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Quantz, Johann Joachim: Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen. Berlin, 1752.

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kann dieses letztere nicht eher verlanget werden, als bis man die ersten zwo Octaven, schon mit einer Leichtigkeit, heraus zu bringen fähig ist.

14. §.

Bey denen im vorigen § gemeldeten Tönen darf der Wind keinesweges verstärket oder verdoppelt werden: wie Mr. Vaucanson, in seinem mechanischen Flötenspieler, irrig lehret; indem er vorgiebt, daß man die Octaven, auf der Flöte traversiere, nicht anders als auf solche Art, heraus bringen könne. Sie müßen vielmehr durch das Zusammenpressen der Luft in dem Mundloche der Flöte, welches aus dem Vorwärtsschieben des Kinns und der Lippen entsteht, gewirket werden: und ist jenes also eine ganz falsche und schädliche Meynung. Das Gegentheil erhellet auch daraus, weil man in der Höhe mit dem Athem länger aushalten kann, als in der Tiefe; und also unmöglich mehr Wind drauf gehen kann. Ich gebe zu, daß die Art des Herrn Vaucanson, bey einer Flöte, so durch eine Maschine gespielet wird, nöthig sey: weil hier die Bewegungen der Lippen eingeschränket sind. Ich weis aber auch aus der Erfahrung, daß bey solchen mechanischen Flötenspielern, die Regel, daß die tiefen Töne stark, und die hohen hingegen schwach gespielet werden müssen, nicht beobachtet wird. Sollten nun die Octaven durch die Stärke und Verdoppelung des Windes herausgebracht werden; so würde folgen, daß die hohen Töne stärker, als die tiefen angeblasen werden müßten: welches aber wider die Eigenschaft der Flöte ist, und die hohen Töne überaus rauh und unangenehm machet. Man muß sich also dadurch auf keinen Irrweg verführen laßen.

15. §.

Es ist wahr; es giebt viele Flötenspieler, so wider diese Regeln handeln. Dieses fließt aus dem schlechten Ansatze, den sie haben: daß sie nämlich das Mundloch nicht bis an die Hälfte mit der Lippe bedecken; sondern daßelbe zu weit offen laßen: wodurch sie des Vortheils beraubet werden, in den tiefen Tönen die Lippen zurück zu ziehen, und in den hohen Tönen dieselben genugsam vorwärts zu schieben. Weil also das Mundloch zu weit offen ist: so müssen sie die hohen Töne, aus Noth, durch stärkeres Blasen heraus zwingen. Sie wißen auch nichts von der nöthigen Bewegung des Kinns und der Lippen; sondern lassen dieselben beständig unbeweglich stehen: da doch das Reinspielen der Flöte von dieser Bewegung großen Theils abhängt. Durch mehrere oder wenigere Oeffnung des Mundloches, kann man die Flöte, einen Viertheil, einen

kann dieses letztere nicht eher verlanget werden, als bis man die ersten zwo Octaven, schon mit einer Leichtigkeit, heraus zu bringen fähig ist.

14. §.

Bey denen im vorigen § gemeldeten Tönen darf der Wind keinesweges verstärket oder verdoppelt werden: wie Mr. Vaucanson, in seinem mechanischen Flötenspieler, irrig lehret; indem er vorgiebt, daß man die Octaven, auf der Flöte traversiere, nicht anders als auf solche Art, heraus bringen könne. Sie müßen vielmehr durch das Zusammenpressen der Luft in dem Mundloche der Flöte, welches aus dem Vorwärtsschieben des Kinns und der Lippen entsteht, gewirket werden: und ist jenes also eine ganz falsche und schädliche Meynung. Das Gegentheil erhellet auch daraus, weil man in der Höhe mit dem Athem länger aushalten kann, als in der Tiefe; und also unmöglich mehr Wind drauf gehen kann. Ich gebe zu, daß die Art des Herrn Vaucanson, bey einer Flöte, so durch eine Maschine gespielet wird, nöthig sey: weil hier die Bewegungen der Lippen eingeschränket sind. Ich weis aber auch aus der Erfahrung, daß bey solchen mechanischen Flötenspielern, die Regel, daß die tiefen Töne stark, und die hohen hingegen schwach gespielet werden müssen, nicht beobachtet wird. Sollten nun die Octaven durch die Stärke und Verdoppelung des Windes herausgebracht werden; so würde folgen, daß die hohen Töne stärker, als die tiefen angeblasen werden müßten: welches aber wider die Eigenschaft der Flöte ist, und die hohen Töne überaus rauh und unangenehm machet. Man muß sich also dadurch auf keinen Irrweg verführen laßen.

15. §.

Es ist wahr; es giebt viele Flötenspieler, so wider diese Regeln handeln. Dieses fließt aus dem schlechten Ansatze, den sie haben: daß sie nämlich das Mundloch nicht bis an die Hälfte mit der Lippe bedecken; sondern daßelbe zu weit offen laßen: wodurch sie des Vortheils beraubet werden, in den tiefen Tönen die Lippen zurück zu ziehen, und in den hohen Tönen dieselben genugsam vorwärts zu schieben. Weil also das Mundloch zu weit offen ist: so müssen sie die hohen Töne, aus Noth, durch stärkeres Blasen heraus zwingen. Sie wißen auch nichts von der nöthigen Bewegung des Kinns und der Lippen; sondern lassen dieselben beständig unbeweglich stehen: da doch das Reinspielen der Flöte von dieser Bewegung großen Theils abhängt. Durch mehrere oder wenigere Oeffnung des Mundloches, kann man die Flöte, einen Viertheil, einen

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[46/0060] kann dieses letztere nicht eher verlanget werden, als bis man die ersten zwo Octaven, schon mit einer Leichtigkeit, heraus zu bringen fähig ist. 14. §. Bey denen im vorigen § gemeldeten Tönen darf der Wind keinesweges verstärket oder verdoppelt werden: wie Mr. Vaucanson, in seinem mechanischen Flötenspieler, irrig lehret; indem er vorgiebt, daß man die Octaven, auf der Flöte traversiere, nicht anders als auf solche Art, heraus bringen könne. Sie müßen vielmehr durch das Zusammenpressen der Luft in dem Mundloche der Flöte, welches aus dem Vorwärtsschieben des Kinns und der Lippen entsteht, gewirket werden: und ist jenes also eine ganz falsche und schädliche Meynung. Das Gegentheil erhellet auch daraus, weil man in der Höhe mit dem Athem länger aushalten kann, als in der Tiefe; und also unmöglich mehr Wind drauf gehen kann. Ich gebe zu, daß die Art des Herrn Vaucanson, bey einer Flöte, so durch eine Maschine gespielet wird, nöthig sey: weil hier die Bewegungen der Lippen eingeschränket sind. Ich weis aber auch aus der Erfahrung, daß bey solchen mechanischen Flötenspielern, die Regel, daß die tiefen Töne stark, und die hohen hingegen schwach gespielet werden müssen, nicht beobachtet wird. Sollten nun die Octaven durch die Stärke und Verdoppelung des Windes herausgebracht werden; so würde folgen, daß die hohen Töne stärker, als die tiefen angeblasen werden müßten: welches aber wider die Eigenschaft der Flöte ist, und die hohen Töne überaus rauh und unangenehm machet. Man muß sich also dadurch auf keinen Irrweg verführen laßen. 15. §. Es ist wahr; es giebt viele Flötenspieler, so wider diese Regeln handeln. Dieses fließt aus dem schlechten Ansatze, den sie haben: daß sie nämlich das Mundloch nicht bis an die Hälfte mit der Lippe bedecken; sondern daßelbe zu weit offen laßen: wodurch sie des Vortheils beraubet werden, in den tiefen Tönen die Lippen zurück zu ziehen, und in den hohen Tönen dieselben genugsam vorwärts zu schieben. Weil also das Mundloch zu weit offen ist: so müssen sie die hohen Töne, aus Noth, durch stärkeres Blasen heraus zwingen. Sie wißen auch nichts von der nöthigen Bewegung des Kinns und der Lippen; sondern lassen dieselben beständig unbeweglich stehen: da doch das Reinspielen der Flöte von dieser Bewegung großen Theils abhängt. Durch mehrere oder wenigere Oeffnung des Mundloches, kann man die Flöte, einen Viertheil, einen

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Zitationshilfe: Quantz, Johann Joachim: Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen. Berlin, 1752, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/quantz_versuchws_1752/60>, abgerufen am 28.03.2024.