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Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857.

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Ich lachte herzlich über diese Schilderung. "Es
wachse, blühe und grüne das Haus Pümpel et Comp.
wie -- wie -- --"

"Hopfen! -- Vivat hoch!" -- schrie der Zeichner,
nahm den Hut und trabte wieder davon. Wo er ge-
sessen hatte, stand ein kleiner Sumpf Regenwasser. Einen
Schirm brauchte ich ihm also nicht anzubieten! --



Wie traurig hat dieser Tag geendet! Ich wollte die
Geschichte der armen Tänzerin über mir, die wir einst
auf den Weihnachtsmarkt begleiteten, nicht erzählen aus
Furcht, diesem Bilderbuch eine dunkle Seite mehr zu
schaffen, aber die unsichtbare Hand, welche die gewalti-
gen Blätter des Buches, Welt und Leben, eins nach
dem andern umwendet, mit ihren zertretenen Generatio-
nen, gemordeten Völkern und gestorbenen Individuen,
will es anders, als der kleine nachzeichnende Mensch.
Dunkel wird doch dieses Blatt, dunkel -- wie der Tod! --

"Herr Wachholder," sagte die Frau Anna Werner,
die um neun Uhr Abends an meiner Thür klopfte. "Herr
Wachholder, das Kind der Tänzerin stirbt in dieser

Ich lachte herzlich über dieſe Schilderung. „Es
wachſe, blühe und grüne das Haus Pümpel et Comp.
wie — wie — —“

„Hopfen! — Vivat hoch!“ — ſchrie der Zeichner,
nahm den Hut und trabte wieder davon. Wo er ge-
ſeſſen hatte, ſtand ein kleiner Sumpf Regenwaſſer. Einen
Schirm brauchte ich ihm alſo nicht anzubieten! —



Wie traurig hat dieſer Tag geendet! Ich wollte die
Geſchichte der armen Tänzerin über mir, die wir einſt
auf den Weihnachtsmarkt begleiteten, nicht erzählen aus
Furcht, dieſem Bilderbuch eine dunkle Seite mehr zu
ſchaffen, aber die unſichtbare Hand, welche die gewalti-
gen Blätter des Buches, Welt und Leben, eins nach
dem andern umwendet, mit ihren zertretenen Generatio-
nen, gemordeten Völkern und geſtorbenen Individuen,
will es anders, als der kleine nachzeichnende Menſch.
Dunkel wird doch dieſes Blatt, dunkel — wie der Tod! —

„Herr Wachholder,“ ſagte die Frau Anna Werner,
die um neun Uhr Abends an meiner Thür klopfte. „Herr
Wachholder, das Kind der Tänzerin ſtirbt in dieſer

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[185/0195] Ich lachte herzlich über dieſe Schilderung. „Es wachſe, blühe und grüne das Haus Pümpel et Comp. wie — wie — —“ „Hopfen! — Vivat hoch!“ — ſchrie der Zeichner, nahm den Hut und trabte wieder davon. Wo er ge- ſeſſen hatte, ſtand ein kleiner Sumpf Regenwaſſer. Einen Schirm brauchte ich ihm alſo nicht anzubieten! — Abends 11 Uhr. — Wie traurig hat dieſer Tag geendet! Ich wollte die Geſchichte der armen Tänzerin über mir, die wir einſt auf den Weihnachtsmarkt begleiteten, nicht erzählen aus Furcht, dieſem Bilderbuch eine dunkle Seite mehr zu ſchaffen, aber die unſichtbare Hand, welche die gewalti- gen Blätter des Buches, Welt und Leben, eins nach dem andern umwendet, mit ihren zertretenen Generatio- nen, gemordeten Völkern und geſtorbenen Individuen, will es anders, als der kleine nachzeichnende Menſch. Dunkel wird doch dieſes Blatt, dunkel — wie der Tod! — „Herr Wachholder,“ ſagte die Frau Anna Werner, die um neun Uhr Abends an meiner Thür klopfte. „Herr Wachholder, das Kind der Tänzerin ſtirbt in dieſer

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_sperlingsgasse_1857/195>, abgerufen am 28.03.2024.