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Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857.

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"Gott gebe dem ehrlichen alten Gesellen Glück!"
sagt der Lehrer vor sich hin. Ein Omnibus will eben
nach der Stadt abfahren. Was sollen wir noch hier?
Wir nehmen Plätze und steigen ein. --

Zurück geht's nun nach der großen Stadt, die stau-
bige Landstraße hinunter! Fröhliche Gesichter jedes
Alters und Geschlechts um uns her im dichtbepackten
Wagen! Wie die Sonne so prächtig untergeht! Ade,
du schöner Wald! Ade Du alter Freund Wimmer! --

Da sind wir schon in den Anlagen. Welche sonn-
täglich geputzte Menge noch ein- und ausströmt! Wir
steigen aus auf dem freien Platz vor dem Thor; den
Weg durch die Stadt bis in unsere Sperlingsgasse kön-
nen wir wohl noch zu Fuße machen. -- --

Da sind wir, als es eben dämmerig wird. Sieh,
da steht die alte Martha, strickend in der Thür; sie er-
blickt uns:

"Guten Abend, guten Abend!" --

"Ach Martha, das war schön -- und -- der Onkel
Doctor ist fort!" -- sagt die kleine müde Elise. Auch
der Lehrer sagt jetzt gute Nacht und kehrt zurück in sein
einsames Stübchen, eine lange Woche mühsamer Arbeit
vor sich! --

Das war ein Sommertag im Walde, den ich hier
aufzeichne in einer öden kalten Winternacht.


„Gott gebe dem ehrlichen alten Geſellen Glück!“
ſagt der Lehrer vor ſich hin. Ein Omnibus will eben
nach der Stadt abfahren. Was ſollen wir noch hier?
Wir nehmen Plätze und ſteigen ein. —

Zurück geht’s nun nach der großen Stadt, die ſtau-
bige Landſtraße hinunter! Fröhliche Geſichter jedes
Alters und Geſchlechts um uns her im dichtbepackten
Wagen! Wie die Sonne ſo prächtig untergeht! Ade,
du ſchöner Wald! Ade Du alter Freund Wimmer! —

Da ſind wir ſchon in den Anlagen. Welche ſonn-
täglich geputzte Menge noch ein- und ausſtrömt! Wir
ſteigen aus auf dem freien Platz vor dem Thor; den
Weg durch die Stadt bis in unſere Sperlingsgaſſe kön-
nen wir wohl noch zu Fuße machen. — —

Da ſind wir, als es eben dämmerig wird. Sieh,
da ſteht die alte Martha, ſtrickend in der Thür; ſie er-
blickt uns:

„Guten Abend, guten Abend!“ —

„Ach Martha, das war ſchön — und — der Onkel
Doctor iſt fort!“ — ſagt die kleine müde Eliſe. Auch
der Lehrer ſagt jetzt gute Nacht und kehrt zurück in ſein
einſames Stübchen, eine lange Woche mühſamer Arbeit
vor ſich! —

Das war ein Sommertag im Walde, den ich hier
aufzeichne in einer öden kalten Winternacht.


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[132/0142] „Gott gebe dem ehrlichen alten Geſellen Glück!“ ſagt der Lehrer vor ſich hin. Ein Omnibus will eben nach der Stadt abfahren. Was ſollen wir noch hier? Wir nehmen Plätze und ſteigen ein. — Zurück geht’s nun nach der großen Stadt, die ſtau- bige Landſtraße hinunter! Fröhliche Geſichter jedes Alters und Geſchlechts um uns her im dichtbepackten Wagen! Wie die Sonne ſo prächtig untergeht! Ade, du ſchöner Wald! Ade Du alter Freund Wimmer! — Da ſind wir ſchon in den Anlagen. Welche ſonn- täglich geputzte Menge noch ein- und ausſtrömt! Wir ſteigen aus auf dem freien Platz vor dem Thor; den Weg durch die Stadt bis in unſere Sperlingsgaſſe kön- nen wir wohl noch zu Fuße machen. — — Da ſind wir, als es eben dämmerig wird. Sieh, da ſteht die alte Martha, ſtrickend in der Thür; ſie er- blickt uns: „Guten Abend, guten Abend!“ — „Ach Martha, das war ſchön — und — der Onkel Doctor iſt fort!“ — ſagt die kleine müde Eliſe. Auch der Lehrer ſagt jetzt gute Nacht und kehrt zurück in ſein einſames Stübchen, eine lange Woche mühſamer Arbeit vor ſich! — Das war ein Sommertag im Walde, den ich hier aufzeichne in einer öden kalten Winternacht.

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_sperlingsgasse_1857/142>, abgerufen am 19.04.2024.