Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889.

Bild:
<< vorherige Seite

können die klügsten Könige und Feldmarschälle nicht
mitzählen in ihren strategischen Berechnungen.

Das zerschmetterte Gezweig prasselte nieder auf
die rathlose Gruppe, die Jungfer schrie und duckte sich,
dem Knecht Heinrich war's einerlei, und der Magister
sah nur einen kürzesten Moment aufwärts zum Zeus,
dem Wolkenversammler. Er sah sofort wieder um, der
Magister Buchius. Sie waren noch nicht Alle bei ein¬
ander, die sich an diesem fünften November vom Kloster
Amelungsborn aus auf dem Odfelde zusammenfinden
sollten; doch die Letzten kamen eben, und zwar spuk¬
hafter wie sonst was an diesem Morgen für den Ma¬
gister. Nämlich auf weißem Roß, wie aus der Apo¬
kalypse heraus im Qualm des Erduntergangs: "Jeses,
den Herrn Amtmann sein Schimmel!" rief Wieschen.
"Der Junker von Münchhausen -- und -- Mamsell
Fegebanck," stammelte Magister Buchius, als der wilde
Thedel wirklich des Klosteramtmanns letztes in den
Knochen zusammenhängendes Reitpferd dicht vor den
Drei unter der Eiche des Odfeldes parirte und noch
mit seiner Begleiterin von den abgeschlagnen Aesten
und Zweigen überschüttet wurde.

Hoch vom keuchenden Gaul, vor sich auf dem Sattel
die schöne aber schwere Last fester mit dem linken
Arm umfassend, deutete der tolle Junge nach der Rich¬
tung des donnernden Iths:

"Hört, oder täuschen mich beliebte Rasereien?
"Nein, nein, ich hör ihn schon.

können die klügſten Könige und Feldmarſchälle nicht
mitzählen in ihren ſtrategiſchen Berechnungen.

Das zerſchmetterte Gezweig praſſelte nieder auf
die rathloſe Gruppe, die Jungfer ſchrie und duckte ſich,
dem Knecht Heinrich war's einerlei, und der Magiſter
ſah nur einen kürzeſten Moment aufwärts zum Zeus,
dem Wolkenverſammler. Er ſah ſofort wieder um, der
Magiſter Buchius. Sie waren noch nicht Alle bei ein¬
ander, die ſich an dieſem fünften November vom Kloſter
Amelungsborn aus auf dem Odfelde zuſammenfinden
ſollten; doch die Letzten kamen eben, und zwar ſpuk¬
hafter wie ſonſt was an dieſem Morgen für den Ma¬
giſter. Nämlich auf weißem Roß, wie aus der Apo¬
kalypſe heraus im Qualm des Erduntergangs: „Jeſes,
den Herrn Amtmann ſein Schimmel!“ rief Wieſchen.
„Der Junker von Münchhauſen — und — Mamſell
Fegebanck,“ ſtammelte Magiſter Buchius, als der wilde
Thedel wirklich des Kloſteramtmanns letztes in den
Knochen zuſammenhängendes Reitpferd dicht vor den
Drei unter der Eiche des Odfeldes parirte und noch
mit ſeiner Begleiterin von den abgeſchlagnen Aeſten
und Zweigen überſchüttet wurde.

Hoch vom keuchenden Gaul, vor ſich auf dem Sattel
die ſchöne aber ſchwere Laſt feſter mit dem linken
Arm umfaſſend, deutete der tolle Junge nach der Rich¬
tung des donnernden Iths:

„Hört, oder täuſchen mich beliebte Raſereien?
„Nein, nein, ich hör ihn ſchon.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0170" n="162"/>
können die klüg&#x017F;ten Könige und Feldmar&#x017F;chälle nicht<lb/>
mitzählen in ihren &#x017F;trategi&#x017F;chen Berechnungen.</p><lb/>
        <p>Das zer&#x017F;chmetterte Gezweig pra&#x017F;&#x017F;elte nieder auf<lb/>
die rathlo&#x017F;e Gruppe, die Jungfer &#x017F;chrie und duckte &#x017F;ich,<lb/>
dem Knecht Heinrich war's einerlei, und der Magi&#x017F;ter<lb/>
&#x017F;ah nur einen kürze&#x017F;ten Moment aufwärts zum Zeus,<lb/>
dem Wolkenver&#x017F;ammler. Er &#x017F;ah &#x017F;ofort wieder um, der<lb/>
Magi&#x017F;ter Buchius. Sie waren noch nicht Alle bei ein¬<lb/>
ander, die &#x017F;ich an die&#x017F;em fünften November vom Klo&#x017F;ter<lb/>
Amelungsborn aus auf dem Odfelde zu&#x017F;ammenfinden<lb/>
&#x017F;ollten; doch die Letzten kamen eben, und zwar &#x017F;puk¬<lb/>
hafter wie &#x017F;on&#x017F;t was an die&#x017F;em Morgen für den Ma¬<lb/>
gi&#x017F;ter. Nämlich auf weißem Roß, wie aus der Apo¬<lb/>
kalyp&#x017F;e heraus im Qualm des Erduntergangs: &#x201E;Je&#x017F;es,<lb/>
den Herrn Amtmann &#x017F;ein Schimmel!&#x201C; rief Wie&#x017F;chen.<lb/>
&#x201E;Der Junker von Münchhau&#x017F;en &#x2014; und &#x2014; Mam&#x017F;ell<lb/>
Fegebanck,&#x201C; &#x017F;tammelte Magi&#x017F;ter Buchius, als der wilde<lb/>
Thedel wirklich des Klo&#x017F;teramtmanns letztes in den<lb/>
Knochen zu&#x017F;ammenhängendes Reitpferd dicht vor den<lb/>
Drei unter der Eiche des Odfeldes parirte und noch<lb/>
mit &#x017F;einer Begleiterin von den abge&#x017F;chlagnen Ae&#x017F;ten<lb/>
und Zweigen über&#x017F;chüttet wurde.</p><lb/>
        <p>Hoch vom keuchenden Gaul, vor &#x017F;ich auf dem Sattel<lb/>
die &#x017F;chöne aber &#x017F;chwere La&#x017F;t fe&#x017F;ter mit dem linken<lb/>
Arm umfa&#x017F;&#x017F;end, deutete der tolle Junge nach der Rich¬<lb/>
tung des donnernden Iths:</p><lb/>
        <lg type="poem">
          <lg n="1">
            <l>&#x201E;Hört, oder täu&#x017F;chen mich beliebte Ra&#x017F;ereien?</l><lb/>
            <l>&#x201E;Nein, nein, ich hör ihn &#x017F;chon.</l><lb/>
          </lg>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[162/0170] können die klügſten Könige und Feldmarſchälle nicht mitzählen in ihren ſtrategiſchen Berechnungen. Das zerſchmetterte Gezweig praſſelte nieder auf die rathloſe Gruppe, die Jungfer ſchrie und duckte ſich, dem Knecht Heinrich war's einerlei, und der Magiſter ſah nur einen kürzeſten Moment aufwärts zum Zeus, dem Wolkenverſammler. Er ſah ſofort wieder um, der Magiſter Buchius. Sie waren noch nicht Alle bei ein¬ ander, die ſich an dieſem fünften November vom Kloſter Amelungsborn aus auf dem Odfelde zuſammenfinden ſollten; doch die Letzten kamen eben, und zwar ſpuk¬ hafter wie ſonſt was an dieſem Morgen für den Ma¬ giſter. Nämlich auf weißem Roß, wie aus der Apo¬ kalypſe heraus im Qualm des Erduntergangs: „Jeſes, den Herrn Amtmann ſein Schimmel!“ rief Wieſchen. „Der Junker von Münchhauſen — und — Mamſell Fegebanck,“ ſtammelte Magiſter Buchius, als der wilde Thedel wirklich des Kloſteramtmanns letztes in den Knochen zuſammenhängendes Reitpferd dicht vor den Drei unter der Eiche des Odfeldes parirte und noch mit ſeiner Begleiterin von den abgeſchlagnen Aeſten und Zweigen überſchüttet wurde. Hoch vom keuchenden Gaul, vor ſich auf dem Sattel die ſchöne aber ſchwere Laſt feſter mit dem linken Arm umfaſſend, deutete der tolle Junge nach der Rich¬ tung des donnernden Iths: „Hört, oder täuſchen mich beliebte Raſereien? „Nein, nein, ich hör ihn ſchon.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889/170
Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889/170>, abgerufen am 24.04.2024.