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Quantz, Johann Joachim: Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen. Berlin, 1752.

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15. §.

Noch ist zu bemerken, daß wenn mehrere Dissonanzen von verschiedener Art auf einander folgen, und Dissonanzen in Dissonanzen aufgelöset werden; man auch den Ausdruck durch Verstärkung des Tones, und Vermehrung der Stimmen, immer mehr und mehr wachsen, und zunehmen lassen müsse. Daß aber die Quinte und Quarte, die None und Septime, die None und Quarte, und die Septime, wenn sie mit der Sexte und Quarte abwechselt, oder wenn sie über einer durchgehenden Note steht, keinen besondern Ausdruck erfodern; wird man nicht allein aus dem vorhabenden Exempel, sondern auch, und zwar noch vielmehr, durch die eigene Erfahrung und Empfindung sattsam erkennen können. Denn die Dissonanzen sind, wie oben schon gesaget worden, nicht alle von gleicher Erheblichkeit: sondern sie müssen wie das Salz und Gewürz an den Speisen betrachtet werden; da die Zunge von der einen Art immer mehr Wirkung empfindet, als von der andern.

16. §.

Sollen aber die Dissonanzen ihre gehörige Wirkung thun, daß nämlich die darauf folgenden Consonanzen desto angenehmer und gefälliger klingen; so müssen sie nicht nur, wie bisher gelehret worden, eine vor der andern, nachdem es ihre Art erfodert; sondern auch überhaupt gegen die Consonanzen stärker angeschlagen werden. Und wie ein jeder consonirender Accord auf dreyerley Art genommen werden kann; nämlich, daß entweder die Octave, oder die Terze, oder die Quinte oder Sexte in der Oberstimme liegen, und jedesmal eine andere Wirkung thun: so hat es auch gleiche Bewandtniß mit den dissonirenden Accorden. Man versuche es z. E. mit der kleinen Terze, übermäßigen Quarte, und Sexte, mit dem Grundtone zugleich angeschlagen; und nehme einmal die Terze, das anderemal die Quarte, das drittemal die Sexte in die Oberstimme; oder man verkehre die Septime, welche zwo von den Oberstimmen gegen einander machen, in die Secunde; so wird man finden, daß die dissonirenden Klänge, wenn sie nahe bey einander liegen, viel härter klingen, als wenn sie weit aus einander liegen. Es kömmt demnach hierinne auf die gute Beurtheilungskraft des Accompagnisten an; daß er die Klänge so zu versetzen wisse, wie es jedesmal der Sache Beschaffenheit erfodert.

17. §.

Auf einem Clavicymbal mit einem Claviere, kann das Piano durch einen gemäßigten Anschlag, und durch die Verminderung der Stimmen;

15. §.

Noch ist zu bemerken, daß wenn mehrere Dissonanzen von verschiedener Art auf einander folgen, und Dissonanzen in Dissonanzen aufgelöset werden; man auch den Ausdruck durch Verstärkung des Tones, und Vermehrung der Stimmen, immer mehr und mehr wachsen, und zunehmen lassen müsse. Daß aber die Quinte und Quarte, die None und Septime, die None und Quarte, und die Septime, wenn sie mit der Sexte und Quarte abwechselt, oder wenn sie über einer durchgehenden Note steht, keinen besondern Ausdruck erfodern; wird man nicht allein aus dem vorhabenden Exempel, sondern auch, und zwar noch vielmehr, durch die eigene Erfahrung und Empfindung sattsam erkennen können. Denn die Dissonanzen sind, wie oben schon gesaget worden, nicht alle von gleicher Erheblichkeit: sondern sie müssen wie das Salz und Gewürz an den Speisen betrachtet werden; da die Zunge von der einen Art immer mehr Wirkung empfindet, als von der andern.

16. §.

Sollen aber die Dissonanzen ihre gehörige Wirkung thun, daß nämlich die darauf folgenden Consonanzen desto angenehmer und gefälliger klingen; so müssen sie nicht nur, wie bisher gelehret worden, eine vor der andern, nachdem es ihre Art erfodert; sondern auch überhaupt gegen die Consonanzen stärker angeschlagen werden. Und wie ein jeder consonirender Accord auf dreyerley Art genommen werden kann; nämlich, daß entweder die Octave, oder die Terze, oder die Quinte oder Sexte in der Oberstimme liegen, und jedesmal eine andere Wirkung thun: so hat es auch gleiche Bewandtniß mit den dissonirenden Accorden. Man versuche es z. E. mit der kleinen Terze, übermäßigen Quarte, und Sexte, mit dem Grundtone zugleich angeschlagen; und nehme einmal die Terze, das anderemal die Quarte, das drittemal die Sexte in die Oberstimme; oder man verkehre die Septime, welche zwo von den Oberstimmen gegen einander machen, in die Secunde; so wird man finden, daß die dissonirenden Klänge, wenn sie nahe bey einander liegen, viel härter klingen, als wenn sie weit aus einander liegen. Es kömmt demnach hierinne auf die gute Beurtheilungskraft des Accompagnisten an; daß er die Klänge so zu versetzen wisse, wie es jedesmal der Sache Beschaffenheit erfodert.

17. §.

Auf einem Clavicymbal mit einem Claviere, kann das Piano durch einen gemäßigten Anschlag, und durch die Verminderung der Stimmen;

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[230/0244] 15. §. Noch ist zu bemerken, daß wenn mehrere Dissonanzen von verschiedener Art auf einander folgen, und Dissonanzen in Dissonanzen aufgelöset werden; man auch den Ausdruck durch Verstärkung des Tones, und Vermehrung der Stimmen, immer mehr und mehr wachsen, und zunehmen lassen müsse. Daß aber die Quinte und Quarte, die None und Septime, die None und Quarte, und die Septime, wenn sie mit der Sexte und Quarte abwechselt, oder wenn sie über einer durchgehenden Note steht, keinen besondern Ausdruck erfodern; wird man nicht allein aus dem vorhabenden Exempel, sondern auch, und zwar noch vielmehr, durch die eigene Erfahrung und Empfindung sattsam erkennen können. Denn die Dissonanzen sind, wie oben schon gesaget worden, nicht alle von gleicher Erheblichkeit: sondern sie müssen wie das Salz und Gewürz an den Speisen betrachtet werden; da die Zunge von der einen Art immer mehr Wirkung empfindet, als von der andern. 16. §. Sollen aber die Dissonanzen ihre gehörige Wirkung thun, daß nämlich die darauf folgenden Consonanzen desto angenehmer und gefälliger klingen; so müssen sie nicht nur, wie bisher gelehret worden, eine vor der andern, nachdem es ihre Art erfodert; sondern auch überhaupt gegen die Consonanzen stärker angeschlagen werden. Und wie ein jeder consonirender Accord auf dreyerley Art genommen werden kann; nämlich, daß entweder die Octave, oder die Terze, oder die Quinte oder Sexte in der Oberstimme liegen, und jedesmal eine andere Wirkung thun: so hat es auch gleiche Bewandtniß mit den dissonirenden Accorden. Man versuche es z. E. mit der kleinen Terze, übermäßigen Quarte, und Sexte, mit dem Grundtone zugleich angeschlagen; und nehme einmal die Terze, das anderemal die Quarte, das drittemal die Sexte in die Oberstimme; oder man verkehre die Septime, welche zwo von den Oberstimmen gegen einander machen, in die Secunde; so wird man finden, daß die dissonirenden Klänge, wenn sie nahe bey einander liegen, viel härter klingen, als wenn sie weit aus einander liegen. Es kömmt demnach hierinne auf die gute Beurtheilungskraft des Accompagnisten an; daß er die Klänge so zu versetzen wisse, wie es jedesmal der Sache Beschaffenheit erfodert. 17. §. Auf einem Clavicymbal mit einem Claviere, kann das Piano durch einen gemäßigten Anschlag, und durch die Verminderung der Stimmen;

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Zitationshilfe: Quantz, Johann Joachim: Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen. Berlin, 1752, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/quantz_versuchws_1752/244>, abgerufen am 19.04.2024.