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Quenstedt, Friedrich August: Handbuch der Mineralogie. Tübingen, 1855.

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Gebirgsarten: Lava.
Lava bildet der Mühlstein von Niedermending bei Meyen in Rheinpreußen,
durch den Hauyn pag. 298 den Mineralogen so bekannt. Schon Theo-
phrast §. 40 nennt solche "schwarzen Bimsteine" von Sicilien lapis molaris,
und Agricola 614 unterscheidet sie sehr wohl von den quarzigen Mühl-
steinen. Denn Laven mit solchen eckigen Poren eignen sich besonders zu
Mühlsteinen. Wenn Feldspath vorkommt, so ist es Kieselerdearmer
Labrador oder Anorthit. An der Somma und im Albanergebirge spielen
die Leucitlaven (Leucitophyre) eine bedeutende Rolle, sehr rauhe poröse
Gesteine, in welchen die Leucitoeder ringsum gebildet in großer Menge
zerstreut liegen. Unendlich groß ist die Zahl der Analysen, und mannig-
fach ihre Deutung, im Allgemeinen sind die Augitlaven aber Kieselerde-
ärmer als die Trachytlaven.

Der Gegensatz von Feldspath- und Augitgesteinen, welcher in der
Basalt- und Lavengruppe so deutlich hervortritt, hat in neueren Zeiten
Bunsen (Pogg. Ann. 83. 197) zu einer Hypothese verleitet, die viel
Lockendes hat, so schwer auch die Durchführung des Beweises werden mag.
Der geistreiche Chemiker, gestützt auf zahlreiche Analysen Isländischer
Gesteine behauptet, daß es auf jener großen Vulkaninsel troz der Mannig-
faltigkeit der Laven nur zwei Hauptgruppen gebe, deren extreme Glieder
seien

[Tabelle]

Die trachytischen entsprechen fast genau einem zweifach sauren Ge-
menge von Thonerde- und Alkali-Silikaten, in denen Kalk, Magnesia
und Eisenoxydul bis zum Verschwinden zurücktritt. Der Sauerstoff der
Säure verhält sich zu dem der Basen wie 3 : 0,596, in den augitischen
wie 3 : 1,998, letztere sind also entschieden basisch. Durch Vermischung
dieser beiden Extreme sollen nun sämmtliche Laven Islands entstanden
sein, was auf einen doppelten Heerd in der Tiefe hinweisen würde, deren
Spiel seit dem Hervortauchen der Insel fortgedauert haben müßte. Ja
die Gänge scheinen dieß sogar handgreiflich zu machen: so setzt in einem
der südöstlichen Thaleinschnitte des Esjagebirges, Mosfell gegenüber, ein
Trachytgang durch das dortige conglomeratische Augitgestein. Der Trachyt
in der Mitte des Ganges gehört zum normal trachytischen Gesteine von
weißer Farbe, nach der umschließenden Gebirgsart hin wird er allmählig
dunkeler und eisenhaltig, und am Salbande besteht er deutlich aus einem
Gemisch von trachytischer und pyroxenischer Masse, wie chemische Analyse
und Augenschein bewies.

Würde diese Ansicht durchschlagen, die Bunsen noch mit mehreren
Beispielen anderer Orte (Ararat) beweist, so hätte in Zukunft die Ge-
steinsbestimmung ganz andere Wege einzuschlagen: es käme dann nicht
mehr auf diese oder jene unbedeutende Verschiedenheit in der Mengung
an, die zu so vielen Namen die Veranlassung gegeben hat, sondern man

Gebirgsarten: Lava.
Lava bildet der Mühlſtein von Niedermending bei Meyen in Rheinpreußen,
durch den Hauyn pag. 298 den Mineralogen ſo bekannt. Schon Theo-
phraſt §. 40 nennt ſolche „ſchwarzen Bimſteine“ von Sicilien lapis molaris,
und Agricola 614 unterſcheidet ſie ſehr wohl von den quarzigen Mühl-
ſteinen. Denn Laven mit ſolchen eckigen Poren eignen ſich beſonders zu
Mühlſteinen. Wenn Feldſpath vorkommt, ſo iſt es Kieſelerdearmer
Labrador oder Anorthit. An der Somma und im Albanergebirge ſpielen
die Leucitlaven (Leucitophyre) eine bedeutende Rolle, ſehr rauhe poröſe
Geſteine, in welchen die Leucitoeder ringsum gebildet in großer Menge
zerſtreut liegen. Unendlich groß iſt die Zahl der Analyſen, und mannig-
fach ihre Deutung, im Allgemeinen ſind die Augitlaven aber Kieſelerde-
ärmer als die Trachytlaven.

Der Gegenſatz von Feldſpath- und Augitgeſteinen, welcher in der
Baſalt- und Lavengruppe ſo deutlich hervortritt, hat in neueren Zeiten
Bunſen (Pogg. Ann. 83. 197) zu einer Hypotheſe verleitet, die viel
Lockendes hat, ſo ſchwer auch die Durchführung des Beweiſes werden mag.
Der geiſtreiche Chemiker, geſtützt auf zahlreiche Analyſen Isländiſcher
Geſteine behauptet, daß es auf jener großen Vulkaninſel troz der Mannig-
faltigkeit der Laven nur zwei Hauptgruppen gebe, deren extreme Glieder
ſeien

[Tabelle]

Die trachytiſchen entſprechen faſt genau einem zweifach ſauren Ge-
menge von Thonerde- und Alkali-Silikaten, in denen Kalk, Magneſia
und Eiſenoxydul bis zum Verſchwinden zurücktritt. Der Sauerſtoff der
Säure verhält ſich zu dem der Baſen wie 3 : 0,596, in den augitiſchen
wie 3 : 1,998, letztere ſind alſo entſchieden baſiſch. Durch Vermiſchung
dieſer beiden Extreme ſollen nun ſämmtliche Laven Islands entſtanden
ſein, was auf einen doppelten Heerd in der Tiefe hinweiſen würde, deren
Spiel ſeit dem Hervortauchen der Inſel fortgedauert haben müßte. Ja
die Gänge ſcheinen dieß ſogar handgreiflich zu machen: ſo ſetzt in einem
der ſüdöſtlichen Thaleinſchnitte des Esjagebirges, Mosfell gegenüber, ein
Trachytgang durch das dortige conglomeratiſche Augitgeſtein. Der Trachyt
in der Mitte des Ganges gehört zum normal trachytiſchen Geſteine von
weißer Farbe, nach der umſchließenden Gebirgsart hin wird er allmählig
dunkeler und eiſenhaltig, und am Salbande beſteht er deutlich aus einem
Gemiſch von trachytiſcher und pyroxeniſcher Maſſe, wie chemiſche Analyſe
und Augenſchein bewies.

Würde dieſe Anſicht durchſchlagen, die Bunſen noch mit mehreren
Beiſpielen anderer Orte (Ararat) beweiſt, ſo hätte in Zukunft die Ge-
ſteinsbeſtimmung ganz andere Wege einzuſchlagen: es käme dann nicht
mehr auf dieſe oder jene unbedeutende Verſchiedenheit in der Mengung
an, die zu ſo vielen Namen die Veranlaſſung gegeben hat, ſondern man

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[681/0693] Gebirgsarten: Lava. Lava bildet der Mühlſtein von Niedermending bei Meyen in Rheinpreußen, durch den Hauyn pag. 298 den Mineralogen ſo bekannt. Schon Theo- phraſt §. 40 nennt ſolche „ſchwarzen Bimſteine“ von Sicilien lapis molaris, und Agricola 614 unterſcheidet ſie ſehr wohl von den quarzigen Mühl- ſteinen. Denn Laven mit ſolchen eckigen Poren eignen ſich beſonders zu Mühlſteinen. Wenn Feldſpath vorkommt, ſo iſt es Kieſelerdearmer Labrador oder Anorthit. An der Somma und im Albanergebirge ſpielen die Leucitlaven (Leucitophyre) eine bedeutende Rolle, ſehr rauhe poröſe Geſteine, in welchen die Leucitoeder ringsum gebildet in großer Menge zerſtreut liegen. Unendlich groß iſt die Zahl der Analyſen, und mannig- fach ihre Deutung, im Allgemeinen ſind die Augitlaven aber Kieſelerde- ärmer als die Trachytlaven. Der Gegenſatz von Feldſpath- und Augitgeſteinen, welcher in der Baſalt- und Lavengruppe ſo deutlich hervortritt, hat in neueren Zeiten Bunſen (Pogg. Ann. 83. 197) zu einer Hypotheſe verleitet, die viel Lockendes hat, ſo ſchwer auch die Durchführung des Beweiſes werden mag. Der geiſtreiche Chemiker, geſtützt auf zahlreiche Analyſen Isländiſcher Geſteine behauptet, daß es auf jener großen Vulkaninſel troz der Mannig- faltigkeit der Laven nur zwei Hauptgruppen gebe, deren extreme Glieder ſeien Die trachytiſchen entſprechen faſt genau einem zweifach ſauren Ge- menge von Thonerde- und Alkali-Silikaten, in denen Kalk, Magneſia und Eiſenoxydul bis zum Verſchwinden zurücktritt. Der Sauerſtoff der Säure verhält ſich zu dem der Baſen wie 3 : 0,596, in den augitiſchen wie 3 : 1,998, letztere ſind alſo entſchieden baſiſch. Durch Vermiſchung dieſer beiden Extreme ſollen nun ſämmtliche Laven Islands entſtanden ſein, was auf einen doppelten Heerd in der Tiefe hinweiſen würde, deren Spiel ſeit dem Hervortauchen der Inſel fortgedauert haben müßte. Ja die Gänge ſcheinen dieß ſogar handgreiflich zu machen: ſo ſetzt in einem der ſüdöſtlichen Thaleinſchnitte des Esjagebirges, Mosfell gegenüber, ein Trachytgang durch das dortige conglomeratiſche Augitgeſtein. Der Trachyt in der Mitte des Ganges gehört zum normal trachytiſchen Geſteine von weißer Farbe, nach der umſchließenden Gebirgsart hin wird er allmählig dunkeler und eiſenhaltig, und am Salbande beſteht er deutlich aus einem Gemiſch von trachytiſcher und pyroxeniſcher Maſſe, wie chemiſche Analyſe und Augenſchein bewies. Würde dieſe Anſicht durchſchlagen, die Bunſen noch mit mehreren Beiſpielen anderer Orte (Ararat) beweiſt, ſo hätte in Zukunft die Ge- ſteinsbeſtimmung ganz andere Wege einzuſchlagen: es käme dann nicht mehr auf dieſe oder jene unbedeutende Verſchiedenheit in der Mengung an, die zu ſo vielen Namen die Veranlaſſung gegeben hat, ſondern man

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Zitationshilfe: Quenstedt, Friedrich August: Handbuch der Mineralogie. Tübingen, 1855, S. 681. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/quenstedt_mineralogie_1854/693>, abgerufen am 19.04.2024.