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Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889.

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Zwölftes Kapitel.

Magister Buchius rüstete sich derweilen wie ein
Mann, der, wenn er nicht mehr die Toga um sich zu¬
sammenziehen konnte wie der Cajus Julius unter der
Bildsäule des Pompejus, doch anständig in seinen
Stiefeln oder Schuhen zu sterben wünschte. So wenig
er je den Respekt im Verkehr mit seinen Schülern
hatte aufrecht erhalten können, so sehr war er in seiner
Seele ein Mann des Anstandes, und dazu, wie wir
nunmehr wohl schon wissen, ein tapferer Mann.

"Rebus angustis animosus atque fortis appare,"
sprach er mit dem Horaz und wenn es zum Aeußersten
gekommen wäre, würde er sicherlich auch mit dem
Martial gesagt haben: Rebus in angustis facile est,
contemnere vitam
. Daß er beim Zuknöpfen von Hose,
Weste und Rock unter die heidnischen Sentenzien und
nervose dicta auch Verse aus dem Braunschweigischen
Gesangbuch, gedruckt bei Johann Heinrich Meyer, mischte,
wird ihm, der aus einem lutherischen Pfarrhause
stammte, christliche Theologia studirt hatte und ein Erbe
christlicher Schulweisheit des heiligen Bernhards von

Zwölftes Kapitel.

Magiſter Buchius rüſtete ſich derweilen wie ein
Mann, der, wenn er nicht mehr die Toga um ſich zu¬
ſammenziehen konnte wie der Cajus Julius unter der
Bildſäule des Pompejus, doch anſtändig in ſeinen
Stiefeln oder Schuhen zu ſterben wünſchte. So wenig
er je den Reſpekt im Verkehr mit ſeinen Schülern
hatte aufrecht erhalten können, ſo ſehr war er in ſeiner
Seele ein Mann des Anſtandes, und dazu, wie wir
nunmehr wohl ſchon wiſſen, ein tapferer Mann.

„Rebus angustis animosus atque fortis appare,“
ſprach er mit dem Horaz und wenn es zum Aeußerſten
gekommen wäre, würde er ſicherlich auch mit dem
Martial geſagt haben: Rebus in angustis facile est,
contemnere vitam
. Daß er beim Zuknöpfen von Hoſe,
Weſte und Rock unter die heidniſchen Sentenzien und
nervose dicta auch Verſe aus dem Braunſchweigiſchen
Geſangbuch, gedruckt bei Johann Heinrich Meyer, miſchte,
wird ihm, der aus einem lutheriſchen Pfarrhauſe
ſtammte, chriſtliche Theologia ſtudirt hatte und ein Erbe
chriſtlicher Schulweisheit des heiligen Bernhards von

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[[134]/0142] Zwölftes Kapitel. Magiſter Buchius rüſtete ſich derweilen wie ein Mann, der, wenn er nicht mehr die Toga um ſich zu¬ ſammenziehen konnte wie der Cajus Julius unter der Bildſäule des Pompejus, doch anſtändig in ſeinen Stiefeln oder Schuhen zu ſterben wünſchte. So wenig er je den Reſpekt im Verkehr mit ſeinen Schülern hatte aufrecht erhalten können, ſo ſehr war er in ſeiner Seele ein Mann des Anſtandes, und dazu, wie wir nunmehr wohl ſchon wiſſen, ein tapferer Mann. „Rebus angustis animosus atque fortis appare,“ ſprach er mit dem Horaz und wenn es zum Aeußerſten gekommen wäre, würde er ſicherlich auch mit dem Martial geſagt haben: Rebus in angustis facile est, contemnere vitam. Daß er beim Zuknöpfen von Hoſe, Weſte und Rock unter die heidniſchen Sentenzien und nervose dicta auch Verſe aus dem Braunſchweigiſchen Geſangbuch, gedruckt bei Johann Heinrich Meyer, miſchte, wird ihm, der aus einem lutheriſchen Pfarrhauſe ſtammte, chriſtliche Theologia ſtudirt hatte und ein Erbe chriſtlicher Schulweisheit des heiligen Bernhards von

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889, S. [134]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889/142>, abgerufen am 28.03.2024.