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Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857.

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Ich lege die Feder nieder und wiederhole leise diese
Zeilen. -- Ich kann heute nicht weiter schreiben. --



Meinem Versprechen gemäß hatte ich der Redaction
der welken Blätter -- Wimmerianischen Angeden-
kens -- einige der Federzeichnungen meines Nachbars
Strobel vorgelegt und konnte heute schon ihm seine Auf-
nahme unter die Zeichner jenes witzigen Journals mit-
theilen. Da ich seine Nase hinter den Scheiben seiner
Fenster einige Male hatte hervorlugen sehen, so machte
ich mich auf den Weg hinüber zu meiner alten Woh-
nung, in die ich, seit ich sie verlassen, so Viele ein- und
ausziehen gesehen habe.

Die dicke Madame Pimpernell hat es aufgegeben,
in eigener, gewichtiger Person über den Vorräthen des
Viktualienladens zu thronen, sie hat sich in einen ge-
waltigen, ausgepolsterten Lehnstuhl hinter dem Ofen
zurückgezogen, von wo aus sie oft genug Dorette --
auch Rettchen genannt -- ihre hagere Tochter und Nach-
folgerin im Reich der Käse, der Butter und der Milch
zur Verzweiflung zu bringen vermag.

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Ich lege die Feder nieder und wiederhole leiſe dieſe
Zeilen. — Ich kann heute nicht weiter ſchreiben. —



Meinem Verſprechen gemäß hatte ich der Redaction
der welken Blätter — Wimmerianiſchen Angeden-
kens — einige der Federzeichnungen meines Nachbars
Strobel vorgelegt und konnte heute ſchon ihm ſeine Auf-
nahme unter die Zeichner jenes witzigen Journals mit-
theilen. Da ich ſeine Naſe hinter den Scheiben ſeiner
Fenſter einige Male hatte hervorlugen ſehen, ſo machte
ich mich auf den Weg hinüber zu meiner alten Woh-
nung, in die ich, ſeit ich ſie verlaſſen, ſo Viele ein- und
ausziehen geſehen habe.

Die dicke Madame Pimpernell hat es aufgegeben,
in eigener, gewichtiger Perſon über den Vorräthen des
Viktualienladens zu thronen, ſie hat ſich in einen ge-
waltigen, ausgepolſterten Lehnſtuhl hinter dem Ofen
zurückgezogen, von wo aus ſie oft genug Dorette —
auch Rettchen genannt — ihre hagere Tochter und Nach-
folgerin im Reich der Käſe, der Butter und der Milch
zur Verzweiflung zu bringen vermag.

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[35/0045] Ich lege die Feder nieder und wiederhole leiſe dieſe Zeilen. — Ich kann heute nicht weiter ſchreiben. — Am 5. December. — Meinem Verſprechen gemäß hatte ich der Redaction der welken Blätter — Wimmerianiſchen Angeden- kens — einige der Federzeichnungen meines Nachbars Strobel vorgelegt und konnte heute ſchon ihm ſeine Auf- nahme unter die Zeichner jenes witzigen Journals mit- theilen. Da ich ſeine Naſe hinter den Scheiben ſeiner Fenſter einige Male hatte hervorlugen ſehen, ſo machte ich mich auf den Weg hinüber zu meiner alten Woh- nung, in die ich, ſeit ich ſie verlaſſen, ſo Viele ein- und ausziehen geſehen habe. Die dicke Madame Pimpernell hat es aufgegeben, in eigener, gewichtiger Perſon über den Vorräthen des Viktualienladens zu thronen, ſie hat ſich in einen ge- waltigen, ausgepolſterten Lehnſtuhl hinter dem Ofen zurückgezogen, von wo aus ſie oft genug Dorette — auch Rettchen genannt — ihre hagere Tochter und Nach- folgerin im Reich der Käſe, der Butter und der Milch zur Verzweiflung zu bringen vermag. 3*

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_sperlingsgasse_1857/45>, abgerufen am 24.04.2024.