zuhörer zu einer Aufmunterung dienen kann: so muß man, dessen ungeachtet, durch das überflüßige Loben, welches bey der Musik zum Misbrauche worden, vielleicht weil es einige phantastische Ignoranten unter den welschen Sängern, bey aller ihrer Unwissenheit, fast als eine Pflicht, die man ihrem bloßen Namen schuldig seyn soll, verlangen, sich nicht verführen lassen. Man muß solches vielmehr, zumal wenn man es von guten Freunden erhält, eher für eine Schmeicheley, als für eine Wahrheit annehmen. Die rechte Wahrheit kann man eher durch vernünftige Feinde, als durch schmeichlerische Freunde, erfahren. Findet man aber einen verständigen, treuen, und von der Schmeicheley entferneten Freund, welcher gleich durchgeht; das was zu loben ist, lobet, und das was zu tadeln ist, tadelt: so hat man solchen billig als einen großen Schatz anzusehen, seinen Aussprüchen zu trauen, und nach denselben entweder ein Herz zu fassen, oder auf Besserung bedacht zu seyn. Sollten sich hingegen zuweilen einige finden, welche nur tadeln, niemals aber loben; welche, vielleicht aus verborgenen Absichten, alles was ein anderer, den sie für geringer halten als sich selbst, vorbringt, zu verwerfen suchen: so muß man sich dadurch eben auch nicht ganz und gar niederschlagen lassen. Man suche vielmehr seiner Sache immer gewisser zu werden; man erforsche mit Fleiß in wie weit sie Recht haben; man befrage andere Verständigere darum. Findet man etwas das besser seyn könnte, so verbessere man es sorgfältig; und vertrage im übrigen eine übertriebene Tadelsucht, mit einer großmüthigen Gelassenheit.



mehr als einmal überraschen zu können: als wenn er gleich das erstemal seine ganze Wissenschaft ausschüttet; und man ihn also ein für allemal gehöret hat.

32. §.

Wenn er von jemanden ersuchet wird, sich hören zu lassen, so thue er es bald, und ohne viele Grimassen oder verstellete Bescheidenheit. Hat er aber sein Stück geendiget; so dringe er sich nicht auf mehr, zu spielen, als von ihm verlanget wird: damit man ihn nicht wieder so viel bitten müsse aufzuhören, als man ihn bitten mußte anzufangen: wie man insgemein den Virtuosen nachsaget.

33. §.

Obwohl der Beyfall der Zuhörer zu einer Aufmunterung dienen kann: so muß man, dessen ungeachtet, durch das überflüßige Loben, welches bey der Musik zum Misbrauche worden, vielleicht weil es einige phantastische Ignoranten unter den welschen Sängern, bey aller ihrer Unwissenheit, fast als eine Pflicht, die man ihrem bloßen Namen schuldig seyn soll, verlangen, sich nicht verführen lassen. Man muß solches vielmehr, zumal wenn man es von guten Freunden erhält, eher für eine Schmeicheley, als für eine Wahrheit annehmen. Die rechte Wahrheit kann man eher durch vernünftige Feinde, als durch schmeichlerische Freunde, erfahren. Findet man aber einen verständigen, treuen, und von der Schmeicheley entferneten Freund, welcher gleich durchgeht; das was zu loben ist, lobet, und das was zu tadeln ist, tadelt: so hat man solchen billig als einen großen Schatz anzusehen, seinen Aussprüchen zu trauen, und nach denselben entweder ein Herz zu fassen, oder auf Besserung bedacht zu seyn. Sollten sich hingegen zuweilen einige finden, welche nur tadeln, niemals aber loben; welche, vielleicht aus verborgenen Absichten, alles was ein anderer, den sie für geringer halten als sich selbst, vorbringt, zu verwerfen suchen: so muß man sich dadurch eben auch nicht ganz und gar niederschlagen lassen. Man suche vielmehr seiner Sache immer gewisser zu werden; man erforsche mit Fleiß in wie weit sie Recht haben; man befrage andere Verständigere darum. Findet man etwas das besser seyn könnte, so verbessere man es sorgfältig; und vertrage im übrigen eine übertriebene Tadelsucht, mit einer großmüthigen Gelassenheit.



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[174/0188] mehr als einmal überraschen zu können: als wenn er gleich das erstemal seine ganze Wissenschaft ausschüttet; und man ihn also ein für allemal gehöret hat. 32. §. Wenn er von jemanden ersuchet wird, sich hören zu lassen, so thue er es bald, und ohne viele Grimassen oder verstellete Bescheidenheit. Hat er aber sein Stück geendiget; so dringe er sich nicht auf mehr, zu spielen, als von ihm verlanget wird: damit man ihn nicht wieder so viel bitten müsse aufzuhören, als man ihn bitten mußte anzufangen: wie man insgemein den Virtuosen nachsaget. 33. §. Obwohl der Beyfall der Zuhörer zu einer Aufmunterung dienen kann: so muß man, dessen ungeachtet, durch das überflüßige Loben, welches bey der Musik zum Misbrauche worden, vielleicht weil es einige phantastische Ignoranten unter den welschen Sängern, bey aller ihrer Unwissenheit, fast als eine Pflicht, die man ihrem bloßen Namen schuldig seyn soll, verlangen, sich nicht verführen lassen. Man muß solches vielmehr, zumal wenn man es von guten Freunden erhält, eher für eine Schmeicheley, als für eine Wahrheit annehmen. Die rechte Wahrheit kann man eher durch vernünftige Feinde, als durch schmeichlerische Freunde, erfahren. Findet man aber einen verständigen, treuen, und von der Schmeicheley entferneten Freund, welcher gleich durchgeht; das was zu loben ist, lobet, und das was zu tadeln ist, tadelt: so hat man solchen billig als einen großen Schatz anzusehen, seinen Aussprüchen zu trauen, und nach denselben entweder ein Herz zu fassen, oder auf Besserung bedacht zu seyn. Sollten sich hingegen zuweilen einige finden, welche nur tadeln, niemals aber loben; welche, vielleicht aus verborgenen Absichten, alles was ein anderer, den sie für geringer halten als sich selbst, vorbringt, zu verwerfen suchen: so muß man sich dadurch eben auch nicht ganz und gar niederschlagen lassen. Man suche vielmehr seiner Sache immer gewisser zu werden; man erforsche mit Fleiß in wie weit sie Recht haben; man befrage andere Verständigere darum. Findet man etwas das besser seyn könnte, so verbessere man es sorgfältig; und vertrage im übrigen eine übertriebene Tadelsucht, mit einer großmüthigen Gelassenheit.

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Zitationshilfe: Quantz, Johann Joachim: Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen. Berlin, 1752, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/quantz_versuchws_1752/188>, abgerufen am 28.03.2024.