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Quantz, Johann Joachim: Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen. Berlin, 1752.

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noch sie übertäuben oder unterdrücken. 8) Im Ritornell muß man eine proportionirliche Länge beobachten. Es muß dasselbe wenigstens aus zweenen Haupttheilen bestehen. Der zweyte Theil davon, muß, weil man ihn am Ende des Satzes wiederholet, und damit schließet, mit den schönsten und prächtigsten Gedanken ausgekleidet werden. 9) Sofern der Anfangsgedanke vom Ritornell nicht singend, noch zum Solo bequem genug ist: so muß man einen neuen Gedanken, welcher jenem ganz entgegen ist, einführen, und mit den Anfangsgedanken dergestalt verbinden, daß man nicht bemerken könne, ob solches aus Noth, oder mit gutem Bedachte geschehen sey. 10) Die Solosätze müssen theils singend seyn, theils muß das Schmeichelnde mit brillanten, melodischen, und harmonischen, dem Instrumente aber gemäßen Passagien, untermischet, auch, um das Feuer bis ans Ende zu unterhalten, mit kurzen, lebhaften, und prächtigen Tuttisätzen abgewechselt werden. 11) Die concertirenden oder Solosätze dürfen nicht zu kurz, die mittelsten Tutti hingegen, nicht zu lang seyn. 12) Das Accompagnement unter dem Solo muß nicht solche Bewegungen haben, welche die concertirende Stimme verdunkeln könnten; es muß vielmehr immer wechselweise bald aus vielen, bald aus wenigen Stimmen bestehen: damit die Hauptstimme dann und wann Luft bekomme, sich mit mehrerer Freyheit hervor zu thun. Licht und Schatten muß überhaupt immer unterhalten werden. Wenn es die Passagien leiden, oder man sie solchergestalt zu erfinden weis, daß die begleitenden Stimmen darunter etwas bekanntes aus dem Ritornell anbringen können: so thut es eine gute Wirkung. 13) Man muß immer eine richtige und natürliche Modulation beobachten, und keine allzufremde Tonart, welche das Gehör beleidigen könnte, berühren. 14) Das Metrum, auf welches man in der Setzkunst überhaupt ein genaues Augenmerk zu richten hat, muß auch hier genau beobachtet werden. Die Cäsur, oder die Einschnitte der Melodie, dürfen im gemeinen geraden Tacte nicht auf das zweyte oder vierte Viertheil, und im Tripeltacte nicht auf den dritten oder fünften Tact fallen. Man muß das Metrum, so wie man es angefangen hat, es sey zu ganzen oder halben Tacten, oder im Tripeltacte zu zween, vier, oder acht Tacten, zu unterhalten suchen: weil ausserdem die künstlichste Composition mangelhaft wird. Im Tripeltacte wird, bey einem Arioso, wenn in demselben die Melodie öftere Abschnitte leidet, die Cäsur zu drey und zween Tacten nach einander zugelassen. 15) Die Passagien darf man durch die Transposition, nicht

noch sie übertäuben oder unterdrücken. 8) Im Ritornell muß man eine proportionirliche Länge beobachten. Es muß dasselbe wenigstens aus zweenen Haupttheilen bestehen. Der zweyte Theil davon, muß, weil man ihn am Ende des Satzes wiederholet, und damit schließet, mit den schönsten und prächtigsten Gedanken ausgekleidet werden. 9) Sofern der Anfangsgedanke vom Ritornell nicht singend, noch zum Solo bequem genug ist: so muß man einen neuen Gedanken, welcher jenem ganz entgegen ist, einführen, und mit den Anfangsgedanken dergestalt verbinden, daß man nicht bemerken könne, ob solches aus Noth, oder mit gutem Bedachte geschehen sey. 10) Die Solosätze müssen theils singend seyn, theils muß das Schmeichelnde mit brillanten, melodischen, und harmonischen, dem Instrumente aber gemäßen Passagien, untermischet, auch, um das Feuer bis ans Ende zu unterhalten, mit kurzen, lebhaften, und prächtigen Tuttisätzen abgewechselt werden. 11) Die concertirenden oder Solosätze dürfen nicht zu kurz, die mittelsten Tutti hingegen, nicht zu lang seyn. 12) Das Accompagnement unter dem Solo muß nicht solche Bewegungen haben, welche die concertirende Stimme verdunkeln könnten; es muß vielmehr immer wechselweise bald aus vielen, bald aus wenigen Stimmen bestehen: damit die Hauptstimme dann und wann Luft bekomme, sich mit mehrerer Freyheit hervor zu thun. Licht und Schatten muß überhaupt immer unterhalten werden. Wenn es die Passagien leiden, oder man sie solchergestalt zu erfinden weis, daß die begleitenden Stimmen darunter etwas bekanntes aus dem Ritornell anbringen können: so thut es eine gute Wirkung. 13) Man muß immer eine richtige und natürliche Modulation beobachten, und keine allzufremde Tonart, welche das Gehör beleidigen könnte, berühren. 14) Das Metrum, auf welches man in der Setzkunst überhaupt ein genaues Augenmerk zu richten hat, muß auch hier genau beobachtet werden. Die Cäsur, oder die Einschnitte der Melodie, dürfen im gemeinen geraden Tacte nicht auf das zweyte oder vierte Viertheil, und im Tripeltacte nicht auf den dritten oder fünften Tact fallen. Man muß das Metrum, so wie man es angefangen hat, es sey zu ganzen oder halben Tacten, oder im Tripeltacte zu zween, vier, oder acht Tacten, zu unterhalten suchen: weil ausserdem die künstlichste Composition mangelhaft wird. Im Tripeltacte wird, bey einem Arioso, wenn in demselben die Melodie öftere Abschnitte leidet, die Cäsur zu drey und zween Tacten nach einander zugelassen. 15) Die Passagien darf man durch die Transposition, nicht

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noch sie übertäuben oder unterdrücken. 8) Im Ritornell muß man eine proportionirliche Länge beobachten. Es muß dasselbe wenigstens aus zweenen Haupttheilen bestehen. Der zweyte Theil davon, muß, weil man ihn am Ende des Satzes wiederholet, und damit schließet, mit den schönsten und prächtigsten Gedanken ausgekleidet werden. 9) Sofern der Anfangsgedanke vom Ritornell nicht singend, noch zum Solo bequem genug ist: so muß man einen neuen Gedanken, welcher jenem ganz entgegen ist, einführen, und mit den Anfangsgedanken dergestalt verbinden, daß man nicht bemerken könne, ob solches aus Noth, oder mit gutem Bedachte geschehen sey. 10) Die Solosätze müssen theils singend seyn, theils muß das Schmeichelnde mit brillanten, melodischen, und harmonischen, dem Instrumente aber gemäßen Passagien, untermischet, auch, um das Feuer bis ans Ende zu unterhalten, mit kurzen, lebhaften, und prächtigen Tuttisätzen abgewechselt werden. 11) Die concertirenden oder Solosätze dürfen nicht zu kurz, die mittelsten Tutti hingegen, nicht zu lang seyn. 12) Das Accompagnement unter dem Solo muß nicht solche Bewegungen haben, welche die concertirende Stimme verdunkeln könnten; es muß vielmehr immer wechselweise bald aus vielen, bald aus wenigen Stimmen bestehen: damit die Hauptstimme dann und wann Luft bekomme, sich mit mehrerer Freyheit hervor zu thun. Licht und Schatten muß überhaupt immer unterhalten werden. Wenn es die Passagien leiden, oder man sie solchergestalt zu erfinden weis, daß die begleitenden Stimmen darunter etwas bekanntes aus dem Ritornell anbringen können: so thut es eine gute Wirkung. 13) Man muß immer eine richtige und natürliche Modulation beobachten, und keine allzufremde Tonart, welche das Gehör beleidigen könnte, berühren. 14) Das Metrum, auf welches man in der Setzkunst überhaupt ein genaues Augenmerk zu richten hat, muß auch hier genau beobachtet werden. Die Cäsur, oder die Einschnitte der Melodie, dürfen im gemeinen geraden Tacte nicht auf das zweyte oder vierte Viertheil, und im Tripeltacte nicht auf den dritten oder fünften Tact fallen. Man muß das Metrum, so wie man es angefangen hat, es sey zu ganzen oder halben Tacten, oder im Tripeltacte zu zween, vier, oder acht Tacten, zu unterhalten suchen: weil ausserdem die künstlichste Composition mangelhaft wird. Im Tripeltacte wird, bey einem Arioso, wenn in demselben die Melodie öftere Abschnitte leidet, die Cäsur zu drey und zween Tacten nach einander zugelassen. 15) Die Passagien darf man durch die Transposition, nicht
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[296/0310] noch sie übertäuben oder unterdrücken. 8) Im Ritornell muß man eine proportionirliche Länge beobachten. Es muß dasselbe wenigstens aus zweenen Haupttheilen bestehen. Der zweyte Theil davon, muß, weil man ihn am Ende des Satzes wiederholet, und damit schließet, mit den schönsten und prächtigsten Gedanken ausgekleidet werden. 9) Sofern der Anfangsgedanke vom Ritornell nicht singend, noch zum Solo bequem genug ist: so muß man einen neuen Gedanken, welcher jenem ganz entgegen ist, einführen, und mit den Anfangsgedanken dergestalt verbinden, daß man nicht bemerken könne, ob solches aus Noth, oder mit gutem Bedachte geschehen sey. 10) Die Solosätze müssen theils singend seyn, theils muß das Schmeichelnde mit brillanten, melodischen, und harmonischen, dem Instrumente aber gemäßen Passagien, untermischet, auch, um das Feuer bis ans Ende zu unterhalten, mit kurzen, lebhaften, und prächtigen Tuttisätzen abgewechselt werden. 11) Die concertirenden oder Solosätze dürfen nicht zu kurz, die mittelsten Tutti hingegen, nicht zu lang seyn. 12) Das Accompagnement unter dem Solo muß nicht solche Bewegungen haben, welche die concertirende Stimme verdunkeln könnten; es muß vielmehr immer wechselweise bald aus vielen, bald aus wenigen Stimmen bestehen: damit die Hauptstimme dann und wann Luft bekomme, sich mit mehrerer Freyheit hervor zu thun. Licht und Schatten muß überhaupt immer unterhalten werden. Wenn es die Passagien leiden, oder man sie solchergestalt zu erfinden weis, daß die begleitenden Stimmen darunter etwas bekanntes aus dem Ritornell anbringen können: so thut es eine gute Wirkung. 13) Man muß immer eine richtige und natürliche Modulation beobachten, und keine allzufremde Tonart, welche das Gehör beleidigen könnte, berühren. 14) Das Metrum, auf welches man in der Setzkunst überhaupt ein genaues Augenmerk zu richten hat, muß auch hier genau beobachtet werden. Die Cäsur, oder die Einschnitte der Melodie, dürfen im gemeinen geraden Tacte nicht auf das zweyte oder vierte Viertheil, und im Tripeltacte nicht auf den dritten oder fünften Tact fallen. Man muß das Metrum, so wie man es angefangen hat, es sey zu ganzen oder halben Tacten, oder im Tripeltacte zu zween, vier, oder acht Tacten, zu unterhalten suchen: weil ausserdem die künstlichste Composition mangelhaft wird. Im Tripeltacte wird, bey einem Arioso, wenn in demselben die Melodie öftere Abschnitte leidet, die Cäsur zu drey und zween Tacten nach einander zugelassen. 15) Die Passagien darf man durch die Transposition, nicht

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Zitationshilfe: Quantz, Johann Joachim: Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen. Berlin, 1752, S. 296. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/quantz_versuchws_1752/310>, abgerufen am 18.04.2024.