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Quantz, Johann Joachim: Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen. Berlin, 1752.

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wenn man, neben verschiedenen Mängeln, nur einige von den oben erzähleten guten Haupteigenschaften bey einem Sänger antrifft: um ihm den gewöhnlichen Titel eines Virtuosen nicht zu versagen.

13. §.

Um einen Instrumentisten beurtheilen zu können, wird erfodert, daß man, vor allen Dingen, die Eigenschaften, und die damit verknüpften Schwierigkeiten der Instrumente verstehe: damit man nicht das Schwere für leicht, und das Leichte für schwer halte. Viele Dinge, so auf einigen Instrumenten schwer, und oftmals unmöglich sind, gehen hingen auf andern ganz leicht an. Es kann deswegen nicht ein jeder Instrumentist von eines andern seinen Verdiensten ein Urtheil fällen; wofern er nicht eben dasselbe Instrument spielet. Es wird sonst mehrentheils nur das, was ihm auf seinem Instrumente schwer vorkömmt, an dem andern bewundern; und hingegen das, was ihm selbst leicht fällt, bey dem andern für nichts halten. Man betrachte aber nur einmal den Unterschied, der sich zwischen gewissen Instrumenten, welche doch in einigen Stücken einander ähnlich sind, befindet. Man erwäge z. E. den Unterschied zwischen einer Violine und Viole d'amour; zwischen der Bratsche, dem Violoncell, der Viola da Gamba, und dem Contraviolon; zwischen dem Hoboe und dem Basson; zwischen der Laute, der Theorbe, und dem Mandolin; zwischen der Flöte traversiere und der Flöte a bec; zwischen der Trompete und dem Waldhorne; zwischen dem Clavichord, dem Clavicymbal, dem Pianoforte, und der Orgel. Man wird finden, daß, ungeachtet der Aehnlichkeit die sich dazwischen befindet, doch ein jedes, auf eine besondere und ihm eigene Art, tractiret werden müsse. Wie viel größer muß nun der Unterschied des Tractaments bey denen Instrumenten seyn, die gar keine Aehnlichkeit mit einander haben.

14. §.

Um dieses zu beweisen, will ich nur zwey Instrumente gegen einander anführen; woraus man hinlänglich wird abnehmen können, wie ein jedes Instrument sowohl seine besondere Leichtigkeit als Schwierigkeit habe. Die, welche ich hier zum Beyspiele nehme, sind die Violine, und die Flöte traversiere. Auf der Violine sind die Harpeggien, und die gebrochenen Passagien ganz leicht; auf der Flöte hingegen sind sie nicht nur sehr schwer, sondern sogar meistentheils unbrauchbar: weil bey der ersten oft nur der Bogen allein; bey der letztern aber Finger, Zunge, und Lippen zugleich, in einerley Fertigkeit, zu wirken haben. Auf der Violine kann man

wenn man, neben verschiedenen Mängeln, nur einige von den oben erzähleten guten Haupteigenschaften bey einem Sänger antrifft: um ihm den gewöhnlichen Titel eines Virtuosen nicht zu versagen.

13. §.

Um einen Instrumentisten beurtheilen zu können, wird erfodert, daß man, vor allen Dingen, die Eigenschaften, und die damit verknüpften Schwierigkeiten der Instrumente verstehe: damit man nicht das Schwere für leicht, und das Leichte für schwer halte. Viele Dinge, so auf einigen Instrumenten schwer, und oftmals unmöglich sind, gehen hingen auf andern ganz leicht an. Es kann deswegen nicht ein jeder Instrumentist von eines andern seinen Verdiensten ein Urtheil fällen; wofern er nicht eben dasselbe Instrument spielet. Es wird sonst mehrentheils nur das, was ihm auf seinem Instrumente schwer vorkömmt, an dem andern bewundern; und hingegen das, was ihm selbst leicht fällt, bey dem andern für nichts halten. Man betrachte aber nur einmal den Unterschied, der sich zwischen gewissen Instrumenten, welche doch in einigen Stücken einander ähnlich sind, befindet. Man erwäge z. E. den Unterschied zwischen einer Violine und Viole d'amour; zwischen der Bratsche, dem Violoncell, der Viola da Gamba, und dem Contraviolon; zwischen dem Hoboe und dem Basson; zwischen der Laute, der Theorbe, und dem Mandolin; zwischen der Flöte traversiere und der Flöte a bec; zwischen der Trompete und dem Waldhorne; zwischen dem Clavichord, dem Clavicymbal, dem Pianoforte, und der Orgel. Man wird finden, daß, ungeachtet der Aehnlichkeit die sich dazwischen befindet, doch ein jedes, auf eine besondere und ihm eigene Art, tractiret werden müsse. Wie viel größer muß nun der Unterschied des Tractaments bey denen Instrumenten seyn, die gar keine Aehnlichkeit mit einander haben.

14. §.

Um dieses zu beweisen, will ich nur zwey Instrumente gegen einander anführen; woraus man hinlänglich wird abnehmen können, wie ein jedes Instrument sowohl seine besondere Leichtigkeit als Schwierigkeit habe. Die, welche ich hier zum Beyspiele nehme, sind die Violine, und die Flöte traversiere. Auf der Violine sind die Harpeggien, und die gebrochenen Passagien ganz leicht; auf der Flöte hingegen sind sie nicht nur sehr schwer, sondern sogar meistentheils unbrauchbar: weil bey der ersten oft nur der Bogen allein; bey der letztern aber Finger, Zunge, und Lippen zugleich, in einerley Fertigkeit, zu wirken haben. Auf der Violine kann man

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[284/0298] wenn man, neben verschiedenen Mängeln, nur einige von den oben erzähleten guten Haupteigenschaften bey einem Sänger antrifft: um ihm den gewöhnlichen Titel eines Virtuosen nicht zu versagen. 13. §. Um einen Instrumentisten beurtheilen zu können, wird erfodert, daß man, vor allen Dingen, die Eigenschaften, und die damit verknüpften Schwierigkeiten der Instrumente verstehe: damit man nicht das Schwere für leicht, und das Leichte für schwer halte. Viele Dinge, so auf einigen Instrumenten schwer, und oftmals unmöglich sind, gehen hingen auf andern ganz leicht an. Es kann deswegen nicht ein jeder Instrumentist von eines andern seinen Verdiensten ein Urtheil fällen; wofern er nicht eben dasselbe Instrument spielet. Es wird sonst mehrentheils nur das, was ihm auf seinem Instrumente schwer vorkömmt, an dem andern bewundern; und hingegen das, was ihm selbst leicht fällt, bey dem andern für nichts halten. Man betrachte aber nur einmal den Unterschied, der sich zwischen gewissen Instrumenten, welche doch in einigen Stücken einander ähnlich sind, befindet. Man erwäge z. E. den Unterschied zwischen einer Violine und Viole d'amour; zwischen der Bratsche, dem Violoncell, der Viola da Gamba, und dem Contraviolon; zwischen dem Hoboe und dem Basson; zwischen der Laute, der Theorbe, und dem Mandolin; zwischen der Flöte traversiere und der Flöte a bec; zwischen der Trompete und dem Waldhorne; zwischen dem Clavichord, dem Clavicymbal, dem Pianoforte, und der Orgel. Man wird finden, daß, ungeachtet der Aehnlichkeit die sich dazwischen befindet, doch ein jedes, auf eine besondere und ihm eigene Art, tractiret werden müsse. Wie viel größer muß nun der Unterschied des Tractaments bey denen Instrumenten seyn, die gar keine Aehnlichkeit mit einander haben. 14. §. Um dieses zu beweisen, will ich nur zwey Instrumente gegen einander anführen; woraus man hinlänglich wird abnehmen können, wie ein jedes Instrument sowohl seine besondere Leichtigkeit als Schwierigkeit habe. Die, welche ich hier zum Beyspiele nehme, sind die Violine, und die Flöte traversiere. Auf der Violine sind die Harpeggien, und die gebrochenen Passagien ganz leicht; auf der Flöte hingegen sind sie nicht nur sehr schwer, sondern sogar meistentheils unbrauchbar: weil bey der ersten oft nur der Bogen allein; bey der letztern aber Finger, Zunge, und Lippen zugleich, in einerley Fertigkeit, zu wirken haben. Auf der Violine kann man

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Zitationshilfe: Quantz, Johann Joachim: Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen. Berlin, 1752, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/quantz_versuchws_1752/298>, abgerufen am 28.03.2024.