Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889.

Bild:
<< vorherige Seite
Eilftes Kapitel.

"Herr Magister!"

Das wurde wie in einen tiefen Brunnen hinab¬
gerufen, und es dauerte seine Weile, ehe Antwort herauf¬
kam.

"Herr Magister Buchius!"

"Eh -- eh -- heu! Si fractus illabitur --",

"Jawohl -- orbis! wenn der Erdball einfällt, den
Weisen weckt's nicht! Eben schlagen sie das Hofthor
ein, und der alte Impavidus nimmt's bloß für den Welt¬
untergang und schnarcht weiter, weil ihn die Ruinirung
garnichts angeht. Einen famosen Schlaf mit gutem
Gewissen muß der alte Herr bei dem Lärm haben!
Aber auf muß er. Herr Magister! Herr Magister
Buchius -- die Schulglocke!"

Beim letzten Wort saß der alte Schulmeister auf¬
recht auf seinem Bett, mit beiden Händen hastig um
sich herum greifend, wie nach seinen nöthigsten Klei¬
dungsstücken, seinen Büchern, seinem nur zu harmlosen
Bakel. Dem jungen grinsenden Bösewicht zitterte in
seiner Lust an dem Witz die Lampe, mit der er dem

Eilftes Kapitel.

„Herr Magiſter!“

Das wurde wie in einen tiefen Brunnen hinab¬
gerufen, und es dauerte ſeine Weile, ehe Antwort herauf¬
kam.

„Herr Magiſter Buchius!“

„Eh — eh — heu! Si fractus illabitur —“,

„Jawohl — orbis! wenn der Erdball einfällt, den
Weiſen weckt's nicht! Eben ſchlagen ſie das Hofthor
ein, und der alte Impavidus nimmt's bloß für den Welt¬
untergang und ſchnarcht weiter, weil ihn die Ruinirung
garnichts angeht. Einen famoſen Schlaf mit gutem
Gewiſſen muß der alte Herr bei dem Lärm haben!
Aber auf muß er. Herr Magiſter! Herr Magiſter
Buchius — die Schulglocke!“

Beim letzten Wort ſaß der alte Schulmeiſter auf¬
recht auf ſeinem Bett, mit beiden Händen haſtig um
ſich herum greifend, wie nach ſeinen nöthigſten Klei¬
dungsſtücken, ſeinen Büchern, ſeinem nur zu harmloſen
Bakel. Dem jungen grinſenden Böſewicht zitterte in
ſeiner Luſt an dem Witz die Lampe, mit der er dem

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0133" n="[125]"/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Eilftes Kapitel.</hi><lb/>
        </head>
        <p>&#x201E;Herr Magi&#x017F;ter!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Das wurde wie in einen tiefen Brunnen hinab¬<lb/>
gerufen, und es dauerte &#x017F;eine Weile, ehe Antwort herauf¬<lb/>
kam.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Herr Magi&#x017F;ter Buchius!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Eh &#x2014; eh &#x2014; heu! <hi rendition="#aq">Si fractus illabitur</hi> &#x2014;&#x201C;,</p><lb/>
        <p>&#x201E;Jawohl &#x2014; <hi rendition="#aq">orbis</hi>! wenn der Erdball einfällt, den<lb/>
Wei&#x017F;en weckt's nicht! Eben &#x017F;chlagen &#x017F;ie das Hofthor<lb/>
ein, und der alte Impavidus nimmt's bloß für den Welt¬<lb/>
untergang und &#x017F;chnarcht weiter, weil ihn die Ruinirung<lb/>
garnichts angeht. Einen famo&#x017F;en Schlaf mit gutem<lb/>
Gewi&#x017F;&#x017F;en muß der alte Herr bei dem Lärm haben!<lb/>
Aber auf muß er. Herr Magi&#x017F;ter! Herr Magi&#x017F;ter<lb/>
Buchius &#x2014; die Schulglocke!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Beim letzten Wort &#x017F;aß der alte Schulmei&#x017F;ter auf¬<lb/>
recht auf &#x017F;einem Bett, mit beiden Händen ha&#x017F;tig um<lb/>
&#x017F;ich herum greifend, wie nach &#x017F;einen nöthig&#x017F;ten Klei¬<lb/>
dungs&#x017F;tücken, &#x017F;einen Büchern, &#x017F;einem nur zu harmlo&#x017F;en<lb/>
Bakel. Dem jungen grin&#x017F;enden Bö&#x017F;ewicht zitterte in<lb/>
&#x017F;einer Lu&#x017F;t an dem Witz die Lampe, mit der er dem<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[125]/0133] Eilftes Kapitel. „Herr Magiſter!“ Das wurde wie in einen tiefen Brunnen hinab¬ gerufen, und es dauerte ſeine Weile, ehe Antwort herauf¬ kam. „Herr Magiſter Buchius!“ „Eh — eh — heu! Si fractus illabitur —“, „Jawohl — orbis! wenn der Erdball einfällt, den Weiſen weckt's nicht! Eben ſchlagen ſie das Hofthor ein, und der alte Impavidus nimmt's bloß für den Welt¬ untergang und ſchnarcht weiter, weil ihn die Ruinirung garnichts angeht. Einen famoſen Schlaf mit gutem Gewiſſen muß der alte Herr bei dem Lärm haben! Aber auf muß er. Herr Magiſter! Herr Magiſter Buchius — die Schulglocke!“ Beim letzten Wort ſaß der alte Schulmeiſter auf¬ recht auf ſeinem Bett, mit beiden Händen haſtig um ſich herum greifend, wie nach ſeinen nöthigſten Klei¬ dungsſtücken, ſeinen Büchern, ſeinem nur zu harmloſen Bakel. Dem jungen grinſenden Böſewicht zitterte in ſeiner Luſt an dem Witz die Lampe, mit der er dem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889/133
Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889, S. [125]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889/133>, abgerufen am 28.03.2024.