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Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889.

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grünen Frühjahr und Blumensommer und um seines
jetzigen blutigen Todes willen, was ich Ihm heute je in
Verdruß und Elend mal gesagt und angethan habe! Wer
hätte denn dies auch denken können, Herr Magister, daß
ich auch ihm das kühle Grab in seiner jüngsten Jugend
mit Rosmarin bestecken müßte? Und wieder um solch'
eine ungeforderte Dummheit und lieben Muthwillen,
liebster Herr Magister!"

Für Magister Buchius sprach die thränenüberströmte
Schöne vollkommen in den Wind. Er vernahm und ver¬
stand kein Wort von den was sie schrie. Er sagte zu des
Todten guten Amelungsborn'schen Wald- und Feld-
Kameraden:

"Wir finden wohl heute Abend keine Stätte in
Amelungsborn, wo er besser ruhte als wie hier, wo
er sie sich selber gesucht hat als ein junger deutscher
Edelmann und Kriegsmann. Der Herr Vetter ist über
ihn hingestoben mit den Reitern und hat ihn auch
liegen lassen müssen. Nun wollen wir ihn ein wenig
zurecht legen in seiner Glorie aus dem Krieg um das
deutsche Vaterland -- hier auf dem Odfelde bei unsern
Vorfahren seit Anbeginn. Und wir selber wollen zu¬
sehen, was nur selber für eine Stätte zu Amelungs¬
born finden und wie uns bereitet ist, wo wir unser
Haupt im Leben für diese Nacht niederlegen. Kommet
still und nehmet euer Bett ein, wie der allmächtige
Gott es bereitet hat."

Sie thaten so. Sie legten auch Thedeln von

grünen Frühjahr und Blumenſommer und um ſeines
jetzigen blutigen Todes willen, was ich Ihm heute je in
Verdruß und Elend mal geſagt und angethan habe! Wer
hätte denn dies auch denken können, Herr Magiſter, daß
ich auch ihm das kühle Grab in ſeiner jüngſten Jugend
mit Rosmarin beſtecken müßte? Und wieder um ſolch'
eine ungeforderte Dummheit und lieben Muthwillen,
liebſter Herr Magiſter!“

Für Magiſter Buchius ſprach die thränenüberſtrömte
Schöne vollkommen in den Wind. Er vernahm und ver¬
ſtand kein Wort von den was ſie ſchrie. Er ſagte zu des
Todten guten Amelungsborn'ſchen Wald- und Feld-
Kameraden:

„Wir finden wohl heute Abend keine Stätte in
Amelungsborn, wo er beſſer ruhte als wie hier, wo
er ſie ſich ſelber geſucht hat als ein junger deutſcher
Edelmann und Kriegsmann. Der Herr Vetter iſt über
ihn hingeſtoben mit den Reitern und hat ihn auch
liegen laſſen müſſen. Nun wollen wir ihn ein wenig
zurecht legen in ſeiner Glorie aus dem Krieg um das
deutſche Vaterland — hier auf dem Odfelde bei unſern
Vorfahren ſeit Anbeginn. Und wir ſelber wollen zu¬
ſehen, was nur ſelber für eine Stätte zu Amelungs¬
born finden und wie uns bereitet iſt, wo wir unſer
Haupt im Leben für dieſe Nacht niederlegen. Kommet
ſtill und nehmet euer Bett ein, wie der allmächtige
Gott es bereitet hat.“

Sie thaten ſo. Sie legten auch Thedeln von

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[280/0288] grünen Frühjahr und Blumenſommer und um ſeines jetzigen blutigen Todes willen, was ich Ihm heute je in Verdruß und Elend mal geſagt und angethan habe! Wer hätte denn dies auch denken können, Herr Magiſter, daß ich auch ihm das kühle Grab in ſeiner jüngſten Jugend mit Rosmarin beſtecken müßte? Und wieder um ſolch' eine ungeforderte Dummheit und lieben Muthwillen, liebſter Herr Magiſter!“ Für Magiſter Buchius ſprach die thränenüberſtrömte Schöne vollkommen in den Wind. Er vernahm und ver¬ ſtand kein Wort von den was ſie ſchrie. Er ſagte zu des Todten guten Amelungsborn'ſchen Wald- und Feld- Kameraden: „Wir finden wohl heute Abend keine Stätte in Amelungsborn, wo er beſſer ruhte als wie hier, wo er ſie ſich ſelber geſucht hat als ein junger deutſcher Edelmann und Kriegsmann. Der Herr Vetter iſt über ihn hingeſtoben mit den Reitern und hat ihn auch liegen laſſen müſſen. Nun wollen wir ihn ein wenig zurecht legen in ſeiner Glorie aus dem Krieg um das deutſche Vaterland — hier auf dem Odfelde bei unſern Vorfahren ſeit Anbeginn. Und wir ſelber wollen zu¬ ſehen, was nur ſelber für eine Stätte zu Amelungs¬ born finden und wie uns bereitet iſt, wo wir unſer Haupt im Leben für dieſe Nacht niederlegen. Kommet ſtill und nehmet euer Bett ein, wie der allmächtige Gott es bereitet hat.“ Sie thaten ſo. Sie legten auch Thedeln von

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889/288>, abgerufen am 28.03.2024.