Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896.

Bild:
<< vorherige Seite

Sünderin nicht ihren Lohn dahin aufgezahlt, wohin
er von Rechts wegen gehörte, er zog nur die "wider¬
borstige Range" am Arm hinter sich her durch den
Garten, und trat mit ihr ins Haus und in die
Stube und sagte, ohne sich um seine Madame Trotzen¬
dorff im geringsten zu kümmern:

"Sehen Sie doch mal nach, Frau Doktern. Ich
meine sie hat auch eine häßliche Brandwunde am
Ellbogen. Ich habe sie oben am Osterberge mit dem
Gesicht im Grase und mit dem Arm im feuchten
kühlen Erdboden und Moose begraben gefunden.
Ich war wegen einer Holzabfuhr da oben, und bin
dem verbissenen Geschluchze seitwärts in den Busch
nachgegangen. Ist das eine Komödie! ist das eine
Schwefelbande! Na, nu fangen Sie nur nicht auch an
zu schluchzen, Madame -- Mistreß Trotzendorff. Lieber
Gott, Frau Doktern, und nun fangen auch Sie noch
an, den alten Hartleben wehleidig anzusehen! Ja,
das ist recht, sehen Sie erst nach dem Kinde. Nicht
wahr eine arge Brandblase. Und damit in den
Wald laufen, soweit als möglich von den Menschen
weg. Je ärger der Schmerz, desto dickköpfiger die
Verstockung, der Trotz und Eigensinn. Na, na, die
Beiden passen zusammen, Frau Doktern, Ihr Junge
und dies kuriose Geschöpfe, unser Lenchen Trotzendorff.
Ich sage nichts, aber wenn diese Zwei sich durch die

Sünderin nicht ihren Lohn dahin aufgezahlt, wohin
er von Rechts wegen gehörte, er zog nur die „wider¬
borſtige Range“ am Arm hinter ſich her durch den
Garten, und trat mit ihr ins Haus und in die
Stube und ſagte, ohne ſich um ſeine Madame Trotzen¬
dorff im geringſten zu kümmern:

„Sehen Sie doch mal nach, Frau Doktern. Ich
meine ſie hat auch eine häßliche Brandwunde am
Ellbogen. Ich habe ſie oben am Oſterberge mit dem
Geſicht im Graſe und mit dem Arm im feuchten
kühlen Erdboden und Mooſe begraben gefunden.
Ich war wegen einer Holzabfuhr da oben, und bin
dem verbiſſenen Geſchluchze ſeitwärts in den Buſch
nachgegangen. Iſt das eine Komödie! iſt das eine
Schwefelbande! Na, nu fangen Sie nur nicht auch an
zu ſchluchzen, Madame — Miſtreß Trotzendorff. Lieber
Gott, Frau Doktern, und nun fangen auch Sie noch
an, den alten Hartleben wehleidig anzuſehen! Ja,
das iſt recht, ſehen Sie erſt nach dem Kinde. Nicht
wahr eine arge Brandblaſe. Und damit in den
Wald laufen, ſoweit als möglich von den Menſchen
weg. Je ärger der Schmerz, deſto dickköpfiger die
Verſtockung, der Trotz und Eigenſinn. Na, na, die
Beiden paſſen zuſammen, Frau Doktern, Ihr Junge
und dies kurioſe Geſchöpfe, unſer Lenchen Trotzendorff.
Ich ſage nichts, aber wenn dieſe Zwei ſich durch die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0049" n="39"/>
Sünderin nicht ihren Lohn dahin aufgezahlt, wohin<lb/>
er von Rechts wegen gehörte, er zog nur die &#x201E;wider¬<lb/>
bor&#x017F;tige Range&#x201C; am Arm hinter &#x017F;ich her durch den<lb/>
Garten, und trat mit ihr ins Haus und in die<lb/>
Stube und &#x017F;agte, ohne &#x017F;ich um &#x017F;eine Madame Trotzen¬<lb/>
dorff im gering&#x017F;ten zu kümmern:</p><lb/>
      <p>&#x201E;Sehen Sie doch mal nach, Frau Doktern. Ich<lb/>
meine &#x017F;ie hat auch eine häßliche Brandwunde am<lb/>
Ellbogen. Ich habe &#x017F;ie oben am O&#x017F;terberge mit dem<lb/>
Ge&#x017F;icht im Gra&#x017F;e und mit dem Arm im feuchten<lb/>
kühlen Erdboden und Moo&#x017F;e begraben gefunden.<lb/>
Ich war wegen einer Holzabfuhr da oben, und bin<lb/>
dem verbi&#x017F;&#x017F;enen Ge&#x017F;chluchze &#x017F;eitwärts in den Bu&#x017F;ch<lb/>
nachgegangen. I&#x017F;t das eine Komödie! i&#x017F;t das eine<lb/>
Schwefelbande! Na, nu fangen Sie nur nicht auch an<lb/>
zu &#x017F;chluchzen, Madame &#x2014; Mi&#x017F;treß Trotzendorff. Lieber<lb/>
Gott, Frau Doktern, und nun fangen auch Sie noch<lb/>
an, den alten Hartleben wehleidig anzu&#x017F;ehen! Ja,<lb/>
das i&#x017F;t recht, &#x017F;ehen Sie er&#x017F;t nach dem Kinde. Nicht<lb/>
wahr eine arge Brandbla&#x017F;e. Und damit in den<lb/>
Wald laufen, &#x017F;oweit als möglich von den Men&#x017F;chen<lb/>
weg. Je ärger der Schmerz, de&#x017F;to dickköpfiger die<lb/>
Ver&#x017F;tockung, der Trotz und Eigen&#x017F;inn. Na, na, die<lb/>
Beiden pa&#x017F;&#x017F;en zu&#x017F;ammen, Frau Doktern, Ihr Junge<lb/>
und dies kurio&#x017F;e Ge&#x017F;chöpfe, un&#x017F;er Lenchen Trotzendorff.<lb/>
Ich &#x017F;age nichts, aber wenn die&#x017F;e Zwei &#x017F;ich durch die<lb/></p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[39/0049] Sünderin nicht ihren Lohn dahin aufgezahlt, wohin er von Rechts wegen gehörte, er zog nur die „wider¬ borſtige Range“ am Arm hinter ſich her durch den Garten, und trat mit ihr ins Haus und in die Stube und ſagte, ohne ſich um ſeine Madame Trotzen¬ dorff im geringſten zu kümmern: „Sehen Sie doch mal nach, Frau Doktern. Ich meine ſie hat auch eine häßliche Brandwunde am Ellbogen. Ich habe ſie oben am Oſterberge mit dem Geſicht im Graſe und mit dem Arm im feuchten kühlen Erdboden und Mooſe begraben gefunden. Ich war wegen einer Holzabfuhr da oben, und bin dem verbiſſenen Geſchluchze ſeitwärts in den Buſch nachgegangen. Iſt das eine Komödie! iſt das eine Schwefelbande! Na, nu fangen Sie nur nicht auch an zu ſchluchzen, Madame — Miſtreß Trotzendorff. Lieber Gott, Frau Doktern, und nun fangen auch Sie noch an, den alten Hartleben wehleidig anzuſehen! Ja, das iſt recht, ſehen Sie erſt nach dem Kinde. Nicht wahr eine arge Brandblaſe. Und damit in den Wald laufen, ſoweit als möglich von den Menſchen weg. Je ärger der Schmerz, deſto dickköpfiger die Verſtockung, der Trotz und Eigenſinn. Na, na, die Beiden paſſen zuſammen, Frau Doktern, Ihr Junge und dies kurioſe Geſchöpfe, unſer Lenchen Trotzendorff. Ich ſage nichts, aber wenn dieſe Zwei ſich durch die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/49
Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/49>, abgerufen am 19.04.2024.